Süddeutsche Zeitung

2:1-Sieg gegen Gladbach:Dortmunds schöner Schmerz

Lesezeit: 2 min

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Mittwochnacht war Julian Brandt im öffentlich-rechtlichen Radio zu hören mit einem Satz, der in die Geschichte der plumpsten Fußball-Aphorismen eingehen könnte. Er sagte: "Auch unschöne Siege sind Siege." Er sagte es allerdings zögerlich und in einem etwas widerwilligen Tonfall, der verriet, dass die Formulierung so profan, wie sie klingt, gar nicht beabsichtigt war. Das wurde überdies deutlich, als der Offensivspieler von Borussia Dortmund kurz vor Mitternacht die Spielerkabine verließ und im Kabinengang des Westfalenstadions erschien, um über seine beiden Treffer, über den mehr zweckmäßigen als ansehnlichen 2:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach und die Bedeutung dieses Erfolgs in der zweiten Runde des DFB-Pokals zu sprechen. Während auf allerhand Sendern sein simpler Satz bereits rauf und runter lief, reflektierte der 23-Jährige das Geschehene im Souterrain des Stadions sehr viel eloquenter.

Das taktisch fein austarierte Spiel zwischen der Dortmunder und der Gladbacher Borussia schien schon auf eine Verlängerung hinauszulaufen, als Marcus Thuram in der 71. Minute das 1:0 für die Gladbacher köpfelte. Nun war Dortmund, in den vergangenen Wochen nur mäßig erfolgreich, einmal mehr und auf Minutenbasis gefordert. Da traf ausgerechnet Brandt, im Sommer aus Leverkusen gekommen und beim BVB bislang noch längst nicht etabliert, erst mit einem Flachschuss in der 77. Minute zum 1:1 und dann auch noch mit einem Kopfball in der 80. Minute zum 2:1. Er drehte das Spiel im Alleingang. "Bitte merken Sie sich diesen besonderen Tag!", forderte er die Journalisten im Kabinengang witzelnd auf und meinte damit nicht eitel seinen Doppelpack zum Sieg, sondern sein Kopfballtor, denn es war in Brandts Erinnerung erst das zweite in seiner Profikarriere.

"Für mich", sagte Brandt, "waren die Tore schon auch extrem wichtig, vor allem, weil ich mich damit endlich einmal selbst belohnen konnte." Doch noch wichtiger fand der Nationalspieler den Sieg für seine Borussia, gerade vor dem Hintergrund der zuvor mauen Ergebnisse und angesichts der medialen Kritik an der Mannschaft und am Trainer Lucien Favre. Brandt sagte dort drunten im Stadion nicht, dass auch unschöne Siege Siege seien, er sagte vielmehr das, was er eigentlich auch schon ins Radiomikrofon hätte sagen wollen, und das klang dann deutlich komplexer, nämlich: "Ich überlege manchmal, was einer Mannschaft wohl besser tut: ein 4:0-Sieg oder so ein Sieg aus der Bredouille heraus?" Diese Frage war rhetorisch, zumal Brandt dann weiter darüber sinnierte, wie gut dieses gedrehte Spiel seinem BVB wohltue und wie sehr solch ein Erfolg die Mannschaft wohl zusammenschweiße, auf jeden Fall: "Der Sieg ist gut fürs Selbstvertrauen." Es habe ja jeder gesehen, dass das Selbstvertrauen in den vorangegangenen Spielen "nicht zu einhundert Prozent" da gewesen sei.

Gladbach-Trainer Rose sieht Rot

Nicht direkt mitbekommen hat Brandt bei seinen Toren, was diese bei den beiden Trainern ausgelöst haben. Nach dem ersten hat Gladbachs Marco Rose nämlich mit dem Schiedsrichter Benjamin Cortus zu schimpfen angefangen, weil dieser nicht gesehen hatte, dass Brandt ein paar Sekunden vor seinem Schuss einmal ganz kurz im Abseits gestanden hat. Cortus hatte dafür allerdings auch keine Hilfe, weil es den Videoassistenten in der zweiten Pokalrunde noch nicht gibt - erst ab dem Viertelfinale. Weil Rose anschließend auch noch über andere Entscheidungen des Schiedsrichters nörgelte, zeigte Cortus ihm die rote Karte, und Rose musste maulend auf die Tribüne.

Bei Brandts zweitem Tor sprang sein Trainer Favre derart begeistert in die Luft, dass er sich dabei den linken Oberschenkel zerrte, jedenfalls griff er sich sofort mit schmerzverzerrtem Gesicht an selbigen. Hinterher berichtete Favre aber, er habe sich zuvor im Training einen Faserriss im Oberschenkel zugezogen und diesen beim Jubeln schlicht vergessen. "Ich habe das gar nicht mitbekommen", sagte jedenfalls Brandt über den schmerzhaften Trainerjubel. Favre habe es ihm später berichtet und ihn aber beruhigt mit den Worten: "Es war ein schöner Schmerz."

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