Süddeutsche Zeitung

BVB in der Champions League:Nur das Ergebnis stimmt

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In einer schwer genießbaren Partie gewinnt Dortmund 2:0 gegen St. Petersburg. Der leidenschaftslose Auftritt befeuert allerdings die aufkommende Debatte um die Zukunft von Trainer Favre.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund/München

Die Fußballer von Borussia Dortmund können ein bisschen durchschnaufen. Genauso wie der Trainer Lucien Favre. Acht Tage nach der 1:3-Niederlage zum Auftakt der Champions League bei Lazio Rom gewann der BVB das zweite Spiel, diesmal im eigenen Stadion, gegen den russischen Meister und Pokalsieger Zenit St. Petersburg 2:0 (0:0). Überzeugend war die Vorstellung allerdings keineswegs. Die seltsam leidenschaftslosen Borussen taten sich sehr schwer. Die Männer, die das Team erst mit einem Elfmetertreffer in der 78. Minute und in der Nachspielzeit aus der Bredouille retteten, hießen Jadon Sancho und Erling Haaland.

Die beiden Männer, denen nachgesagt wird, dass sie über die Zukunft des Trainers Favre beim BVB bereits grübeln, heißen Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer, und Michael Zorc, Sportdirektor, und beide dürften am Mittwoch allenfalls mit dem Ergebnis zufrieden gewesen sein. Mit drei Punkten sind die Westfalen in der Gruppe mit Lazio Rom, Brügge und St. Petersburg in einer akzeptablen Ausgangsposition. Der Klub besitzt weiter alle Chancen, das Achtelfinale zu erreichen.

Faves Vertrag läuft im kommenden Sommer aus. Am Mittwoch hatte die Diskussion um seine Zukunft in Dortmund Tempo aufgenommen, weil der BVB nach Medienberichten an Julian Nagelsmann (RB Leipzig), Marco Rose (Borussia Mönchengladbach) und Jesse Marsch (RB Salzburg) interessiert sein soll. Zorc sagte bei Sky vor dem Spiel: "Wir werden irgendwann mit Lucien Favre diese Vertragsgespräche führen, aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt dafür."

Favre hatte sich diesmal im Tor für Roman Bürki entschieden, weil der Schweizer mittlerweile "nicht mehr krank und wieder fit" sei. Um die Torwartposition hat sich beim BVB in den vergangenen Wochen eine kuriose Debatte entsponnen, weil die Branche mit all ihren Kommentatoren und Experten geschlossen der Meinung ist, Favre müsse sich fest für einen Torwart entscheiden - also für Bürki oder für Marwin Hitz. Im Rahmen eines Running Gags wurde Favre bei Sky gefragt, ob damit die Entscheidung nun wieder dauerhaft zugunsten Bürkis gefallen sei, aber das mochte der Schweizer nicht bejahen, grinste bloß und schloss mit seinem diesbezüglichen Standardsatz: "Ich habe schon darüber gesprochen." Was immer das heißen mag.

Sancho und Haaland sichern die drei Punkte

Bürki hatte jedenfalls sehr, sehr wenig zu tun. Das Spiel war durchgängig eine Angelegenheit für Connaisseure des schweren, fassgelagerten Pressingfußballs ohne eine frische Konternote. Zenit verharrte stur in der Defensive und gestattete den etwas ratlosen Dortmundern kaum Gelegenheiten. Von draußen schrie Favre ständig hinein, er wirkte unzufrieden. Mit dem Ex-HSVler Douglas Santos und dem Ex-Liverpooler Dejan Lovren stand Petersburgs Abwehr meistens stabil, wohlwollend beobachtet unter anderem von Zenits Assistenztrainer Anatoli Timoschtschuk. Dortmunds Kapitän Marco Reus war auf der Zehnerposition in die Startelf zurückgekehrt - hier hat Favre die Qual der Wahl und man verzeiht ihm Rotationen. In dem diesmal komplett leeren Stadion erhöhten die Dortmunder im Laufe der zweiten Hälfte nur zögerlich den Druck und erhörten gelegentlich sogar Favres lautstarkes Mantra, mehr über außen zu spielen. Nach einer Stunde fing es stark an zu regnen, was dem unspektakulären Spiel auch nicht gerade zuträglich war. Auf vollbesetzten Rängen hätte sich gewiss langsam Unmut geregt, aber im BVB-Team war das zunächst noch nicht so, was daran liegen könnte, dass Favre gern Geduld predigt.

Nach einer Stunde kam Thorgan Hazard für Mahmoud Dahoud ins Spiel. Spielerische Impulse gab auch das zunächst nicht, aber mitten in diese Ereignislosigkeit hinein wurde Hazard in der 77. Minute im gegnerischen Strafraum von Wjatscheslaw Karawajew umgerissen. Den fälligen Elfmeter verwandelte Sancho zum 1:0. Doch auch mit der Führung im Rücken wollte die Dortmunder keine Spielfreude übermannen. Sie agierten mit der Leidenschaft von Buchhaltern und sahen Haaland mit dem zwölften Treffer im zehnten Champions-League-Spiel auf 2:0 erhöhen. In Bielefeld (Samstag), in Brügge (Mittwoch) und übernächsten Samstag daheim im Bundesliga-Topspiel gegen die Bayern werden sie beweisen müssen, was sie in puncto Emotionen noch auf dem Kasten haben.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2020
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