BVB-Trainer Klopp vor dem Halbfinale:Noch mal rauf auf den Laster

Lesezeit: 4 min

Jürgen Klopp präsentiert im Mai 2011 den BVB-Fans auf dem Borsigplatz die Meisterschale. (Foto: Torsten Silz/dpa)
  • Die Bayern besiegen und den Pokal holen - so will sich Jürgen Klopp verabschieden.
  • In Dortmund hält sich die Trauer über den vorzeitigen Weggang des Trainers zum Saisonende allerdings merkwürdig in Grenzen.
  • Hier geht es zu den Partien des DFB-Pokal-Halbfinals.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Das waren Zeiten: Jürgen Klopp hoch auf dem gelben Festwagen, mit Sonnenbrille, um die übernächtigten Augen und die Tränen der Rührung zu verstecken, 600 000 Dortmunder auf den Straßen, die pure Glückseligkeit. Klopp hat nonstop die Vereinslieder mitgegrölt, obwohl die Stimme schon morgens nicht mehr vorhanden war - er lag sich nicht mit halb, sondern mit ganz Dortmund in den Armen. "So ein Tag, der dürfte nie vergehen" - der Tag nach dem Pokalfinale 2012. Dortmund war Doublesieger, nach einem 5:2 gegen den FC Bayern in Berlin.

Vor ein paar Tagen hat Borussia Dortmunds Trainer fast nebenbei gesagt, dass er noch einmal "auf dem Laster um den Borsigplatz" fahren wolle, zum Abschluss, bevor er den BVB verlässt. Und wieder hat das, natürlich, mit Bayern München zu tun. Klopp ist ein exzellenter Trainer, und vielleicht ist er der weltbeste, was das Gespür für Pointen, für Momente, für die Magie von Worten oder Szenen anbelangt. Selbst sein öffentlich so betont unausgelassener Vorgänger Ottmar Hitzfeld hat das ja immer wieder gesagt: Es gibt für Spieler oder Trainer kaum etwas Emotionaleres, als in Dortmund Titel zu gewinnen. Die ganze Stadt bebt dann und saugt ihre Sieger in einen Strudel der Leidenschaft. Meister oder Pokalsieger? Ganz egal.

Pokal-Halbfinale Bayern versus BVB
:Klopp hofft auf Kehl, Guardiola auf Robben

Am Dienstag treffen der FC Bayern und Borussia Dortmund im Halbfinale des Pokals aufeinander. Beide Trainer freuen sich über rechtzeitig genesene Spieler - die Bayern könnten hinten Probleme bekommen.

Zwischen dem scheidenden Klopp und einem letzten Abschieds-Erlebnis auf dem Laster in Dortmunds Nordstadt steht allerdings noch ein Halbfinale, ausgerechnet beim FC Bayern - jenem Gegner, gegen den die Dortmunder 2014 das Pokal-Finale ebenso verloren wie 2013 das Endspiel der Champions League. Dass ausgerechnet noch so ein weiteres halbes Endspiel gegen den längst weit enteilten Rivalen aus München die Schlussphase der Ära Klopp markiert, ist schon fast eine Ironie des Schicksals. Die Abschieds-Blumen, die ihm Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge avisiert hatte, lehnte Klopp in seiner typischen Art ab: "Nette Geste -, aber wir sind auf Krawall gebürstet und werden uns nicht durch Blumen weichkochen lassen." Pointen kann er halt.

In Dortmund hält sich die Trauer über Klopps vorzeitigen Abschied zum Saisonende allerdings merkwürdig in Grenzen. Zu viel ist seit dem 5:2 damals in Berlin passiert - und wer zur Saison-Halbzeit mit einer Zuckerbäcker-Truppe wie der, die sich der BVB leistet, auf dem letzten Tabellenplatz der Bundesliga liegt, der sorgt selbst beim sagenhaften Dortmunder Publikum irgendwann für Stirnrunzeln.

Die Rückrunde war wieder erfolgreicher - da rangiert der BVB immerhin auf Platz fünf. Aber die Mannschaft blieb irrlichternd, zwischen wenigen bravourösen Auftritten (wie beim 3:0 gegen Schalke) und diversen Rückschlägen wie bei den beiden sagenhaft uninspirierten Nullzunulls gegen den HSV und den 1. FC Köln; oder gar beim sang- und klanglosen Ausscheiden aus der Champions League gegen Juventus Turin.

