Bundesliga:Warum der BVB schnell in Verlegenheiten kommt

BVB-Spieler Marco Reus gegen den SC Freiburg

Marco Reus im Spiel gegen Freiburg

(Foto: AP)

Der Dortmunder Kader zeigt gegen Freiburg mal wieder, wie viel Talent in ihm steckt. Doch das Spiel braucht sehr viel Raum zur Entfaltung, den nicht jeder Gegner gewährt.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Es hört sich an wie das Echo vom Königssee, wenn Stadionsprecher und Torjäger-Legende Norbert Dickel genüsslich die Treffer seines Nach-Nach-Nachfolgers Erling Haaland zelebriert. Dickel, sonst nicht für Gesangsversuche bekannt, intoniert dann zart "Ör-ling" ins Mikrofon, und das Dortmunder Stadion, dieses Mal mit 11 500 Zuschauern ausverkauft, echot weniger zart zurück: "Haa-land". Beim 4:0 (1:0) gegen den SC Freiburg war für die Haaland-Folklore wieder doppelt Gelegenheit. In 18 Bundesligaspielen für den BVB hat er nun 17 Mal getroffen.

Zur Abwechslung, und offenbar auch ein bisschen zur eigenen Verwunderung, überließ Haaland in der Nachspielzeit ein mögliches drittes Tor sogar Felix Passlack. Lehrbuchmäßig, aber auch ein bisschen gönnerhaft schob er den Ball zum mitgerannten Kollegen, und der durfte sein erstes Bundesligator erzielen. Ein schönes Bild, wie der Schrank aus Norwegen, 1,94 Meter hoch und kaum weniger breit, seinen 1,70 Meter großen Mitspieler anschließend in seine langen Arme einwickelte.

"Viecher gibt es schon so einige, aber im Strafraum ist er auch noch eine Drecksau"

Später wurde im Fußballerdeutsch über den bereits in den Phänomen-Status aufgestiegenen Haaland debattiert. Wie es denn sei, gegen so ein "Viech wie den Haaland" zu spielen, wurde Freiburgs auch nicht gerade zart gebauter Christian Günter vom Sky-Reporter gefragt. Günter gab zurück: "Viecher gibt es schon so einige, aber im Strafraum ist er auch noch eine Drecksau. Er nutzt fast jede Chance." Ein bisschen Klartext zwischen Rasen und Kabine.

Gemeint war, mit welcher Abgeklärtheit und Präzision Haaland, einmal in Gegners Strafraum eingebrochen, dort nur noch eines kennt: den Ball mit möglichst viel Wucht ins Tor zu ballern. Auf dem Weg zur Vollstreckung rudert Haaland mit den Armen - und sieht dabei nicht gar so geschmeidig-elegant aus wie sein nach London abgewanderter Vorgänger Pierre-Emerick Aubameyang. Aber zu bremsen sind die Urgewalten dieses jungen Mannes kaum mehr, sobald er auf der Rollbahn ist.

BVB-Kapitän Marco Reus, nach halbjähriger Verletzungspause noch nicht ganz in Topform, fasste es so nüchtern zusammen: "Er ist unser Mittelstürmer, von daher wird er natürlich dafür bezahlt, Tore zu schießen, aber wenn er vorm Tor ist, ist er schon eiskalt." Haaland selbst, der sich längst als Reporter-Schreck bei Interviews etabliert hat, weil er am liebsten mit ein, zwei Worten auf noch so lange Fragen antwortet, zeigt sich hingegen etwas unzufrieden mit der Ausbeute: "Ja, nicht schlecht, aber es hätte mehr sein können." Immerhin verbuchte er für seine brave, vorbildliche Passlack-Vorlage einen Scorer-Punkt: "Das war normal und ein guter Assist."

Es offenbarte sich die schon bekannte taktische Einseitigkeit

Im Schatten des selbst im Schweigen noch auffälligen Haaland, 20, zeigte Gio Reyna, 17, ein ebenso erstaunliches Spiel. Der Sohn des einstigen Profis Claudio Reyna (Leverkusen, Wolfsburg, Glasgow Rangers, Manchester City) und der US-Nationalspielerin Danielle Egan bereitete drei der vier Dortmunder Tore vor. Sein intelligentes Rochieren hinter den Reihen, seine Antritte und Dribblings: Reyna ist in seiner reiferen, unauffälligen Spielweise heute schon ähnlich wertvoll wie der drei Jahre ältere, scheinbar funkelndere Jadon Sancho. Der Engländer fehlte diesmal, nachdem ihn eine Bronchitis geplagt hatte.

Freiburgs Trainer Christian Streich gelang erneut kein Sieg gegen Dortmund. "Das 1:0 hat uns durcheinander gebracht", erklärte er. Bis dahin, also bis zur 31. Minute, hatten seine Freiburger tapfer versucht, die Dortmunder mit hohem Pressing aus dem Konzept zu bringen. Das funktioniert selten gegen die balltechnisch fast durchweg überragenden BVB-Spieler. Zugleich offenbarte aber die Freiburger Spielweise im Umkehrschluss auch, dass Haaland und das gesamte BVB-Spiel eher mit extrem tiefer, enger Verteidigung auszuhebeln ist. Eine Woche zuvor gingen den Dortmundern schnell die Ideen aus, als der FC Augsburg ihnen nicht nur das Mittelfeld, sondern auch beide Flügel zum Austoben freigab. Die Gäste dann aber mit robusten Attacken im Strafraum-Gestrüpp aushebelte. Streich hingegen entschied sich für eine eher BVB-freundlichere Taktik.

Bei aller Begeisterung über Haaland und weitere Hochbegabte: In Augsburg (0:2) und unter der Woche im Supercup-Finale beim FC Bayern (2:3) offenbarte Dortmund die schon bekannte taktische Einseitigkeit. Ohne die Räume für die Laufwege der jungen Sprinter kommt der BVB schnell in Verlegenheiten. Dieses Mal gelang - fast muss man sagen: ausnahmsweise - sogar ein Treffer nach einer Ecke, als Emre Can fast unbedrängt zum 2:0 einköpfen durfte. Ansonsten aber ist Dortmund bei Standards Mittelmaß. Auch andere typische Dosenöffner gegen tief verteidigende oder ausgebuffte, erfahrene Gegenspieler kommen kaum vor im Repertoire. Haaland mag als "Viech" oder "Drecksack" gelten, aber in typischen Strafraumszenen setzt er seinen wuchtigen Körper noch nicht wie ein Robert Lewandowski ein.

Das hört sich fast wie ein Echo an, aus dem letzten Jahr und aus dem Jahr davor

Allerdings entsprechen Strafraumgewimmel auch nicht gerade der Spielidee, für die ein Trainer wie Lucien Favre, 63, steht. Am Mittwoch, in München, begann deshalb in Dortmund wieder das alte Stirnrunzeln, als Favre just in der Phase, in der die Borussen das Spiel zu drehen schienen und ein 0:2 zum 2:2 aufgeholt hatten, seinen Zentralstürmer Haaland vom Platz holte. Und obendrein Abwehrchef Mats Hummels, die Autorität im Team.

So bleibt Dortmund weiterhin ein Experimentierkasten - für die jungen Spieler und für ihren nicht mehr so jungen Trainer. Auch das hört sich fast wie ein Echo an, aus dem letzten Jahr und aus dem Jahr davor. Mit dem 4:0 gegen Freiburg, den Lieblingsgegner Freiburg, ist es aber erst einmal verklungen.

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