Jürgen Klopp war sich auch nach intensivem Studium der Fernsehbilder nicht sicher, wie er über jene Situation befinden sollte, die das Spiel zwischen Borussia Dortmund und dem Hamburger SV zwar nicht entschied - aber doch nachdrücklich prägte. Dortmunds Angreifer Robert Lewandowski war nach einer halben Stunde mit der roten Karte bestraft worden für seinen Tritt gegen den Hamburger Mittelfeldmann Per Skjelbred.
Klopp war der Ansicht, dass Schiedsrichter Manuel Gräfe zwar nicht komplett daneben lag mit seinem Urteil, aber eben auch nicht komplett richtig: "Ich habe schon schlimmere Fehlentscheidungen gesehen", sagte der Dortmunder Trainer, der den Zwischenfall im Halbfeld als "unglückliche Situation" einstuft: Lewandowski habe den Ball erreichen wollen im Zweikampf mit Skjelbred, "und dann kann es im Fußball zum Kontakt kommen", erläuterte Klopp.
Doch der Trainer hat rasch erkannt, dass es keinen Zweck hat, sich ausgiebig mit dem umstrittenen Platzverweis gegen seinen besten Stürmer zu befassen: "Ich kann die rote Karte ja nicht wegdiskutieren."
Insgesamt reagierten die Dortmunder milde auf den folgenschweren Platzverweis, anders als noch Anfang Dezember, als Marcel Schmelzer beim 2:3 gegen Wolfsburg vom Platz geflogen war. Sie wussten selbst, dass die Hinausstellung Lewandowskis nicht der Grund war für die krachende 1:4-Niederlage gegen den HSV. Denn auch die Hamburger waren am Ende nur noch zu zehnt auf dem Rasen, nachdem Jeffrey Bruma in der 60. Minute ebenfalls Rot gesehen hatte - in diesem Fall war die Entscheidung allerdings unstrittig.
Der Betriebsunfall gegen die Gäste aus dem Norden, für die Artjoms Rudnevs und Heung Min Son je zweimal trafen, bedeutet die erste Niederlage im neuen Jahr für den BVB. Außerdem kann die Generalprobe für das Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Schachtjor Donezk am Mittwoch als prächtig misslungen gelten.
Stimmen zur Bundesliga:"Lewandowski passt besser ins System als Gomez"
Lothar Matthäus bekräftigt die Gerüchte um einen Wechsel von Robert Lewandowski zum FC Bayern, Jürgen Klopp erlebt einen Tag zum Vergessen und Bruno Labbadia wirft mit Durchhalteparolen um sich. Horst Heldt steht zu Jens Keller.
Dass gerade Lewandowski die Hauptrolle in der meistdiskutierten Szene des Nachmittags einnahm, ist eine ironische Fügung. Der Stürmer aus Polen steht ohnehin im Blickpunkt, weil sein Abschied zum FC Bayern laut mancher Medienspekulation angeblich schon abgemacht ist.
FC Bayern in der Einzelkritik:Rumalbern auf hohem Niveau
Die Schalker kommen Manuel Neuer nur vor dem Spiel nahe, Franck Ribéry zeigt sich gewohnt neckisch, Mario Gomez ist ohne Rolli treffsicherer - und Arjen Robben ist motiviert wie ein Sechstklässler beim Date mit der Jahrgangsschönheit. Der FC Bayern beim 4:0 gegen Schalke in der Einzelkritik.
Klopp hatte am Samstag allerdings keine Lust, sich an den Spekulationen um die Zukunft Lewandowskis zu beteiligen: "Es werden irgendwann die Weichen gestellt", sagte der Dortmunder Trainer vor dem Spiel, "wann die in diesem Fall gestellt werden, weiß ich nicht genau - ist mir auch Wurst." Klopp hatte in den vergangenen Tagen nicht den Eindruck, dass der Angreifer sich ablenken ließe von dem Spekulationen um seine Person, und immerhin traf Lewandowski am Samstag in der 17. Minute zum 1:0 für die Dortmunder. Bei seinem Platzverweis stand es allerdings schon 1:2.
Trotzdem hatte der BVB Chancen, das Spiel noch für sich zu entscheiden. Doch seiner Mannschaft sei "ein bisschen die Ruhe abgegangen", stellte Trainer Klopp fest. Tatsächlich erlebte die Veranstaltung nach Lewandowskis Hinausstellung eine hektische Phase: Das Publikum wütete gegen Schiedsrichter Gräfe und Rafael van der Vaart, der Lewandowski nach dessen Foul an Skjelbred wild angegangen hatte.
Als der niederländische Mittelfeldmann danach eine Ecke vor der Südtribüne ausführen wollte, traf ihn ein Feuerzeug. Doch das Dortmunder Publikum machte schnell seinen Frieden mit diesem turbulenten Nachmittag: Beim Abpfiff wurde auf der Südtribüne trotz der Niederlage schon wieder gesungen und geschunkelt.