BVB-Niederlage in der Champions League:Das zweite Gesicht des Jürgen Klopp

Nach dem ersten Gegentreffer in Neapel verliert Dortmunds Trainer Jürgen Klopp komplett die Fassung. Es folgt eine bittere Phase mit der Verletzung von Mats Hummels und der roten Karte von Roman Weidenfeller. Hinterher entschuldigt sich Klopp und gibt sich selbst die Schuld für den Fehlstart in der Champions League.

Von Felix Meininghaus, Neapel

Die Sache begann mit einem Fauxpas: Als der Moderator am Tag vor dem Champions-League-Auftritt der deutschen Gäste seine einleitenden Worte formulierte, sagte der gute Mann, "Ich begrüße ganz herzlich die Vertreter von Bayern Mü..., äh, Borussia Dortmund". Neben ihm zuckten Nuri Sahin und Jürgen Klopp kurz zusammen, bevor sie zusammen mit Dutzenden Medienvertretern in kollektives Lachen ausbrachen.

Kann es sein, dass der BVB trotz seines Husarenritts durch die europäische Fußball-Landschaft in der vergangenen Saison noch nicht überall auf dem Kontinent bekannt ist? Wohl kaum, zumindest nicht, wenn es um Aurelio De Laurentiis geht. Der Präsident des SSC Neapel hatte im Vorfeld des Spiels warme Worte gefunden: "Ich verfolge den BVB seit Jahren: Sie verplempern nie Geld auf dem Transfermarkt, besitzen gesunde Bilanzen und einen kongenialen Trainer. Dieser Club macht mir ehrlich gesagt große Angst."

Das mit der Angst dürfte sich seit Mittwochabend gelegt haben, schließlich entzauberte De Laurentiis Klub den so gelobten Gegner mit 2:1 (1:0) und sorgte so dafür, dass der Finalist im neuen Wettbewerb einen Fehlstart erlebte. Auch das hohe Lied auf Jürgen Klopp könnte nach den Erlebnissen einer bemerkenswerten Nacht ein wenig leiser gesungen werden. Der 46-Jährige offenbarte nämlich am Fuße des Vesuvs sein zweites Gesicht, nämlich das eines brodelnden Vulkans, der sich und seine Emotionen nicht zu kontrollieren weiß.

Der Aufreger des Spiels ereignete sich in der 29. Minute, Neapels Stürmer Gonzalo Higuain hatte nach einer Ecke gerade zur Führung eingeköpft, als Klopp an der Seitenlinie ausrastete. Seine Gesichtszüge verzerrten sich zu einer hässlichen Grimasse, der Trainer war völlig außer sich und wurde auf die Tribüne geschickt. Der Grund für Klopps Wut entsprang dem Umstand, dass Neven Subotic, der mit einer Platzwunde behandelt worden war, nach Dafürhalten des Trainers viel zu spät zurück auf den Rasen gelassen wurde und so das Unglück nicht verhindern konnte.

"Wir schenken die Champions League jetzt nicht kampflos ab"

Es war nur eine Szene eines turbulenten Spiels, in dem die Dortmunder keinen glücklichen Eindruck hinterließen. Manndecker Mats Hummels musste noch vor der Pause raus, er hatte bei einem Zweikampf einen Schlag auf den Ischiasnerv bekommen und konnte sich nicht mehr bewegen. Direkt im Anschluss flog Kapitän Roman Weidenfeller vom Platz, bei seiner Rettungstat außerhalb des Strafraums hatte der Torhüter die Hände zur Hilfe genommen. Sein Vertreter Mitch Langerak schlug sich einen Zahn aus, als er beim 2:0 für Neapel vergeblich versuchte, den tollen Freistoß von Lorenzo Insigne zu entschärfen und dabei an den Pfosten knallte.

Eine rote Karte, Verletzungspech und ein Trainer, der komplett die Fassung verliert - alles in allem war es also ein schwarzer Abend für den BVB, und das nicht nur, weil es in Neapel nichts zu gewinnen gab. Entsprechend mitgenommen war Klubpräsident Reinhard Rauball nach dem Abpfiff. Er müsse das Erlebte "erstmal sacken lassen", sagte der promovierte Jurist und sprach von "drei unglücklichen Momenten" mit den Protagonisten Klopp, Hummels und Weidenfeller. Dass dem BVB kurz vor dem Auftritt noch der Anschlusstreffer gelang, weil Neapels Camilo Zuniga den Ball ins eigene Netz lenkte, schönte den schlechten Gesamteindruck nur unwesentlich.

Vor allem Klopp und sein unrühmlicher Auftritt bot reichlich Gesprächsbedarf. Der Trainer warf sich das Büßerhemd über und nahm die Niederlage auf seine Kappe. Er habe geglaubt, Subotic sei wieder einsatzbereit, doch der Unparteiische am Rand habe noch einen Blutfleck auf dem Pflaster moniert, der erst hatte entfernt werden müssen. "Es war ausschließlich mein Problem", bekannte Klopp, er habe sich nach dem Schlusspfiff sowohl beim Schiedsrichter, als auch bei seinem Assistenten und der eigenen Mannschaft für sein Verhalten entschuldigt.

So sei die rote Karte für Weidenfeller eine Art Spätfolge gewesen, "weil meine negativen Emotionen nicht dazu beigetragen haben, die Hektik aus dem Spiel zu nehmen". Klopp fand, "dass wir hier an guten Tagen, an denen der Trainer seine Nerven im Griff hat, durchaus was mitnehmen können. Doch da weder das eine noch das andere der Fall war, haben wir verdient verloren."

Den weiteren Spielverlauf erlebte Klopp zuerst auf der Tribüne, wo er sich jedoch schnell wieder trollte, "weil da um mich herum zu viele Leute saßen, die mir das Gefühl gaben, sie hätten Spaß an meiner Situation". Da ging es im Kabuff des Hausmeisters sehr viel entspannter zu, dort fand Klopp Asyl und sah das Spiel "mit einem sehr netten Mann, der auf das Stadion aufpasst" am Fernseher.

Was er dabei erlebte, war gar nicht so schlecht. In Unterzahl sahen die Dortmunder in der zweiten Hälfte wesentlich besser aus als zuvor, auch wenn es nicht reichte, um das Spiel noch zu drehen. Immerhin erlebte Rauball noch ein Tor, "das im direkten Vergleich noch eine ganz wichtige Rolle spielen kann". Ganz klar, der Auftritt in Neapel war ein herber Dämpfer für eine Mannschaft, die in der Liga bislang ohne Fehl und Tadel agierte. Klopp sprach von einem "sehr gebrauchten Abend, aber deshalb schenken wir jetzt die Champions League nicht kampflos ab". Und für Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke war der missglückte Start eine lehrreiche Erinnerung, "dass in der Champions League ein anderer Fußball gespielt wird, als das in der Bundesliga oft der Fall ist".

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