Carlo Ancelotti beim FC Bayern:Lieblingsmensch muss gehen

Carlo Ancelotti trat beim FC Bayern als Spielerversteher an. In der Bundesliga triumphierte, in der Champions League scheiterte er - und verstimmte mehrere gestandene Profis. Ein Rückblick in Bildern.

Von Christopher Gerards und David Ryborz

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Pep Guardiola will leave Bayern Munich at the end of the season a

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Als der FC Bayern im Dezember 2015 Carlo Ancelotti als kommenden Trainer ankündigte, war das ein radikaler Bruch. Seinerzeit trainierte Pep Guardiola die Mannschaft, hatte allerdings angekündigt, den Klub zu verlassen. Guardiola und Ancelotti - das war ein maximaler Gegensatz. Ancelotti trat an als Trainer, der in Italien, England und Frankreich Meister wurde; der mit dem AC Milan und Real Madrid die Champions League gewann. Aber, das vor allem, als jemand, von dem es hieß, dass er sich exzellent mit den Spielern verstehe, als eine Art Anti-Pep: gemütlicher, pragmatischer, weniger asketisch (Lieblingsspeisen: Tortellini mit Mortadella-Füllung und Tellerfleisch mit wuchtigen Saucen!). "Hallo Lieblingsmensch", titelte die SZ im Dezember 2015, als klar wurde, dass Ancelotti Pep Guardiola ersetzen würde. Vor seinem Amtsantritt im Juli 2016 erschien dann Ancelottis Biographie "Quiet Leadership - Wie man Menschen und Spiele gewinnt". Das Buch inszenierte ihn noch mehr als Spielerversteher, durch Sätze von Profis wie Toni Kroos ("Ich habe nie jemanden schlecht über ihn reden hören, was im Fußball wirklich ungewöhnlich ist") oder Cristiano Ronaldo ("Er gibt einem das Gefühl, man werde Teil seiner Familie").

FC Bayern München - Trainingsauftakt

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Am 11. Juli gab Ancelotti seine erste Pressekonferenz als Bayern-Trainer. Er sprach ein beachtliches Deutsch, auf Englisch verkündete er: "Ich bin nicht hier, um eine Revolution zu starten." In sein Trainer-Team installierte er zwei Verwandte: Sein Sohn Davide Ancelotti fungierte als Co-Trainer, sein Schwiegersohn Mino Fulco als Ernährungsberater. In den ersten Wochen fiel Ancelotti vor allem damit auf, dass er seinem Ruf als Lieblingsmensch tatsächlich gerecht zu werden schien. "Unter Ancelotti spüre ich endlich wieder Vertrauen", sagte Franck Ribéry damals dem kicker , "er ist ein großartiger Trainer. Ich brauche Menschen wie ihn, Jupp Heynckes oder Ottmar Hitzfeld." Das war durchaus auch als Kritik an Amtsvorgänger Guardiola zu verstehen. Unter Ancelotti, sagte Ribéry noch, fühle er sich "frei, voll motiviert, er ist ein Geschenk für den Verein". Wie gesagt: Das war im Juli 2016.

Eintracht Frankfurt - Bayern München

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Die ersten Spiele unter Ancelotti gewann der FC Bayern problemlos, schnell sammelte das Team fünf Siege und ein Torverhältnis von 20:0. Selbst den Supercup gewann Ancelotti durch ein 2:0 gegen Dortmund auf Anhieb, ein Titel, den Guardiola in seinen drei Jahren in München nie hatte gewinnen können. Doch Ende September begann eine schwächere Phase: Gegen Atlético Madrid gab's ein 1:2 in der Champions League, kurz darauf ein 1:1 gegen Köln, dann ein 2:2 gegen Frankfurt. Auch im November reichte es nur zu einem 1:1 gegen Hoffenheim, und schnell tauchten Fragen zur Taktik auf. Ancelotti führte keine permanenten Umbauten am System durch, er vertraute auf ein 4-3-3. Die SZ schrieb: "Aktuell wirkt Bayerns Fußball arg herkömmlich und ein wenig banalisiert [...]." Im selben Monat verloren die Bayern 0:1 gegen Dortmund, Philipp Lahm musste nach 68 Minuten raus und sagte in einem TV-Interview zu den Gründen der Auswechslung: "Da müssen Sie den Trainer fragen, ich bin nicht für Ein- oder Auswechslungen zuständig." Das klang schon anders als Kroos und Ribéry zuvor. Kurz darauf kassierte der FC Bayern sogar ein 2:3 bei einer Mannschaft namens FK Rostow in Champions League.

