BVB-Niederlage gegen Hertha BSC:Krisengeplagt in die Winterpause

Borussia Dortmund's Kehl reacts to Sarr during the German first division Bundesliga soccer match against Hertha Berlin in Dortmund

Sebastian Kehl (links) tröstet Marian Sarr nach dessen Patzer.

(Foto: REUTERS)

Mehr als 13 Jahre liegt es zurück, dass Borussia Dortmund drei Heimspiele in Serie verloren hat. Gegen Hertha BSC Berlin bringt auch der frühe Führungstreffer keine Stabilität - der BVB agiert verunsichert, der Aufsteiger macht die Tore.

Von Matthias Schmid

Meuselwitz und Magdeburg - so hießen die Mannschaften, gegen die Marius Gersbeck in dieser Saison zwischen den Pfosten stand. An diesem Samstag hießen die Gegenspieler des Torhüters von Hertha BSC aber nicht mehr Matthias Beil und Robert Böhme - sie hießen Robert Lewandowski und Marco Reus. Bundesliga statt Regionalliga Nordost. Dortmund statt Meuselwitz. Trotzdem: Hertha-Trainer Jos Luhukay vertraute nach der Verletzung des Stammtorhüters Thomas Kraft seinem 18 Jahre alten Torsteher.

Der Niederländer sollte für den Mut belohnt werden. Am Ende der sechsminütigen Nachspielzeit jubelten die Gäste aus Berlin - sie siegten nach Toren von Adrian Ramos und Sami Allagui 2:1 (2:1) und stürzen die Dortmunder, die Marco Reus in Führung gebracht hatte, im letzten Spiel vor der Winterpause in eine echte Krise. Zum ersten Mal seit 13 Jahren verlor der BVB drei Heimspiele nacheinander - damals hieß der Trainer noch Bernd Krauss.

Der heutige Fußballlehrer Jürgen Klopp versammelte seine Spieler nach dem Schlusspfiff lange in der Kabine. Erst nach und nach trotteten sie heraus, den Blick gesenkt, die Schultern hingen herab, als würden sie von einer unsichtbaren Last schier erdrückt. Nur ein Sieg aus den vergangenen sechs Ligaspielen hat ihnen das Lächeln geraubt. "Ohne Wenn und Aber: Das ist ganz hart. Das wird ein Weilchen dauern, bis wir das verarbeitet haben", sagte Klopp.

Zu Beginn des Spieles hatte es noch danach ausgesehen, als würde Gersbeck die Beförderung zum Bundesligatorhüter ziemlich beeindrucken, vor allem, als er vor Europas größter Stehplatztribüne seine Position bezog. 25.000 Menschen finden darauf Platz. Und in der siebten Spielminute musste Gersbeck auch sogleich den Ball aus dem Tor holen. Nach einem hohen Zuspiel von Dortmunds Kapitän Sebastian Kehl auf Reus rannte er zwar aus dem Tor, aber zu langsam, um den Ball vor dem Nationalspieler auf die Tribüne schlagen zu können. Reus schob gelassen zum 1:0 ins Tor.

Man konnte sich nun viel vorstellen. Etwa, dass Gersbeck an dem kleinen Fehler zerbricht, immer aufgeregter und fehleranfällig werden könnte und Dortmund nach Wochen der verpassten Chancen endlich wieder zu dem Spielfluss und der Effizienz vor dem Tor zurückfindet, der dem Klub in diesem Jahr schon mal eine Teilnahme am Champions-League-Finale bescherte. Es kam anders. Ganz anders.

Hertha verteidigt die Führung

Es war wohl diese eine Szene, dieser kleine Reflex mit der linken Hand, der alles veränderte und die Partie doch nicht zum vorhersehbaren Spielfilm machte, sondern ihr eine Wendung verpasste, mit der niemand gerechnet hatte. In der zwölften Minute stürmte Lewandowksi, dieser eigentlich unwiderstehliche Stürmer, auf Gersbeck zu, doch sein Wischer verhinderte das frühe 0:2. "Das erste Ding geht auf meine Kappe, aber danach war es ganz gut", sagte er.

Im Gegenzug musste der 18-Jährige mitansehen wie Adrian Ramos in einer ähnlichen Situation an BVB-Torwart Roman Weidenfeller scheiterte, doch Hertha beeindruckte das nicht. Dieser freche Aufsteiger, von Trainer Luhukay bestens angeleitet, spielte einfach schnörkellos weiter, mit viel Druck nach vorne. Nachdem Außenverteidiger Erik Durm den Ball an Allagui verloren hatte, flankte dieser rasch nach innen, wo Ramos schneller am Ball war als Sokratis und zum 1:1 verwandelte - sein elftes Saisontor bereits.

Dortmund fehlte nach bis dato nur einem Sieg aus den vergangenen fünf Ligaspielen diese Selbstverständlichkeit, die Leichtigkeit, die dieses laufintensive Spiel gegen den Ball so benötigt, um vor dem Tor die nötige Übersicht zu behalten. Zum ersten Mal seit Monaten hatte Trainer Klopp vor der Begegnung gegen Berlin wieder mal die Gelegenheit, mit seinen Spielern zu arbeiten, taktisch und technisch. Während der vielen englischen Wochen steht ja ansonsten vor allem die Regeneration im Vordergrund.

Doch die stressfreie Zeit scheint den Dortmundern nicht gut getan zu haben, im Gegenteil. Hertha spielte munter weiter und profitierte von den Aussetzern im Dortmunder Abwehrverbund. Marian Sarr war diesmal an der Reihe. Allagui klaute dem 18-jährigen Innenverteidiger in der Vorwärtsbewegung den Ball, lief noch ein paar Meter weiter, narrte auch den heranstürmenden Weidenfeller mit einer Körpertäuschung und erzielte mit links das 2:1 (45.).

Nach seinem Fehler durfte Sarr in der Kabine bleiben, Klopp korrigierte seine Aufstellung und brachte Lukasz Piszczek. Der Pole rückte auf die rechte Außenverteidigerposition, Kevin Großkreutz für Sarr in die Innenverteidigung. An der Architektur des Dortmunder Spiels änderte sich nicht viel. "Das einzig Gute an diesem dritten Drittel dieses Jahres ist, dass es rum ist", sagte Klopp.

Erst mit der Einwechslung von Jonas Hofman für Jakub Blaszczykowski kam der BVB zu einer guten Torchance. Hoffmanns wuchtiger Schuss aus 16 Metern parierte aber Gersbeck, der mit zunehmender Spieldauer über sich hinauswuchs und größer wirkte als die angegebenen 1,87 Meter. Mit Geschick verteidigten die Berliner schließlich die Führung bis zum Schlusspfiff. Gersbeck hat jetzt eine tolle Geschichte, die er seinen Kumpels erzählen kann.

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