Die Launenhaftigkeit seiner Mannschaft, die vielen, offenbar unvermeidbaren Konzentrationsfehler, das dauernde Auf und Ab zwischen Hoffnung und Rückschlag - das alles hat Jürgen Klopp in der laufenden Saison mehr weich gekocht, als es alle Blumensträuße von Rummenigge vermocht hätten. Zuletzt wusste Klopp nie, ob seine Spieler noch bei der Sache waren.

Es gibt durchaus eine beträchtliche Fraktion unter den BVB-Anhängern, die lieber mit Klopp auf Rang acht oder zehn rangieren wollten, als sich an einen Neuen wie jetzt Thomas Tuchel gewöhnen zu müssen. Die andere, inzwischen wohl größere Gruppe ist aber der Meinung, dass die Innovationen eines Trainers wie Tuchel mehr als überfällig sind - und dass Klopp, bei aller Sentimentalität und echter Liebe, die Mannschaft spielerisch schon eine Weile nicht mehr weiterentwickeln konnte.

Zum Ende der beiden letzten Heimspiele, gegen Paderborn und Frankfurt, hat die Südtribüne jeweils laut "Jürgen Klopp, Jürgen Klopp" skandiert. Das haben alle gemeinsam gesungen, aber eher mit einem nostalgischen Unterton. Klopp hat gesagt, dass er froh sei, wie die BVB-Fans seinen bevorstehenden Abschied thematisieren: "Ich weiß schon, was mir fehlen wird und wie sehr es mir fehlen wird. Aber es will keiner sehen, dass ich hier jetzt Woche für Woche stehe und wie ein Schlosshund heule." Das Abfeiern braucht der Mann, der sich gerne volkstümlich "Kloppo" nennen lässt, aber im Moment, sagt er, habe er einen "Schutzpanzer" an, um nicht dauernd von Gefühlen übermannt zu werden.

Mittelfeldspieler beim BVB
:Und Gündoğan schweigt

Manchester? Turin? München? Vor dem Pokalspiel gegen die Bayern treibt den BVB die Frage um, was aus İlkay Gündoğan wird. Die abwartende Haltung des Nationalspielers birgt Konfliktpotenzial.

Von Freddie Röckenhaus

Klopp hat sich in den vergangenen beiden Jahren mit seiner bisweilen allzu pointierten Art durchaus auch Sympathien verscherzt. Kann sein, dass er erst jetzt realisiert, dass nicht alles gut gelaufen ist im Umgang mit manchen Begleitern, an denen Klopp bei seinem Düsenjet-Aufstieg in Dortmund vorbeigedonnert ist.

Beim BVB sagen sie, spätestens mit dem Erreichen des Champions-League-Endspiels 2013 in London - und mit den Lobeshymnen aus aller Welt für den "heißesten Klub Europas" und den "heißesten Trainer" - habe sich Klopp womöglich ein wenig von jenem Borsigplatz entfernt, um den er nun gerne noch einmal ein paar letzte Runden drehen will.

Dortmunds Trainer schien einige Jahre lang so perfekt zum BVB zu passen, dass man sich nur vorstellen konnte, dass sich der Ballspielverein Borussia nach Klopps Pensionierung im Jahre 2035 eigentlich am besten auflösen müsste, weil danach sowieso nichts mehr kommen könne. Aber dieses Gefühl haben sie in Dortmund nun offenbar recht schnell überwunden.

Wo man auch hinhört gibt es viel Vorfreude auf Thomas Tuchel, neue Ideen, frische Luft. Klopps Ankündigung, dass es "zu den erfreulichsten Dingen" an der Trennung zähle, dass er ja eine Option auf eine Rückkehr zum BVB habe, macht den Abschiedsschmerz für viele um so erträglicher. Offenbar sogar für viele Spieler, die ihren Trainer am liebsten in Ehren verabschieden wollen. Gut möglich, dass der BVB in München an jene Leistungen anknüpft, die es in dieser Saison sonst nur gegen den Erzrivalen Schalke 04 zu bewundern gab. Aber das große Weinen steht ja erst noch bevor. Am liebsten am 31. Mai, am Tag nach dem Pokal-Endspiel von Berlin, auf und neben dem Laster.

© SZ vom 28.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: