Borussia Dortmund:Ein Verlust von mehr als 2,50 Euro

Borussia Dortmund: Da geht er hin: Erling Haaland verlässt nach dem 2:3 bei der Hertha den Platz im Berliner Olympiastadion, fast zu schnell für einen Klaps von BVB-Trainer Marco Rose.

Da geht er hin: Erling Haaland verlässt nach dem 2:3 bei der Hertha den Platz im Berliner Olympiastadion, fast zu schnell für einen Klaps von BVB-Trainer Marco Rose.

(Foto: Revierfoto/imago)

Der BVB verspielt in Berlin die vermutlich letzte Chance auf die Meisterschaft. Vielleicht gibt das auch Erling Haaland zu denken? Real Madrid hat sein Interesse am Stürmer hinterlegt.

Von Javier Cáceres, Berlin

Erling Braut Haaland wohnt eine gewisse Unentzifferbarkeit inne, die hin und wieder Anlass zu Rätseln gibt. Zum Beispiel: in der zweiten Hälfte der vergangenen Woche. Weil er nach dem 3:0-Sieg seiner Borussia gegen die SpVgg Greuther Fürth etwas drehte, was aussah wie eine einsame Ehrenrunde, in die wiederum die nächsten einen Abschied von der Gelben Wand hineininterpretieren wollten.

Wobei: Klärungsbedarf sahen die Verantwortlichen durchaus. "Ich habe die Bilder auch gesehen. Es sah komisch aus", erklärte Dortmunds Manager Michael Zorc am Samstag, er habe sich bei Haaland persönlich erkundigt, was es mit dieser Geste auf sich gehabt haben könnte. Die Conclusio: "Ich glaube nicht, dass es eine bewusste Aktion war", mutmaßte Zorc. Der Manager äußerte dies am Samstag vor dem Spiel bei der Hertha, und auch er dürfte wegen dieser Vorgeschichte besonders darauf geachtet haben, wie Haalands Abgang von der Bühne namens Berliner Olympiastadion vonstatten ging, als die Borussia bei der Hertha 2:3 verloren hatte.

Nun, es lief so: Haaland stapfte davon. Nicht so, als müsste er dringend auf die Toilette, aber durchaus eilig und bestimmt. Seine Miene? Steinerner als die Roald-Amundsen-Statue im nordnorwegischen Tromsö. Und es bedurfte gar nicht mal so viel Fantasie, um in Haaland die norwegische Version des ehemaligen Leverkuseners Emerson hineinzudeuten. Des legendären "Dieser-Verein-wird-nie-etwas-gewinnen!"-Emerson, um genau zu sein. Um, anders gesprochen, in Haaland einen langsam resignierenden Mann zu erkennen.

"Drecksspiel": BVB-Boss Watzke meint aber vor allem den Platz im Berliner Olympiastadion

Es war ja nicht nur so, dass der BVB verloren hatte. Der Abstand auf den Tabellenführer FC Bayern München beträgt nunmehr neun Punkte, was per se eine Menge ist, aber umso mehr, als der BVB vor dem direkten Duell vom 4. Dezember im heimischen Westfalenstadion nur einen Zähler hinter den Bayern lag und aus den folgenden Spielen in Bochum, gegen Fürth und nun in Berlin gerade einmal vier Punkte sammelte. Und auch das relativierte die Klage, die BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Sonntag bei der Bild-Zeitung vom Stapel ließ. Ein "Drecksspiel" sei das 2:3 gewesen, das auf einem "unwürdigen", weil "lehmigen" Grund ausgetragen worden sei. Was ja objektiv stimmte. Aber hatte die Hertha nicht auf dem gleichen Rasen gespielt?

Doch, hatte sie, und es begab sich auch noch, dass der BVB zur Halbzeit 1:0 geführt hatte, und das, nachdem der Hertha unter nahezu fadenscheinigen Gründen ein Tor aberkannt worden war. "Es ist richtig, dass wir (...) das Momentum für uns hätten nutzen sollen", sagte BVB-Trainer Marco Rose, schließlich kam die Hertha gerade von einer peinlichen 0:4-Niederlage bei Mainz 05 zurück. Tat die Borussia aber nicht. Stattdessen steckte sie die Hände in die Hosentaschen, jedenfalls im übertragenen Sinne, ganz so wie es Coach Rose so oft im Wortsinn tut, wenn er an der Seitenlinie steht. Die Folge: Die Hertha enteilte. "Wir führen bei schwierigen Bedingungen mit 1:0 und schenken dann Tore her", ärgerte sich Rose.

