Champions League:Dortmunds hausgemachtes Neuner-Problem

Champions League: Der Youngster im Windschatten des schwächelnden Routiniers: die BVB-Mittelstürmer Moukoko (links) und Modeste.

Der Youngster im Windschatten des schwächelnden Routiniers: die BVB-Mittelstürmer Moukoko (links) und Modeste.

(Foto: Ralf Treese/Imago)

Beim wankelmütigen BVB spitzt sich die Kritik auf den glücklosen Aushilfsstürmer Modeste zu. Frühere Borussia-Angreifer treffen nun woanders - und Trainer Terzic muss klären, ob Youngster Moukoko nicht die bessere Wahl wäre.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Sevilla ist eine wirklich schöne Stadt, aber die Vorfreude der Reisegruppe am Flughafen von Dortmund hielt sich in Grenzen. Die Art und Weise der 2:3-Schlappe in der Bundesliga beim 1.FC Köln hängt der Borussia schwer nach - und noch mehr vielleicht die Frage, wie lange es Trainer Edin Terzic noch schafft, seinen neuen Mittelstürmer Anthony Modeste trotz offensichtlicher Formkrise und massiver Kritik weiter in der Startelf zu halten. Das Champions-League-Gruppenspiel beim FC Sevilla (Mittwoch, 21 Uhr) hat für den BVB ja durchaus vorentscheidende Bedeutung für das Erreichen des lukrativen Achtelfinales.

Bei der Niederlage in Köln, bis zum Sommer noch der Arbeitsplatz von Modeste, hat sich der BVB dafür kein Selbstvertrauen geholt. Die beinahe unerklärlichen Rückschläge gegen Gegner aus dem Liga-Mittelmaß kennen sie zwar in Dortmund seit Jahren, und auch Trainer Terzic hat diese offenbar typischen Einbrüche der Mannschaft häufig mitansehen müssen. Aber eigentlich sollte in dieser Saison alles besser werden, mit einer runderneuerten Innenverteidigung - und dem ebenfalls aus Köln geholten Mittelfeld-Abräumer Salih Özcan.

Doch am Samstag führte Terzics Elf - nach einer souverän wirkenden, 1:0 gewonnenen ersten Halbzeit - schon wieder jenen überheblichen Verwaltungsfußball vor, den der Trainer seit Jahren beobachtet: "Was wir die ersten 20 Minuten der zweiten Halbzeit verteidigt haben, ist einfach gar nichts", bilanzierte Terzic derart angefasst, wie man es bei ihm bisher noch nicht erlebt hatte.

Am Dienstag blieb es erst mal bei den schlechten Omen für den BVB: Ins Flugzeug nach Sevilla stiegen die Leistungsträger Marco Reus und Mats Hummels, zuletzt verletzt oder krank, gar nicht erst mit ein; auch Gio Reyna und Marius Wolf mussten für die Dienstreise absagen. Allzu viele Möglichkeiten für personelle Rotation hat Terzic deshalb nicht. Die aktuell entscheidende Frage jedoch ist aus Sicht vieler Beobachter die Besetzung der Nummer neun: Der Franzose Modeste, 34, vor der Saison im Hauruck-Verfahren als Ersatz für den an Hodenkrebs erkrankten Zugang Sebastien Haller verpflichtet, scheint seit Wochen so gut wie gar nicht stattzufinden im BVB-Spiel. Auch gegen seinen Ex-Klub Köln, für den er in der Vorsaison noch 20 Ligatore erzielt hatte, war Modeste ein Totalausfall, ohne Schuss aufs gegnerische Tor.

Hart auf den Punkt gebracht: "Die Dortmunder spielen zurzeit immer nur zu zehnt"

Didi Hamann, Ex-Nationalspieler und nun Experte beim Sender Sky, brachte es am Samstag auf die drastische Formel: "Die Dortmunder spielen zurzeit immer nur zu zehnt." Übertrieben wirkte das nicht. Modeste war zwar von Anfang an der Verdacht vorausgeeilt, er werde im filigranen Kombinationsspiel des BVB technisch nicht mithalten können. Aber Sportchef Sebastian Kehl hatte hoffnungsvoll entgegnet, Modeste sei ja "zum Toreschießen" gekommen. Sollte wohl heißen: Der bullige Franzose möge die gute alte Mittelstürmer-Figur abgeben, einer, dem man Kopfball-geeignete Flanken serviert, der auch Abpraller ins Tor befördert und mit körperlicher Präsenz die Stellung hält. Ein Mittelstürmer-Modell, das im heutigen Spitzenfußball allerdings nur noch selten funktioniert.

