British-Open-Sieger Cameron Smith:Der kontroverse "Champion Golfer"

British-Open-Sieger Cameron Smith: Kuss mit Schnurrbart: Cameron Smith mit der Claret-Jug-Trophäe.

Kuss mit Schnurrbart: Cameron Smith mit der Claret-Jug-Trophäe.

(Foto: Peter Morrison/AP)

Ein Australier, der Bier aus dem Pokal trinkt: Cameron Smith ist ein Unikat im Golf und seit Sonntag Major-Sieger. Aufregung gibt es wegen des Gerüchts, dass er bald auf der saudi-arabischen LIV-Tour spielt.

Von Felix Haselsteiner, St Andrews

Da saß Cameron Smith nun und konnte sich endlich Gedanken machen über die wichtigen Fragen im Leben eines erfolgreichen Golfspielers. Der 28-Jährige hatte neben sich auf der Pressekonferenz die Claret Jug stehen, die berühmteste Karaffe im Sport, und selbstverständlich fragte ihn ein australischer Journalist in breitem Akzent, wie viel Bier da wohl reinpasse. "Ehm, ich denke mal ... zwei Dosen", sagte Smith, dann lachte er: "Ich werde heute Abend also ungefähr zwanzig Claret Jugs trinken."

Der Champion Golfer of the Year - so der formelle Titel beim Open Championship - ist in diesem historischen 150. Jahr der Austragung ein junger Australier aus Brisbane, der Vokuhila trägt und auf Twitter zuletzt zum besten Träger eines schlecht gewachsenen Schnauzbarts gekürt wurde. Smith ist kein Golfer, wie ihn sich amerikanische Traditionsklubs als Sieger malen würden, er ist auch nicht der brave Gentleman, den die Briten lieben. Rotwein, Champagner, Whisky, die Claret Jug wurde schon mit den edelsten Getränken gefüllt. Dass Smith Bier bevorzugt, passt ins Bild: Er mag ein harter, ehrgeiziger Arbeiter sein, aber Smith wirkt nach außen eher wie ein lässiger Surfer, nur dass er statt des Boards eben Schläger mit sich rumträgt.

Cameron Smith ist - das kann man nach vier Tagen in St Andrews so festhalten - der verdiente Sieger, aber nicht der, den sich die Mehrheit in Schottland gewünscht hatte. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass er in den kommenden Tagen für Kontroversen sorgen wird, die über Bier in der Claret Jug hinausgehen.

Rory McIlroy ist der tragische Verlierer der Open - er scheitert an seiner Malaise beim Putten

Die Art und Weise, wie Smith am Sonntagabend den Old Course bespielte, sucht in der Major-Geschichte ihresgleichen. Acht Schläge unter Par lautete das Tagesergebnis, zwischendurch spielte er fünf Birdies in Serie und ging damit Mitte vier Bahnen vor dem Ende des Turniers in Führung. 20 unter Par als Gesamtergebnis nach 72 Löchern hatten zuvor bei Major-Turnieren nur drei andere Spieler geschafft. Die ganze Woche über, sagte er im Nachhinein, habe er sich unheimlich wohlgefühlt, allein auf den Grüns lief nicht alles perfekt: "Ich habe gestern Abend deshalb noch eine Schicht am Übungsgrün eingelegt, ich wollte einfach ein paar Bälle ins Loch fallen sehen."

Am Sonntag fielen sie. Einen nach dem anderen versenkte Smith, und rein sportlich ist das die simple Analyse, warum am Ende der Australier gewann - und nicht der Local Hero. Die 150. Open haben in Rory McIlroy nämlich auch einen tragischen Verlierer. Während Smith in der Gruppe vor ihm immer wieder einlochte, rollten McIlroys Bälle ein ums andere Mal am Loch vorbei, oft fehlten nur Zentimeter. Er spielte am Sonntag - wie schon die ganze Woche - die meiste Zeit wunderbares Golf, allein auf den Grüns ließ ihn das Glück im Stich. "Ich habe nicht viel falsch gemacht heute, aber auch nicht viel richtig", sagte McIlroy nach der Runde.

British-Open-Sieger Cameron Smith: Frustrierter Local Hero: Rory McIlroy spielte in St Andrews über weite Strecken wunderbares Golf - aber in der Schlussrunde wollten seine Putts nicht fallen.

