BVB-Sieg in der Europa League:Woran Tuchel noch arbeiten muss

Wolfsberg vs Borussia Dortmund

Will in Dortmund viel bewegen: Thomas Tuchel.

(Foto: dpa)
  • Borussia Dortmund gewinnt beim Wolfsberger AC 1:0 und kann mit dem Einzug in die nächste Runde der Europa League planen.
  • In der zweiten Halbzeit baut der BVB stark ab - Trainer Tuchel spricht von einem "kritischen Zeitpunkt".
  • Kevins Großkreutz' Klage, der BVB spreche nicht mit ihm, wird vom Trainer mit Unverständnis aufgenommen.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen in der Europa League.

Von Felix Meininghaus, Klagenfurt

Kurz vor Spielbeginn drehte der Mann am Mikrofon endgültig durch. "Es ist uns eine große Ehre, eine der besten, spektakulärsten und berühmtesten Mannschaften der Welt begrüßen zu dürfen", schrie der Stadionsprecher in Klagenfurt in ohrenbetäubender Lautstärke. Dabei überschlug sich seine Stimme vor Hysterie. Kein Zweifel, für den Wolfsberger AC, jenen kleinen Klub aus Kärnten, war die dritte Runde der Euro-League-Qualifikation gegen Borussia Dortmund eine ganz große Nummer.

Der Erstligist aus Österreich war zur Feier des Tages von seinem eigenen kleinen Stadion in die 30 000 Zuschauer fassende EM-Arena in Klagenfurt umgezogen und hielt sich dann achtbar, weil der gepriesene Gegner eine reichlich irdische Leistung ablieferte. Mit viel Glück rettete der BVB einen knappen 1:0 (1:0)-Sieg über die Zeit und offenbarte dabei nach starkem Beginn eine Vielzahl von den Schwächen, die er eigentlich abstellen will.

Hofmann rettet Tuchels Premiere

Trainer Thomas Tuchel, der sein Pflichtspiel-Debüt auf der Dortmunder Bank feierte, musste mitansehen, wie seine Mannschaft in der zweiten Hälfte komplett die Kontrolle über das Spiel verlor und sich gegen einen Gegner, der nun wirklich nicht zum Hochadel des europäischen Fußballs gehört, wie ein angeschlagener Boxer über die Runden rettete. Die Borussia taumelte, aber sie fiel nicht, sodass die frühe Führung von Jonas Hofmann (16. Minute) ausreichte, um Tuchels Premiere zumindest mit Blick aufs Ergebnis zum Erfolg zu machen.

Tuchel, der die brenzlige Schlussphase stehend und mit verschränkten Armen am Rande seiner Coaching Zone erlebte, wobei er seinen Kaugummi nervös mit den Zähnen bearbeitete, hatte 20 Minuten nach Spielschluss sein Lächeln wiedergefunden. In seiner Analyse führte er das widrige Timing als Grund für das starke Nachlassen in der zweiten Hälfte an: "Das Spiel fand zu einem für uns kritischen Zeitpunkt statt", sagte der 41-Jährige: "Vier Tage nach dem Trainingslager fehlt dir einfach die Frische. Das hat man gemerkt."

Der akribische Tüftler will seiner Mannschaft viel beibringen. Was ihm vorschwebt, deutete seine Belegschaft in der starken ersten Halbzeit an: Viel Ballbesitz, hohe Passqualität und ein Kombinationswirbel, mit dem der Gegner ausgehebelt wird. "Da hat man gesehen, welches Tempo bei Borussia Dortmund drin ist, wie schnell die Burschen hinten raus kommen", lobte Wolfsbergs Trainer Dietmar Kühbauer.