Modeste hat in elf Pflichtspielen erst ein Tor erzielt, aber vor allem spielt er praktisch nicht mit. Das mag auch am verspielten Stil des BVB liegen, der sich nicht so einfach auf einen Routinier dieses Angreifertyps adaptieren lässt. Und erschwerend für Modeste kommt hinzu, dass ihm Youssoufa Moukoko im Nacken sitzt. Der wird im kommenden Monat gerade mal 18, und seine technische Versiertheit nützt im Dortmunder Spielgefüge vermutlich mehr. Bisher hält Terzic an der guten alten Trainer-Weisheit fest, dass man Torhüter und Mittelstürmer nur in Notfällen auswechselt, weil beide Positionen besonders sensibel sind. Doch der ambitionierte Youngster Moukoko, der seit seinem zwölften Lebensjahr beim BVB kickt, ist gerade in einer besonders guten Position, um Druck zu machen.

Champions League: Dortmunds besserer Stürmer? Youngster Youssoufa Moukoko macht Druck auf Anthony Modeste.

Dortmunds besserer Stürmer? Youngster Youssoufa Moukoko macht Druck auf Anthony Modeste.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Sein erster Profivertrag läuft nächsten Sommer aus, und der U21-Nationalspieler und seine Berater zieren sich auffällig, die Bindung mit dem BVB zu verlängern. Dabei werden durchaus Geschütze aufgefahren: Juventus Turin und der FC Chelsea sollen interessiert sein. Die Zeit arbeitet also für Moukoko - und wenn er eingewechselt wird, gelingt es ihm fast immer, für Alarm zu sorgen.

Allzu lange wird Terzic dem Auslaufmodell Modeste keine Aufstellungsgarantie mehr geben können, ohne selbst in die Kritik zu geraten. Der glücklose Stoßstürmer ist nur mit einem Einjahresvertrag ausgestattet, wenn auch mit einem lukrativen. Anschließend hoffen sie in Dortmund auf den dann hoffentlich genesenen Haller - oder auf den Durchbruch von Moukoko. Der fordert angesichts der bescheidenen Leistungen von Modeste unverhohlen mehr Einsatzzeiten, um sich zu profilieren. An Selbstbewusstsein fehlt es ihm nicht.

Am Samstag muss es in den Ohren des BVB-Managements ohnehin laut gebimmelt haben. Erst schoss ein gewisser Mario Götze Frankfurt gegen Tabellenführer Union Berlin in Führung - jener Götze, der in Dortmund mit dem Unterton ausgemustert worden war, er sei den Anforderungen der Liga nicht mehr gewachsen, der aber jetzt als WM-Kandidat für Hansi Flick gehandelt wird. Und dann schoss bei der eigenen Niederlage just Steffen Tigges, bis zum Sommer Reservist beim BVB, das 2:1 für Köln. Tigges, 24, ist von der Statur her Modeste ähnlich, aber mit feinem Fuß ausgestattet - man hielt ihn allerdings in Dortmund für limitiert. Und später an jenem Samstag traf auch noch Marvin Ducksch für Bremen gegen Gladbach - noch ein Stürmer aus dem BVB-Nachwuchs, gebürtiger Dortmunder, jetzt Stammkraft bei Werder.

Man könnte also meinen, dass das Modeste-Problem hausgemacht ist. Ungewiss ist jedoch, wann das zu Konsequenzen führt. Schon in Sevilla? Oder am Wochenende, wenn es im großen Liga-Klassiker gegen den FC Bayern geht? Nur eines muss Modeste wohl nicht mit auf seine Kappe nehmen: die Schlafmützigkeit der Dortmunder Defensive.

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