BVB verliert gegen Gladbach:Hummels' judoreife Fußsichel

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Elfmeter verschuldet, Platzverweis kassiert: Mats Hummels (Foto: REUTERS)

Borussia Dortmund verliert zum ersten Mal in dieser Bundesliga-Saison ein Spiel. Dabei führt der BVB den Gegner aus Mönchengladbach lange vor, hat 17:1-Torschüsse zur Pause. Die entscheidende Aktion liefert Nationalverteidiger Mats Hummels: Sein klares Foul ahndet der Schiedsrichter mit Elfmeter und Rot.

Von Johannes Knuth

Jürgen Klopp bog nach rechts ab, er nahm tatsächlich Platz auf der Trainerbank von Borussia Dortmund, kurz vor der Partie am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach. Nun verdient der Fußballtrainer Jürgen Klopp zwar sein Geld damit, die Fußballer von Borussia Dortmund anzuleiten, doch in den vergangenen Tagen und Wochen konnte man durchaus einen gegenteiligen Eindruck gewinnen: Als würde Klopp im Nebenjob für die andere Borussia aus Mönchengladbach arbeiten, in der Marketing-Abteilung.

Am Freitag war Klopp vor den Journalisten geflüchtet. Die Medienschaffenden hatten Fragen zu Joachim Löw und Dortmunds Ersatztorwart gestellt, nicht zum kommenden Gegner: "Boaaah, seid ihr interessiert an Borussia Mönchengladbach", hatte Klopp irgendwann säuerlich geantwortet, "das ist das speziellste Fußballspiel der ganzen Saison und ihr habt keine Frage dazu." Bereits Anfang September hatte Klopp den Gladbachern die inoffizielle Preis-Leistungs-Transfermedaille in Gold verliehen, wegen der Transfers von Max Kruse, Raffael und Christoph Kramer ("Die haben eine Breite, die haben wir so nicht"). Viel hätte nicht gefehlt, und Dortmunds Trainer hätte seine Mannschaft zum Außenseiter herabgestuft, für das speziellste Spiel des Jahres.

Es wurde dann tatsächlich ein spezielles Duell, wenn auch auf eine absurde Weise. Borussia Mönchengladbach führte gegen den BVB die wohl schlechteste erste Hälfte der Saison vor, gewann am Ende aber 2:0 (0:0), durch Tore von Kruse (81.) und Raffael (86.). Gladbachs Trainer Lucien Favre schnaubte nach der Partie, dann sagte er: "Die erste Halbzeit war katastrophal. Der Sieg war fast schon ein Wunder."

Die Partie hatte zunächst nichts Spezielles an sich. Dortmund nistete sich in der gegnerischen Hälfte ein, so wie sie sich in dieser Saison bei jedem Gegner einnisten, der ihnen spielerisch unterlegen ist. Gladbach begnügte sich damit, dem flinken Pierre-Emerick Aubameyang oder dem flinken Marco Reus ab und zu den Ball zu stiebitzen und auf die Tribüne zu dreschen. Ansonsten begutachteten sie die Dortmunder Ballstafetten, und wenn der BVB einmal den Ball verlor, schenkte ihn Gladbach artig wieder her, bevorzugt per Fehlpass.

Dortmund erarbeitete sich derweil Chancen für drei englische Wochen. Reus schlenzte aus zehn Metern knapp übers Tor (5.). Sahin schlenzte einen Freistoß aus rund 20 Metern nicht ganz so knapp übers Tor (13.). Gladbachs Torwart Marc-André ter Stegen boxte den Ball vor die Füße von Mats Hummels, der traf aus fünf Metern, allerdings nur ter Stegens Ferse (16.). Großkreutz' Schuss aus 25 Metern hätte wohl knapp unter die Latte gepasst, ter Stegen faustete vorsorglich ins Seitenaus (23.). Aubameyang drang unbeschattet in den Strafraum ein, er zielte knapp vorbei, an ter Stegens ausgestrecktem Bein am Pfosten (27.). Sahin nahm unbeschattet den Ball vor dem Strafraum an, der Schuss segelte direkt auf ter Stegen. Die restlichen Chancen können aus Platzgründen leider nicht berücksichtigt werden.

Der Dortmunder Leistungsnachweis zur Pause: 17:1 Torschüsse, 5:0 Ecken, 90 Prozent Ballbesitz (laut offizieller Statistik waren es 60 Prozent, offensichtlich handelte es sich um einen Zahlendreher), circa 76 Spieler, an denen Marco Reus vorbeigedribbelt war und - null Tore. Eine, nun ja, spezielle Chancenverwertung. "Wir müssen uns an die eigene Nase fassen", würde BVB-Verteidiger Neven Subotic später sagen, "wir hätten das Spiel in der ersten Halbzeit entscheiden müssen."

Zu Beginn der zweiten Hälfte entschlossen sich die Gladbacher dann, dass es vermutlich nicht genügen würde, den Tabellenführer einer Feldbeobachtung zu unterziehen. Der VfL erarbeitete sich Eckbälle, Subotic musste gegen den im Strafraum unbewachten Arango retten, Weidenfeller wurde aus seiner Beobachterrolle entlassen.

Und dann wäre es beinahe passiert, mit der ersten Gladbacher Chance nach einer Stunde: Kruse entwischte Subotic, Oscar Wendt lauert im Strafraum, sein Schuss passiert Weidenfeller. Tor. Nein. Rechts vorbei. Ganz knapp.

Wendts Chance hatte das offensive Gewissen der Gladbacher scheinbar befriedigt. Die speziellen, von Klopp gelobten Kruse und Raffael irrten teilnahmslos an der Mittellinie entlang. Aubameyang düste vorbei an ter Stegen, allerdings auch sehr flink Richtung Werbebande, sein Querpass war zu schwach (58.). Reus schoss aufs Tor, der Ball senkte sich (62.), ter Stegen lenkt ihn knapp über die Latte. Klopp opferte Sven Bender, einen Sechser, für Jonas Hofmann, Blaszczykowski ersetzte Henrikh Mkhitaryan, irgendwer musste doch eine Lücke in dieser Abwehr erspähen. Doch Dortmund fand keine Lücke, die Fehlpässe nahmen zu. "Wenn es so lange 0:0 steht, musst du positiv denken", sagte Favre, "du darfst nicht an das denken, was schlecht war."

Diese Vorgabe setzte seine Mannschaft vorbildlich um, mithilfe eines Angriffes. Nordtveit arbeitete sich bis in den Dortmunder Strafraum vor, Hummels legte ihn mit einer judoreifen Fußsichel - Elfmeter für Gladbach, Rot für den Nationalspieler. Klopp lehnte mit dem Kopf am Dach der Trainerbank. Dann beobachtete er regungslos, wie Kruses Strafstoß lässig ins linke Eck segelte.

Dortmunds spielerischer Protest fiel milde aus. Stranzl hatte Glück, dass Schiedsrichter Gräfe seinen kung-fu-reifen Tritt gegen Reus nur mit Gelb bewertete. Reus traf noch einmal die Latte (85.). Dann war die Partie entschieden, Raffael hatte einen Konter ins Dortmunder Tor gejagt - das Ende eines sehr speziellen Spiels.

Er habe "ein ganz schlechtes Gefühl", richtete Neven Subotic nach der Partie aus, dann sagte er: "Gladbach hat uns in den letzten 20 Minuten gezeigt, wie Toreschießen geht." Klopp assistierte: "Wir haben das Spiel offen und Gladbach am Leben gelassen." Zumindest die Dortmunder Analysen waren am Samstag ein Volltreffer.

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