Borussia Dortmund:Soforthilfe dringend gesucht

Borussia Dortmund: BVB-Verteidiger Mats Hummel gegen TSG 1899 Hoffenheim

Chefdenker: Dortmunds Mats Hummels kann den strauchelnden BVB derzeit auch nicht stabilisieren.

(Foto: Marius Becker/dpa)

Der Trainerwechsel beim BVB brachte bisher wenig Besserung. Derzeit präsentiert sich eine Elf, die halb im alten Leben steckt und halb im neuen - das Verpassen der Champions League ist ein reales Szenario.

Kommentar von Freddie Röckenhaus

Wer sich in Dortmund auf Jürgen Klopp beruft, hat die Lufthoheit in jeder Fachsimpelei schon gewonnen. Mats Hummels weiß das natürlich. Schließlich hat er dem einstigen Dortmunder und heutigen Liverpool-Coach einen Karrieresprung zu verdanken. Nach dem Remis gegen die TSG Hoffenheim, das sich auch wieder wie eine Niederlage anfühlte, zog der Chefdenker im BVB-Kader deshalb die Klopp-Karte: "Unter keinem Trainer der Welt ist nach zwei Wochen alles so, wie der Trainer es sich vorstellt. Das war bei Jürgen Klopp nicht so - und das ist auch bei Edin nicht so." Es folgte im Vortrag der gute Vorsatz: "Aber wir arbeiten hart an uns, und ich hoffe, dass wir uns die Belohnung in Form von richtig guten Spielen abholen."

Ob sich Warten lohnt, sollte sich möglichst schnell herausstellen. Irgendwie scheinen sich Hummels und die wahren Entscheider bei den strauchelnden Borussen kollektiv darauf festgelegt zu haben, dass Trainer Edin Terzic, 38, so gut wie alles richtig macht. Außer dass seine Mannschaft zu selten gewinnt. In den zehn Bundesligaspielen unter seiner Regie holte der BVB 14 Punkte, in den elf unter seinem Vorgänger Lucien Favre waren es 19.

Hummels steht in Dortmund nicht allein mit seiner Einschätzung, dass "wir auf dem Weg der Besserung sind". Man spiele aktiver und aggressiver gegen den Ball, man spiele den besseren Fußball als vorher unter Favre. Die Punkteausbeute aber bleibt ähnlich mau, und weil die Konkurrenz derzeit besser punktet als zu Saisonbeginn, ist plötzlich sogar der Champions-League-Startplatz gefährdet. Letztmals wurde der in der Saison 2014/15 verfehlt. Trainer damals: ein gewisser Jürgen Klopp.

Der Autorität von Favres vorherigem Assistenten Terzic, der schon unter Klopp zum BVB-Scouting-Team von Sven Mislintat gehörte (heute Sportdirektor in Stuttgart), soll in der Mannschaft ungebrochen sein. Wie lange noch? Dortmund dementiert nicht, dass Gladbachs Marco Rose im Sommer übernehmen könnte, nicht zuletzt, weil Rose eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag hat. Roses Fußball-Philosophie ist kaum anders als die von Terzic: hohes Anlaufen, hohes Pressing, nach Balleroberung extrem schnelles Umschalten, um die kurz desorientierte Defensive des Gegners zu knacken. Das ist mehr oder weniger der Stil, den Ralf Rangnick und Jürgen Klopp in der Liga etabliert haben. Ob Rose als Morgengabe noch etwas mehr Traineraura als Terzic verströmt, wird unterstellt, ist aber unbewiesen.

Dortmunds Kreditwürdigkeit scheint im Vergleich auch wegen der Werthaltigkeit des jungen Kaders ungebrochen zu sein

Schließlich hat Terzic viele Baustellen geerbt und bisher keine Phase gehabt, in der er einen kompletten Wechsel des Spielsystems hätte einstudieren können. Favres abwartendes Ballgeschiebe wollten sie in Dortmund nicht mehr. Derzeit präsentiert sich deshalb eine Mannschaft, die halb im alten Leben steckt und halb im neuen. Von der scheinbar so überlegenen Angriffsqualität sieht man zu selten etwas. Und selbst das System Erling Haaland funktioniert viel zu selten, weil Haaland von Mittelfeldspielern wie Julian Brandt, Jude Bellingham oder Marco Reus zu selten Pässe in die Schnittstellen bekommt.

Mit der aggressiveren Taktik gehen zwar mehr Balleroberungen einher, aber daraus macht der BVB viel zu wenig. Stattdessen wirkt das Mittelfeld durch das hohe Attackieren oft entblößt, und die behäbige BVB-Abwehr kommt bei Gegenstößen schnell in Verlegenheit. Hummels wollte nach dem 2:2 gegen Hoffenheim beinahe schon versprechen, dass man "noch in dieser Saison" die Wende erleben werde. Am Mittwoch spielt der BVB in der Champions League beim FC Sevilla, am Samstag im Revierderby bei Schalke 04. Besser wäre es, gleich diese beiden Spiele zu gewinnen. Als Soforthilfe.

Das Gespenst, am Ende trotz Trainerwechsel nicht mehr in die Champions League zu kommen, lässt in Dortmund gerade nur bedingt Horrorvorstellungen wachsen. Ein Jahr in der Europa League anstatt bei den Champions würde vermutlich 30 bis 35 Millionen Euro bedeuten, die der BVB an potentiellen Einnahmen verlöre. So gut wie alle Klubs, auch jene in Europas Spitze, sind allerdings derzeit mehr oder weniger blank. Dortmunds Kreditwürdigkeit scheint im Vergleich auch wegen der Werthaltigkeit des jungen Kaders ungebrochen zu sein. Im Worst-case-Szenario traut sich der BVB deshalb eine Saison auch ohne Königsklasse zu. Und ohne größere Spielerverkäufe, mal abgesehen vom ohnehin mit einem Abgang liebäugelnden Jadon Sancho.

Der Blick nach England, zu Jürgen Klopp, spendet in diesen Zeiten einen gewissen, aber schwachen Trost. Klopps FC Liverpool strauchelt gerade ähnlich wie der BVB in der Bundesliga. Verpassen der Champions League nicht ausgeschlossen.

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