Borussia Dortmund: Ein Tor und drei Vorlagen: Julian Brandt (links) brachte erst den BVB in Führung und half dann kräftig mit, dass die Hertha das Spiel drehen konnte.

Ein Tor und drei Vorlagen: Julian Brandt (links) brachte erst den BVB in Führung und half dann kräftig mit, dass die Hertha das Spiel drehen konnte.

(Foto: Dennis Ewert/RHR-Foto/imago)

Die Führung (die unter anderem auf zwei klare Chancen von Marco Reus folgte), fabrizierte Julian Brandt mit einem samtweichen Schlag gegen den Ball, der über Herthas Torwart Alexander Schwolow hinwegflog (31.). Nach der Pause war es ebendieser Brandt, der so viel für Herthas Comeback tat, dass man es kaum glauben mochte. Vor dem zwischenzeitlichen Ausgleich verlor er einen Ball im Mittelfeld - wobei zu seiner Ehrenrettung zu sagen wäre, dass der spätere Torschütze Ishak Belfodil von den rund 450 Bundesligaspielern, die schneller sind als Axel Witsel, wohl noch gestellt worden wäre, ehe er den Ball unter dem auch noch unglücklich herauslaufenden Ersatztorwart Marwin Hitz schieben konnte.

Vor den beiden Treffern von Marco Richter - zwei satten Schüssen von der Strafraumkante - leistete sich Brandt zwei offenkundig kapitale Schnitzer. Das 2:3 des eingewechselten Steffen Tigges (83.) war am Ende nicht weiter der Rede wert, weil sich die Dortmunder nach der Pause mit der gleichen Intensität über den Rasen bewegten, mit der man über den Weihnachtsmarkt schlendert. "Jetzt schleppen wir eine Niederlage mit durch den Urlaub", ärgerte sich Rose, und versuchte dann doch, versöhnliche Töne anzuschlagen - oder von der Presse einzufordern, ganz klar war das nicht. "Nicht vergessen: Wir sind Tabellenzwoter!", rief Rose.

Nur: Neun Punkte Abstand auf Bayern sind mit Blick auf die zu Saisonbeginn proklamierten Träume und Ansprüche (laut Rose: "Die Bayern ärgern!") überaus ernüchternd. Zumal der BVB in einer nicht sonderlich starken Gruppe aus der Champions League ausgeschieden ist. Sorgen muss sich Rose nicht machen, er habe "die komplette Rückendeckung, das komplette Vertrauen", betonte Watzke. Obschon auch ihm nicht entgangen sein dürfte, dass die gleiche Mannschaft - mit Ausnahme des nach Manchester abgewanderten Jadon Sancho - vor einem halben Jahr, als sie in Berlin den DFB-Pokal gewann, unter Trainer Edin Terzic noch völlig anders auftrat. Oder dünkt Watzke, dass sich die Defensive mit Spielern wie Meunier, Schulz, Wolf, Can und Pongracic auf einem anderen Level bewegt als die Offensive?

Watzke bestätigt das Interesse von Real Madrid an Haaland

Vielleicht gibt das auch dem am Samstag schweigsamen Erling Haaland zu denken. Vor Angeboten kann er sich schon länger nicht retten. Watzke sprach von einem verbürgten Interesse des spanischen Rekordmeisters Real Madrid, der ruinierte FC Barcelona sucht nach Wegen, doch noch einen unwahrscheinlich anmutenden Transfer zu bewerkstelligen, und englische Topteams gibt es auch noch. Das heißt nicht, dass der bis 2024 gebundene Haaland schon weg ist. Der BVB wolle um Haaland kämpfen und im Zweifelsfall "auch 2,50 Euro mehr" zahlen, um den Norweger von einem Verbleib zu überzeugen, sagte Watzke. Manager Zorc wiederum ließ erkennen, dass Haaland unter bestimmten Umständen - also im Falle der Zahlung einer Ablösesumme von 2,5o Euro plus X - im Sommer den Verein verlassen dürfe.

Man werde sich nach dem Jahreswechsel mit Haaland zusammensetzen, sagte Zorc am Samstag. Vor der Niederlage also, und damit lange vor dem Augenblick, da man zumindest den Gedanken in Betracht ziehen musste, dass Haaland für sich eine Entscheidung getroffen haben könnte.

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