Fußball:Allein auf dem Bayern-Campus

FC Bayern Muenchen Audi Summer Tour 2019 - Day 2

Sarpreet Singh - hier bei einer Werbetour in den USA 2019.

(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)
  • Auch der Campus des FC Bayern München ist verwaist.
  • Nur drei Nachwuchsspieler wohnen dort noch im Internat, darunter der 21-jährige Neuseeländer Sarpreet Singh.
  • Er will die Zwangspause nutzen, um besser zu werden.

Von Christoph Leischwitz

Das Gelände des FC Bayern Campus ist mehr als 30 Hektar groß, selbstverständlich fällt es da zurzeit nicht schwer, die gebotenen Abstände einzuhalten, im Gegenteil. Mittagessen in der Kantine gibt es zwischen zwölf und halb zwei, und mehr als drei, vier Personen seien dann nie gleichzeitig im Saal, erzählt Sarpreet Singh. Manchmal hat er sogar den 1000 Quadratmeter großen Athletik- und Trainingsbereich für sich alleine. Natürlich: "Es ist schon komisch, den Campus so leer zu sehen", sagt der Neuseeländer, der seit neun Monaten im Nachwuchs-Leistungszentrum an der Ingolstädter Straße lebt. Doch der Mittelfeldspieler des FC Bayern München II scheint gut mit dieser Situation klarzukommen.

Vielleicht vermisst man ja die Familie und die besten Freunde tatsächlich noch ein bisschen mehr in so einer Krisenzeit: wenn sie eben nicht 300 Kilometer, sondern 30 Flugstunden entfernt sind. Natürlich denkt man auch mal darüber nach, ob man zu Beginn des Pandemie-Ausbruchs nicht vielleicht doch nach Hause hätte fliegen sollen. Aber für Singh war das ja noch unmöglicher als für andere: Wenn dann der Spielbetrieb doch recht schnell wieder aufgenommen wird? Singh sagt aber auch: "Für mich ist es hier fast besser, als zu Hause zu sein. Natürlich wäre ich dann bei der Familie, aber hier entwickle ich mich weiter." Er begreift die Krise, den leeren Campus vielmehr als Chance, und er hört sich schon sehr viel älter an als 21, wenn er sagt: "Es kommt auch in so einer Zeit darauf an: Was machst du, wenn niemand zuschaut?"

Singh ist einer der ältesten Spieler, die in einem der 35 Spieler-Apartments am Campus leben. Er war nach seiner Verpflichtung zu den Jugendspielern gezogen, weil er als Nicht-Europäer dort gute Möglichkeiten hat, Land und Mitspieler schneller kennenzulernen. Jetzt läuft er gelegentlich nur einem Physiotherapeuten oder dem Greenkeeper über den Weg. Und immerhin noch zwei weiteren U23-Spielern: Leon Dajaku und Flavius Daniliuc. Gerade Dajaku, der am Ostersonntag 19 wird, habe er in den vergangenen Wochen noch einmal sehr viel besser kennengelernt, erzählt Singh. Auch wenn die Kommunikation gar nicht so leicht sei: "Ich glaube, mein Deutsch ist mittlerweile besser als sein Englisch", sagt er lachend.

Bis vergangene Woche hat Singh vor allem zwei Möglichkeiten gehabt, um mal rauszukommen: Joggen und Supermarkt-Besuche. Seit dieser Woche ist eine sehr willkommene Möglichkeit dazugekommen: das Training bei den Profis an der Säbener Straße, wo auch Dajaku und Daniliuc dabei sind, ebenso Lars Lukas Mai, Christian Früchtl und Oliver Batista-Meier; seit wenigen Tagen trainiert übrigens auch die U23 wieder in Kleingruppen und nicht mehr nur im Cyber-Trainingsraum. Es sind kurze Ausflüge, denn gleich nach dem Kleingruppen-Training geht es mit dem Auto zurück nach Hause, geduscht wird daheim.

Was zusätzliche Motivation sein dürfte

Praktisch ist, dass die Spieler Lunchboxen mitbekommen, die kann man sich aufheben, dann muss man abends selbst vielleicht nicht mehr kochen. Praktisch ist aber vor allem natürlich, zusammen mit den gestandenen Profis wieder gegen den Ball zu treten. Denn so ist der möglicherweise anstehende Kaltstart zurück in die dritte Liga nicht ganz so kalt.

Die Aussagen von Hansi Flick, dass langsam, aber sicher auch mal wieder ein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs die Chance bekommen soll, ein großer Bayern-Spieler zu werden, dürfte zusätzliche Motivation sein, sich akribisch vorzubereiten, auch wenn noch niemand weiß, auf wann eigentlich. Acht Bundesliga-Minuten hat Flick dem quirligen Mittelfeldspieler Singh ja auch schon geschenkt, von dem sie menschlich und sportlich sehr viel halten am Campus.

Singh hatte Glück mit dem Timing. Im Mai vergangenen Jahres spielte Neuseeland eine gute U20-WM in Polen. Er war gerade wieder nach Hause geflogen, da kam der Anruf seines Agenten: Bayern will dich. Singh packte sofort wieder seine Koffer. Und dann stieg auch noch die U23 in die dritte Liga auf. Singh ist einer der ersten Jungprofis, die davon profitieren. "Es ist ein top Niveau", sagt er, "ich hoffe, wir können uns dort halten".

Die ungewisse Corona-Krisenzeit nennt er ein "Wartespiel", aber Singh nutzt sie. Vor allem, um an seinen Schwächen zu arbeiten. "Ich arbeite zurzeit viel an meiner Fitness", sagt er. Wenn überhaupt, dann hat der quirlige Spieler im zentralen Mittelfeld noch Defizite im körperlichen Bereich, was in der dritten Liga eben auch etwas mehr auffällt als in der vierten. "Ich mache immer weiter", sagt er. Und auch, wenn keiner zuschaut, wird man das Ergebnis ja irgendwann zu sehen bekommen.

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