Frustrierter Local Hero: Rory McIlroy spielte in St Andrews über weite Strecken wunderbares Golf - aber in der Schlussrunde wollten seine Putts nicht fallen.

(Foto: Andrew Boyers/Reuters)

Seit acht Jahren wartet der Nordire auf einen Sieg bei einem der großen vier Turniere, es ist inzwischen eine lange Serie von knapp verpassten Siegen, die McIlroys Laufbahn genauso prägen wie seine großen Erfolge zuvor. "Ich spiele mitunter das beste Golf in meiner Karriere", bestätigte der 33-Jährige: "Ich muss mich einfach weiterhin in Position bringen. Wenn man das tut, wird man aber auch mit Rückschlägen zurechtkommen müssen. Ich darf den Glauben nicht verlieren."

Es geht im Golf gerade nicht nur um Sport, sondern auch um Politik - und der Open-Sieger wird womöglich zum Symbol des Wandels

Über die vier Tage hatte das Publikum immer euphorischer für McIlroy gejubelt, es war eine einzigartige Kulisse, die St Andrews am Sonntag bot. Von seinem ersten Schlag an brandete immer wieder lauter Applaus auf, "Rory"-Rufe hallten über den Platz, allerdings wurden sie diesmal nicht von Loch zu Loch lauter, sondern immer leiser. Das Publikum wirkte gegen Ende selbst etwas erschrocken davon, dass sich das Blatt auf den finalen neun Löchern noch einmal komplett gewendet hatte, gerade als man den Eindruck hatte gewinnen können, McIlroy würde zum Jubiläum den erhofften Sieg tatsächlich schaffen.

Die derzeitige Situation im Golfsport trägt dazu bei, dass es bei Turnieren aber nicht nur um den Sport geht, sondern ein Stück weit auch um Politik. McIlroy ist der deutlichste Sprecher der traditionellen Golf-Welt, Woche für Woche setzte er sich zuletzt kritisch mit der aus seiner Sicht spalterisch agierenden saudi-arabischen LIV-Tour auseinander. Ein Sieg auf dem Old Course wäre daher auch ein Zeichen gewesen, dass derjenige gewinnt, der die Tradition verteidigt. Nun allerdings könnte es genau andersherum kommen.

British-Open-Sieger Cameron Smith: Running up that hill: Cameron Smith beeilt sich, um zu sehen, wo sein Schlag gelandet ist.

Running up that hill: Cameron Smith beeilt sich, um zu sehen, wo sein Schlag gelandet ist.

(Foto: Gerald Herbert/AP)

Cameron Smith nämlich wurde schon vor dem Turnier in St Andrews als einer der potenziell nächsten Spieler gehandelt, die auf die Saudi-Tour wechseln könnten. Nach SZ-Informationen handelt es sich dabei um mehr als Gerüchte: Smith ist einer von mehreren australischen Spielern, die Teil der nächsten Welle an LIV-Profis sein sollen, zu der unter anderem auch der europäische Ryder-Cup-Kapitän Henrik Stenson und der Japaner Hideki Matsuyama zählen. Auf die LIV-Tour angesprochen, reagierte der sonst so lockere Smith am Sonntag auf einmal angespannt: "Ich habe gerade die British Open gewonnen - und du fragst mich nach so etwas", blaffte er einen Journalisten auf der Pressekonferenz an: "Mein Team kümmert sich um diese Belange, ich versuche, Turniere zu gewinnen."

Inmitten der Feierlichkeiten auf dem 18. Grün und der Scherze über einen Aussie, der Bier in die Claret Jug kippt, wies die Debatte darüber, ob der Sieger demnächst auf der Saudi-Tour spielt, in eine ungewisse Zukunft des Golfsports. Demnächst ist mit einer richtungsweisenden Entscheidung zu rechnen, ob auf der Saudi-Tour Weltranglistenpunkte vergeben werden dürfen, Gerichtsverfahren zwischen den abtrünnigen Spielern und den alten Touren werden derzeit vorbereitet. Und weiterhin stellt sich jede Woche erneut die Frage, wer die nächsten sind, die neue Wege hin zu absurd viel Geld bestreiten. Es sind unsichere Zeiten - und anders als sich viele erhofft hatten, trägt der Champion Golfer of the Year offenbar nicht dazu bei, für mehr Ruhe zu sorgen.

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