Ebenso auffällig war jedoch, wie stark die Dortmunder nachließen, als die Kräfte schwanden, und wie sehr die Mannschaft in die Fehler der vergangenen Saison zurückfiel. Innerhalb von wenigen Augenblicken ging jegliche Souveränität verloren, jegliche Stärke war gegen einen biederen Gegner wie weggewischt. "Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen", sagte Nationalspieler Marco Reus: "Wir wissen, dass wir noch viel zu tun haben." Und sein Kollege Ilkay Gündogan ergänzte: "Es ist verdammt knapp geworden. Wir können von Glück sprechen, dass wir nicht noch den Ausgleich kassiert haben."

Großkreutz trübt die Stimmung

Borussia Dortmund befindet sich unter Tuchel in einer Lehrzeit, da helfen Erlebnisse wie die in Österreich, die Sinne zu schärfen: "Ich bin sehr froh, dass wir den knappen Vorsprung mit Glück, Leidenschaft und der nötigen Energie verteidigt haben", sagte Tuchel: "Widerstände zu überwinden kann hilfreicher sein, als wenn alles leicht von der Hand geht."

Tuchel hat gesehen, woran er noch tüfteln muss. Zum Beispiel an der auffälligen Schwäche bei gegnerischen Standards. "Wir müssen dringend an der Aufmerksamkeit arbeiten. Uns fehlt die Aggressivität gegen den Ball."

Abseits des Spielfeld trübte das Verhalten von Kevin Großkreutz etwas die Stimmung. Dieser hatte in der Bild geklagt, dass seit Wochen niemand aus der Vereinsführung mit ihm gesprochen habe. Großkreutz versucht, die Gespräche über seinen im nächsten Jahr auslaufenden Vertrag voran zu treiben, sein Trainer reagierte ungehalten: "Da muss er einen anderen Verein meinen. Das kann ich nicht bestätigen. Es enttäuscht mich, dass er wieder den Weg über die Öffentlichkeit geht", sagte Tuchel.

Matchwinner Hofmann freut sich

Immerhin kann der BVB mit der nächsten Runde planen. Zudem hatte er einen echten Gewinner in seinen Reihen: Während Spitzenkicker wie Shinji Kagawa oder der aus Leverkusen gekommene Gonzalo Castro auf der Bank saßen, spielte Jonas Hofmann von Beginn und überzeugte nicht nur wegen seines Tores. Der Rückkehrer aus Mainz verkörpert genau den Typen, der Tuchel behagt: "Er hat ständig die Lampen an, ist wahnsinnig aufmerksam, wach im Gegenpressing und giftig im Verteidigen in vorderster Linie", lobte der Chef. Hofmann sagte, er denke, "dass mich der Trainer für meine Vorbereitung belohnen wollte. Schön, dass ich mit meinem Tor was zurückgeben konnte."

Der Lehrling Borussia ist in Klagenfurt auch dank Jonas Hofmann mit einem blauen Auge davongekommen und wird versuchen, seine Performance Schritt für Schritt zu verbessern. Das Motto dabei: Learning by doing. "Nächste Woche", sagte Tuchel, "werden wir besser auf dem Feld stehen, weil wir dieses Kampfspiel hier erlebt haben." Mit seinem Kapitän Mats Hummels weiß der Trainer einen Bruder im Geiste an seiner Seite: "Wir haben auswärts gewonnen und erwarten von uns, dass wir das im Rückspiel regeln."

Für einen Verein vom Format von Borussia Dortmund sollte dieser Anspruch selbstverständlich sein. "Wir wollen weiterhin unsere Visitenkarte in Europa abgeben", sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke: "Die Qualifikation für die Euro League ist auch ökonomisch wichtig für uns." Rund 45 Millionen Euro, wie sie der BVB in der letzten Champions-League-Saison verdiente, sind zwar eine Stufe darunter nicht drin, aber je nach Verlauf könnten bis zu 30 Millionen in die Kasse gespült werden. Auch deshalb betonte Sportdirektor Michael Zorc: "Borussia Dortmund hat die Verpflichtung, international dabei zu sein."

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