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Im Dezember änderte Ancelotti das System, gegen Mainz spielten die Bayern im 4-2-3-1, mit Lahm im defensiven Mittelfeld, mit Joshua Kimmich rechts hinten, mit Thomas Müller als hängender Spitze - am Ende stand es 3:1. Kurz darauf kehrte Ancelotti aber wieder zum 4-3-3 zurück und gewann im Champions-League-Rückspiel gegen Atlético. Kurz vor Weihnachten kam es zum bis dahin wichtigsten Spiel für Ancelotti, gegen Bundesliga-Verfolger RB Leipzig. Das Team von Ralph Hasenhüttl galt als schneller, aggressiver, weniger berechenbar, mancher Experte prophezeite eine Niederlage. Doch dann: Gewann der FC Bayern 3:0. Es war ein Spiel wie ein Statement, eines, das Carlo Ancelotti einige Ruhe verschaffte.

Bayern München - Hamburger SV

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In der Winterpause sprach Ancelotti davon, welche Phase der Saison wirklich wichtig werde: der Frühling. "Es ist erlaubt, Fehler im ersten Teil der Saison zu machen. Aber du darfst keine Fehler im zweiten Teil der Saison machen", sagte er. Den restlichen Winter kennzeichneten viele Spiele, in denen es rumpelte und holperte: 2:1 in Bremen, 1:1 gegen Schalke, 2:0 in Ingolstadt, ein 1:1 in Berlin (bei dem Ancelotti einen Mittelfinger Richtung Tribüne zeigte und anschließend 5000 Euro an die Sepp-Herberger-Stiftung spendete; er war offenbar angespuckt worden). Die Frage, die sich stellte: Wie gut ist der FC Bayern, wenn es drauf ankommt? Und die vermeintliche Antwort darauf fiel Anfang März, bei einem 5:1 gegen Arsenal in der Champions League (Rückspiel: ebenfalls 5:1). Ein 8:0 gegen HSV erinnerte gar an die Guardiola-Jahre. Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge meinte: "Die Zeit, die jetzt ansteht, in der es anfängt zu grünen und zu blühen - das ist die Ancelotti-Jahreszeit."

Real Madrid CF v FC Bayern Muenchen - UEFA Champions League Quarter Final: Second Leg

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Doch es folgte: der April des Schreckens. Nach dem Aufwärtstrend im Frühjahr - die Bayern blieben 14 Spiele ungeschlagen - erlebten die Münchner einen Monat voller Enttäuschungen. Gegen Real Madrid schied man im Champions-League-Viertelfinale aus (1:2 und 2:4 n.V.), im Halbfinale des DFB-Pokals setzte es gegen den BVB nach einer 2:1-Führung noch eine 2:3-Pleite. Und plötzlich war der Mythos vom Frühlings-Trainer Carlo Ancelotti schwer beschädigt.

Bayern München - SC Freiburg

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Ancelotti führte die Bayern allerdings souverän zur Meisterschaft - er ist damit der erste Trainer, der sowohl in Spanien als auch in Frankreich, Italien und Deutschland Meister wurde. Am Ende hatten die Bayern gar 15 Punkte Vorsprung auf RB Leipzig. Doch im Sommer beendeten mit Xabi Alonso und Philipp Lahm zwei zentrale Spieler im Kader ihre Karrieren.

FC Bayern Muenchen Training Session

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Im Sommer wurde Bayerns Ex-Profi Willy Sagnol als Co-Trainer von Ancelotti verpflichtet, er erhielt einen Vertrag über zwei Jahre (und wird nun Interimstrainer). Doch nicht nur die ganz großen Erfolge blieben aus, auch das Verhältnis mit den Spielern litt. Beim Champions-League-Auftakt sorgte nicht nur der glanzlose 3:0-Sieg gegen den RSC Anderlecht für Schlagzeilen, sondern auch ein wütender Franck Ribery: Der Franzose pfefferte sein Trikot nach seiner Auswechslung auf die Bank. Da hatte sich Weltmeister Thomas Müller schon kritisch geäußert: "Ich weiß nicht genau, welche Qualitäten der Trainer gerade sehen will. Aber meine sind es offensichtlich nicht", beschwerte sich der Weltmeister im Bayerischen Rundfunk über seine späte Einwechslung in Bremen.

Paris St. Germain - Bayern München

Quelle: dpa

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Vor dem Champions-League-Duell bei Paris Saint-Germain wusste Ancelotti wohl schon, was auf dem Spiel steht. Er überraschte alle mit einer gewagten Aufstellung. Mats Hummels sowie Arjen Robben und Franck Ribery saßen zu Beginn nur auf der Bank. Jérôme Boateng war gar nicht erst im Kader. Die Millionen-Truppe aus Paris ging souverän als 3:0-Sieger vom Platz, die Bayern blieben meist harmlos. "Ich bin jemand, der sehr viel über die Aufstellung nachdenkt. Ich bedaure nichts", verteidigte Ancelotti seine Rotation. Am Tag darauf trennte sich der FC Bayern von seinem Trainer.

© SZ.de/chge/ghe
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