Süddeutsche Zeitung

BVB vor der Meisterschaft:Dortmund in Bierchen-Laune

Nach dem glücklichen Sieg beim Derby auf Schalke ist Borussia Dortmund die Titelverteidigung kaum noch zu nehmen. Der Tabellenführer hat nun acht Punkte Vorsprung. Trainer Jürgen Klopp lobt den "wahnsinnig guten Charakter" seiner Spieler - leistet sich in Schalke aber auch einen unfreiwillig bösen Scherz.

Jürgen Schmieder, Gelsenkirchen

Jürgen Klopp wollte eigentlich einen kleinen Scherz machen. Dass es am Ende ein hundsgemeiner Witz werden sollte, das hatte der Trainer von Borussia Dortmund nicht geplant. Auf der Pressekonferenz wurde er gefragt, ob denn die Deutsche Meisterschaft entschieden sei nach diesem 2:1-Sieg seiner Mannschaft auf Schalke. Klopp baute sich auf, er tat so, als würde er nun etwas Bedeutungsvolles, etwas Wichtiges, etwas Großes von sich geben, doch dann sagte er nur: "Nein!"

Die böse Pointe folgte, als Klopp seinen Scherz zu erklären versuchte: "Nichts ist entschieden." Dann sah er hinüber zu Huub Stevens und sagte: "Ich habe diesbezüglich ein ganz, ganz großes Vorbild neben mir sitzen." Freilich meinte Klopp die knorrige Art des Schalker Trainers Huub Stevens, doch nicht wenige im Raum deuteten den Satz als Hinweis auf das Saisonfinale 2001, als Stevens und die Schalker sich bereits freudetrunken in den Armen lagen in dem Glauben, die Meisterschaft sei bereits entschieden - um Sekunden später den Titel noch an den FC Bayern zu verlieren.

Das sollte den Dortmundern allerdings nicht passieren, schließlich schickte Jupp Heynckes wenig später einen Meisterschaftsgruß in Form der Startaufstellung gegen Mainz 05 - und noch ein wenig später schickte die B-Elf der Münchner einen Meisterschaftsgruß in Form eines lustlosen 0:0. Dortmund hat nun, drei Spieltage vor dem Ende, acht Punkte Vorsprung auf den FC Bayern. Zwei Punkte fehlen noch zur Titelverteidigung.

Später wurde Klopp wieder ernster - und auch ein wenig sentimental. "Ich habe viele schlechte Eigenschaften, aber ich bin kein Träumer", sagte er, "ich bin noch nie morgens aufgewacht und habe festgestellt, dass ich von der Meisterschaft geträumt habe. Ich wache morgens auf und denke mir, was ich für ein Glück habe."

Glück hatten Klopp und seine Dortmunder an diesem Nachmittag auch in diesem 140. Pflichtspiel-Derby gehabt. Schalke dominierte die Partie auf einem Geläuf, das so aussah, als hätte dort am Donnerstag ein Biathlon-Rennen stattgefunden und am Freitag ein Stock-Car-Rennen. Die Elf von Stevens führte durch einen Treffer von Jefferson Farfán 1:0 und hätte bei insgesamt 16 Torschüssen und 13 Eckbällen durchaus mehr Treffer erzielen können. "Wir waren in diesen Situationen nicht so gierig wie unser Gegner, wir wollten es nicht unbedingt", sagte Stevens.

Es war eine spannende und intensive Partie, insgesamt gab es 38 Fouls, die sich beide Mannschaften friedlich teilten. "Es war ein hart geführtes Spiel. Natürlich sind wir enttäuscht, vor allem nach dem Verlauf des Spiels. Die glücklichere Mannschaft hat heute gewonnen", sagte Schalkes Sportdirektor Horst Heldt: "Wir hatten mehr Torschüsse (16:14), aber Dortmund hat eben ein Tor mehr geschossen."

Schalke erlaubte noch in der ersten Halbzeit den Ausgleich durch einen "Sonntagsschuss" (Klopp) von Lukasz Piszczek und nach 62 Spielminuten den Siegtreffer durch Sebastian Kehl. "Ich war am Kopfball schon gut dran - aber dass mir der Ball vor die Füße fällt, ist natürlich Glück", sagte Kehl, der den Ball aus drei Metern über die Linie gedrückt hatte.

Womöglich lässt sich an der Beziehung zwischen Klopp und Kehl erklären, warum Borussia Dortmund seit dem sechsten Spieltag keine Bundesliga-Partie mehr verloren hat und seitdem aus acht Punkten Rückstand auf den FC Bayern einen Acht-Punkte-Vorsprung gemacht hat. Am Morgen hatte der Trainer seinem Kapitän mitgeteilt, lieber Sven Bender beginnen zu lassen.

"Wie er da reagiert hat, war absolut unglaublich", sagte Klopp nach dem Spiel, "daran erkennt man: Das ist seine Mannschaft!" Kehl sagte: "Wir haben so viele gute Spieler, die jeden Tag hart arbeiten und das gesamte Team pushen, da kann man das schon mal akzeptieren. Dass ich natürlich rein gekommen bin und den Siegtreffer erzielt habe, ist doppelt schön."

Die Spieler vertrauen ihrem Trainer, dass der schon die richtige Entscheidung treffen wird: Der Kapitän echauffierte sich nicht über seine Nicht-Berücksichtigung, Jakub Blaszczykowski war keineswegs beleidigt, als er ausgewechselt wurde - und Patrick Owomoyela herzte seinen Übungsleiter gar, als der ihn noch für ein paar Minuten aufs Feld schickte, um noch ein wenig Zeit verstreichen zu lassen.

Und der Trainer bedankt sich bei diesem Team, wann immer er nur kann. "Es war nicht einfach, drei Tage nach dem schweren Spiel gegen den FC Bayern die nächste knifflige Partie zu absolvieren", sagte er nach dem Spiel, "doch diese Mannschaft hat keinen richtig guten Charakter, sie hat einen wahnsinnig guten Charakter. Sie ist nie zufrieden zu stellen, sie bleibt immer gierig."

Klopp gelingt es nicht nur, seine Spieler ein wenig besser zu machen. Er schafft es, dass sie daran glauben, viel besser zu sein und dass sie die derzeit beste Mannschaft der Bundesliga sind. Am kommenden Samstag kann Dortmund gegen Mönchengladbach (18.30 Uhr) den Titel endgültig verteidigen, dann muss Klopp auch nicht mehr die Frage danach beantworten und sich auch keinen bösen Scherz mit Huub Stevens erlauben.

Über die Abendplanung der Dortmunder sagte Sebastian Kehl übrigens: "Keiner von uns schaut das Bayern-Spiel. Wir gehen jetzt erst einmal ein paar Bierchen trinken." Es dürften ein paar Bier mehr geworden sein, falls sie von der Startaufstellung des FC Bayern gehört haben - und noch mehr, sollte ihnen jemand das Ergebnis zugeflüstert haben.

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