Favre-Nachfolger Terzic:Irgendwo zwischen Klopp und Hummels

Der neue BVB-Trainer zeigt bei seiner Vorstellung, was so mancher bei seinem Vorgänger vermisste: Emotionen und Pointen.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Eins ist schon nach der ersten kleinen Videopressekonferenz klar: Es gibt neuerdings wieder Pointen und Fußballersprüche bei Borussia Dortmund. Lucien Favres Nachfolger als BVB-Trainer, der bisherige Assistenzcoach Edin Terzic, 38, verpackte schon sein Credo vielsagend in eine charmante Abrechnung mit der allzu vorsichtigen Philosophie seines berühmteren Vorgängers: "Man kann im Fußball ein Tor weniger kassieren als der Gegner, ich bin aber eher dafür, dass wir eins mehr erzielen."

Auch sonst war es bei Terzic, groß geworden dreißig Kilometer ruhraufwärts, in Menden im Sauerland, bei dessen ersten öffentlichen Worten als Cheftrainer so, als hätte jemand schmunzelnd die Bleiplatte der Nichtauskunft angehoben, die die Auftritte des am Sonntag entlassenen Lucien Favre blockiert hatten. "Ich bin ein Produkt von Borussia Dortmund", meinte Terzic. Mit neun Jahren durfte er erstmals ins Stadion. "Danach war klar, für wen mein Herz schlägt." 2010, noch zu Jürgen Klopps Zeiten, kam Terzic, ausgebildet zum Sportwissenschaftler, das erste Mal zum BVB, als Scout und Nachwuchstrainer. Gut drei Jahre später lotste ihn der leicht exzentrische Slaven Bilic als Trainerassistent zu Besiktas Istanbul und später in die Premier League zu West Ham United nach London. 2018 holte Dortmund Terzic zurück, schon da als gedachte Alternative für den Fall, dass es mit dem damals neu eingestellten Lucien Favre unterwegs nicht klappen sollte.

Schon an diesem Dienstagabend, ab 20.30 Uhr, haben der frisch beförderte Terzic und die Mannschaft des BVB Gelegenheit, die Schmach des 1:5 gegen den VfB Stuttgart halbwegs vergessen zu machen. Auch dafür findet der neue Chef schon passend klingende Worte: "Am Samstag, das war nicht Borussia Dortmund." Und auf die Frage, was die Aussicht auf den blitzschnellen Sprung ins kalte Wasser, mit dem Spiel in Bremen, bei ihm bewirke, konterte Terzic: "Für Nervosität fehlt die Zeit." Er könne allerdings ab sofort nicht mehr ganz der sein, der er als Assistent war: "Man muss als Trainer gewisse Rollen bedienen. Ich kann nicht mehr hauptsächlich zuhören, sondern muss jetzt entscheiden. Dazu gehört auch, dass ich harte Entscheidungen treffen muss."

Insgesamt, so konnte man fast meinen, lieferte Terzic mehr Pointen und mehr Bodenständigkeit in ein paar Minuten Pressesitzung ab, als der stets zugeknöpfte und wenig auskunftsfreudige Favre in einem Jahr. Seine Tonlage lag dabei irgendwo zwischen der des einstigen Trainers Jürgen Klopp und des Spielers Mats Hummels - die im vergangenen Jahrzehnt beim BVB in vitalen Hauptrollen die Stimmungslage gedeutet hatten. Das macht aus Terzic noch keinen Bundesliga-Trainer, aber es sorgt zumindest für offene Fenster und frische Luft, für einen Generationswechsel. Sportdirektor Michael Zorc ergänzte vielsagend: "Edin ist nicht nur ein Fachmann, er legt auch die Emotionalität an den Tag, die es bei Borussia Dortmund immer auch braucht."

Die neue Parole lautet in etwa so: Wir werden es allen zeigen!

Die aktuelle Nachricht, dass es Dortmund im Achtelfinale der Champions League laut Auslosung mit dem FC Sevilla zu tun bekommt, trat hinter all die Personalien klar zurück. Auch nach Lucien Favres Demission muss der BVB schließlich weiterhin ohne Mittelstürmer Erling Haaland auskommen, der einen Muskelfaserriss auskuriert. Mit den Spielen in Bremen und am Samstag bei Union Berlin stehen Terzic zum Auftakt gleich zwei gefühlte Endspiele bevor. Am Dienstag danach geht es im Pokalspiel bei Zweitligist Eintracht Braunschweig darum, sich die nächste Blamage nach dem Stuttgart-Desaster zu ersparen. Man hätte es sicher gerne etwas gemütlicher zum Auftakt als bei diesen drei Auswärtsspielen. Aber was Terzic über das Sevilla-Los hinwarf, gilt eben auch für den Normalbetrieb: "In der Champions League gibt es sowieso keine leichten Gegner."

Terzic jedenfalls dürfte sich mit Warnungen vor Abstiegskandidaten oder Zweitligisten zurückhalten, wie man sie von Favre am Ende mindestens einmal zu oft gehört hatte. Die neue Parole lautet in etwa so: Wir werden es allen zeigen! Man darf ihm zutrauen, dass er den von Favre eher versteckten, erst 16-jährigen Stürmer Youssoufa Moukoko als Haaland-Ersatz schnell ins Rampenlicht schiebt.

In Bremen feiert der neue Cheftrainer übrigens nicht seine Bundesliga-Premiere als Chefcoach. Schon am 9. Februar 2019 vertrat Assistent Terzic den erkrankten Favre, im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim. Dortmund führte schon 3:0, Sancho traf noch den Pfosten, am Ende aber hieß es 3:3. Per Telefon, so hört man seit langem in Dortmund, soll es zur Pause angesichts der klaren Führung Anweisungen vom Chef gegeben haben. Und schwupps war der Vorsprung dahin. Trainer bei Hoffenheim war damals der immer noch sehr junge Julian Nagelsmann, 33.

Dass Terzic bereits an seinem zweiten Arbeitstag damit konfrontiert ist, dass sein Nachfolger im nächsten Sommer angeblich schon beinahe feststehe - mit dem Gladbacher Trainer Marco Rose -, gehört zu dem Mediengetöse, mit dem er sich nun auch arrangieren muss. Roses Vertrag in Mönchengladbach läuft bis 2022. Bis zum Sommer hat Terzic mit Dortmund, wie Michael Zorc ausgerechnet hat, "noch mindestens 26 Spiele, und hoffentlich in der Champions League und im Pokal noch ein paar mehr". In der Zeit kann viel passieren.

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