Borussia Dortmund:Den BVB hat ein schmerzhafter Virus gepackt

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  • Der BVB hat vor dem großen Europapokal-Duell gegen Tottenham Hotspur arge Probleme.
  • Binnen weniger Tage hat die Mannschaft ihr Gesicht verändert - und kann keine Führung mehr verwalten.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Zwei Viren grassieren momentan beim Tabellenführer Borussia Dortmund - und jener mit Namen Influenza scheint dabei der harmlosere zu sein. Der gefährlichere könnte Arrogantia heißen oder, in seiner milderen Form, Neglegentia: die Nachlässigkeit.

Vier Tage nachdem die Dortmunder ohne vier grippekranke Fußballer in der Pokal-Verlängerung gegen Werder Bremen zweimal spät eine Führung verspielt und noch verloren hatten, reichte ihnen gegen die TSG Hoffenheim nicht einmal eine 3:0-Führung eine Viertelstunde vor dem Ende zum Sieg. In Abwesenheit ihres nun grippekranken Trainers Lucien Favre ließen sie binnen 13 Minuten noch drei späte Gegentreffer zum 3:3 zu.

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Nimmt man das 1:1 in Frankfurt nach 1:0-Führung eine Woche zuvor hinzu, so haben die Dortmunder binnen drei Partien vier Führungen und drei Siege verspielt. Ihre Nachlässigkeit kostete sie das Pokal-Viertelfinale sowie vier Punkte im Titelrennen der Bundesliga. Richtig schmerzhaft kann so ein Virus im Champions-League-Achtelfinale gegen Tottenham Hotspur werden. Am Mittwoch gastiert der BVB zum Hinspiel in London.

Während mit den beiden Torhütern Roman Bürki und Marwin Hitz sowie den Feldspielern Jadon Sancho und Marcel Schmelzer alle kranken Fußballer vom Pokalspiel wieder fit waren, konnte ausgerechnet der Trainer gegen Hoffenheim nicht im Stadion sein. Er hielt am Mittag im Hotel noch die taktische Ansprache an die Mannschaft, und als diese ins Stadion fuhr, blieb Favre sozusagen in Quarantäne, um das Spiel am Fernseher zu verfolgen und in telefonischem Kontakt zum Trainer- und Analysten-Team zu bleiben. Sie alle hatten den 61 Jahre alten Schweizer das ganze Spiel über immer wieder im Ohr.

75 Minuten lang konnte sich Favre als "Video Assistant Coach" (VAC) halbwegs entspannen. Seine Mannschaft war zwar nicht derart überlegen, wie es eine 3:0-Führung nach 66 Minuten (Jadon Sancho, Mario Götze, Raphael Guerreiro) suggerierte, aber der Sieg schien gewiss zu sein. Sancho als überragender Dortmunder schoss den Ball in der 75. Minute statt zum 4:0 ins Tor nur an den Pfosten - und im direkten Gegenzug begann das Dortmunder Schicksal seinen Lauf zu nehmen. Ishak Belfodil (75.), Pavel Kaderabek (83.) und noch einmal Belfodil (87.) glichen zum 3:3 aus. In der Kürze der Zeit war das zwar etwas überraschend, aber nicht einmal unverdient.

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Favres Vertreter auf der Bank hießen Manfred Stefes und Edin Terzic. Der 36 Jahre alte Terzic, im Sauerland geborener Kroate, war einst im BVB-Nachwuchsbereich tätig und danach Co-Trainer von Slaven Bilic erst bei Besiktas Istanbul und dann bei West Ham United. Der 51 Jahre alte Rheinländer Stefes war bis 2017 insgesamt zwölf Jahre Assistenztrainer bei Borussia Mönchengladbach - von 2011 bis 2015 dort unter Favre. Stefes und Terzic tauchten am Samstag immer wieder gemeinsam am Spielfeldrand auf, um mit den Spielern zu kommunizieren. In jener Phase, als sich das 3:0 in ein 3:3 verwandelte, muteten diese Debatten verzweifelt an.

"Das ist bitter, klar, aber wir stehen ja trotzdem immer noch auf Platz eins", sagte Terzic auf die Frage, ob der BVB nach vier verspielten Führungen binnen drei Pflichtspielen ein akutes Problem besitze. Dem hochambitionierten Favre dürfte die kleine Misserfolgsserie deutlicher zusetzen. Sein Assistent Stefes übermittelte den emotionalen Zustand des Cheftrainers betont förmlich, als er sagte: "Lucien Favre ist genauso enttäuscht wie wir alle."

Im Pokal ist der BVB ausgeschieden, der Vorsprung vor dem FC Bayern in der Bundesliga beträgt nur noch fünf Punkte, und in der Champions League lauert mit Tottenham nun der Drittplatzierte der englischen Premier League. Dortmund steht vor wegweisenden Wochen, und ausgerechnet jetzt fällt in Marco Reus der wichtigste Spieler aus. Er fehlte im Pokal gegen Bremen ab der zweiten Halbzeit und er konnte gegen Hoffenheim wegen muskulärer Probleme gar nicht erst mitspielen. Weil zudem in Thomas Delaney ein defensiver Mittelfeldspieler gelbgesperrt war, verlor die Borussia gegen immer riskanter spielende Hoffenheimer zunehmend die Balance.

Auch am Mittwoch in London wird Reus dem Vernehmen nach weiter fehlen. Maximilian Philipp war gegen Hoffenheim als zentraloffensiver Mittelfeldspieler ein schwacher Ersatz. Wären Linksaußen Guerreiro (ein Tor), Rechtsaußen Sancho (ein Tor, eine Vorlage) und Stürmer Götze (ein Tor, eine Vorlage) nicht so gut drauf gewesen, hätte sich der BVB die 3:0-Führung erst gar nicht erspielt. Götze hat in den jüngsten drei Ligaspielen zwei Tore erzielt und eines vorbereitet. Das bislang letzte Pflichtspieltor des spät eingewechselten Mittelstürmers Paco Alcácer datiert hingegen bereits vom 18. Dezember.

Götze wollte sich auf eine Diskussion ums Fehlen des sonst omnipräsenten Favre nicht einlassen. "Natürlich ist es schwierig, wenn der Trainer nicht dabei ist", sagte er, "aber abliefern müssen schon wir Spieler - und nach einer 3:0-Führung noch 3:3 zu spielen, das darf uns auch unter diesen Umständen nicht passieren."

© SZ vom 11.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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