BVB im Revierderby:In Dortmunds Aufregung steckt viel Frust

Bundesliga - Borussia Dortmund v Schalke 04

Alle Beschwerden halfen nichts: Marco Reus sah gegen Schalke auch noch Rot.

(Foto: REUTERS)
  • Selten gab es so ein emotionales Revierderby wie jenes am Samstag, das der BVB 2:4 gegen Schalke verlor.
  • Besonders der Elfmeterpfiff für Schalke vor dem 1:1 bringt die Dortmunder in Rage - Trainer Favre spricht gar von einem "Skandal".

Von Saskia Aleythe, Dortmund

Abwechslung im Trainingsbetrieb steigert die Motivation. Und es kann durchaus sein, dass bei Borussia Dortmund demnächst auf dem Trainingsgelände nicht mehr nur Abwehrformationen, Standardsituationen und Kopfbälle geübt werden, sondern auch das platzierte Anschießen von Verteidigerhänden eine Rolle spielen wird. Weil Lucien Favre ja genau das mitgenommen hat aus diesem Spieltag: "Du musst nur auf den Arm schießen, und es ist ein Elfmeter."

Lucien Favre, 61 Jahre alt, erlebte man am Samstagnachmittag in seltener Rage, was sich beim Trainer von Borussia Dortmund schon dadurch erkennen lässt, dass er besonders viel spricht und die Hände zur Hilfe nimmt, die Augen weit aufgerissen. Ein Derby gegen Schalke 04 mit 2:4 (1:2) Toren im eigenen Stadion zu verlieren, ist schon schlimm genug und im Meisterschafts-Endkampf noch schlimmer. Aber dass es ausgerechnet dieser Handelfmeter gegen den Abwehrspieler Julian Weigl in der 18. Minute war, der für den Bruch im Dortmunder Spiel sorgte, das machte Favre besonders zu schaffen.

So sehr, dass er am Mikrofon des TV-Senders Sky später Superlative des Grauens aneinanderreihte: "Das ist der größte Skandal im Fußball seit Jahren. Das ist so lächerlich, der Fußball ist peu á peu so lächerlich. Das ist eine große Schande für den Fußball. Niemand weiß, wer diese Regel erfunden hat. Sie haben keine Ahnung von Fußball."

Und dann war man schon wieder mittendrin in den Grundsatzdiskussionen über die Handspielregel plus Videobeweis, die schon so viele Spieltage in dieser Bundesliga-Saison geprägt haben.

Der Dortmunder Jubel über das 1:0 durch Mario Götze (14. Minute) war noch nicht richtig verklungen, da lieferten sich Breel Embolo und Julian Weigl im Dortmunder Strafraum einen fast unbemerkten Zweikampf. Embolo versuchte, per Direktannahme den Ball Richtung Tor zu bringen, Weigl stellte sich ihm entgegen, der Ball prallte aus dem Strafraum hinaus. Dann wurde noch eine halbe Minute weitergespielt, bis Schiedsrichter Felix Zwayer zur Pfeife griff. Videoassistent Guido Winkmann hatte ihn angefunkt und auf unerlaubtes Handspiel durch Weigl hingewiesen, Zwayer kam nach Ansicht der Aufnahmen zur selben Einschätzung.

Als der Elfmeter-Pfiff ertönte, lächelte Gäste-Trainer Huub Stevens verlegen, fast entschuldigend, wie einer, der gerade im Lotto gewonnen hat und weiß, dass sein eigener Beitrag dazu nicht sehr hoch war. Bei Favre brach Entsetzen aus, das sich in ein Trauma verwandelte und ihn nur noch kopfschüttelnd durch die Gegend laufen ließ. "Sie wollen, dass die Spieler sich die Arme abschneiden", sagte er, "aber du brauchst deine Arme für das Gleichgewicht." Und diese Frage entpuppte sich dann auch als die Kernfrage: War Weigls Armbewegung als Absicht zu werten, 50 Zentimeter vom Ball entfernt?

Schiri Zwayer besteht auf Richtigkeit

"Der Arm ist abgespreizt, die Auslegung sagt eindeutig, dass es eine unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche und somit ein strafbares Handspiel ist", erklärte Schiedsrichter Felix Zwayer nach der Partie. International und in Deutschland bestehe diese Auslegung seit Saisonbeginn, ergänzte Zwayer: "Es soll immer so gehandhabt werden. Fehler passieren auch uns Schiedsrichtern. Aber in dem Fall ist es sehr eindeutig nach Ansicht der Fernsehbilder." Allerdings wirkte der Schiedsrichter dabei nicht viel glücklicher als Favre, er sagte: "Wenn man mit dieser Regel an sich nicht einverstanden ist, dann sind die Schiedsrichter die ärmsten Schweine. Wir setzen das um, was vorgegeben wird."

Somit blieb am Ende für alle Beteiligten die Erkenntnis, dass Laufen und Springen ohne Armeinsatz ein schwieriges Unterfangen ist, was wiederum im Regelwerk nicht die nötige Beachtung findet. Was Lucien Favre wiederum zu den sehr grundsätzlichen Fragen führte: "Niemand weiß hier, warum das erfunden wurde. Woher kommt das? Warum machen wir das?"

Für Dortmunds Lizenzspielerchef Sebastian Kehl sorgte derweil noch ein weiterer Randaspekt für Skepsis: Die fragliche Szene hatten weder Zwayer noch die Schalker im Spiel mitbekommen. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich die Schalker großartig beschwert haben, es war kein großer Aufschrei zu spüren", sagte Kehl, "das Spiel ging weiter, drei Minuten später kam der Pfiff und wir haben uns gefragt: Was ist jetzt passiert?" Und es schwangen Zweifel daran mit, ob der Technik-Einsatz wirklich Sinn ergibt, wenn er unbeobachtete (und uneindeutige) Regelverstöße zu spielentscheidenden Momenten befördert.

Natürlich steckte in all der Dortmunder Aufregung auch viel Frust über das verlorene Derby. Es ist eine Niederlage, die ohnehin schon Kratzer an der Ehre hinterlassen hätte, und der Spielverlauf wurmte die Schwarz-Gelben offenbar so sehr, dass sie zunehmend die Nerven verloren: Durch zwei grobe Fouls von Marco Reus und Marius Wolf und die folgerichtigen Platzverweise brachten sich die Dortmunder fahrlässig um eine große Meisterschaftschance, zu neunt beendeten sie die Partie. Schon vor dem Abpfiff leerte sich das Stadion.

"Der Titel ist verspielt", sagte Lucien Favre - ehe er am Sonntag nach dem 1:1 der Bayern in Nürnberg doch noch einmal Hoffnung schöpfen durfte. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke blieb unbeirrt: Man gebe erst auf, wenn es "rechnerisch nicht mehr möglich" sei: "Das ist unsere Verpflichtung den Fans gegenüber."

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