Haaland bei Borussia Dortmund:Wechselgelüste oder doch nur eine Formkrise?

Lesezeit: 3 Min.

Tropfte an den Abwehrspielern von Manchester City nur so ab: Erling Haaland. (Foto: AFP)

Das bittere Aus in der Champions League beschäftigt den BVB noch immer - ebenso der aktuelle Leistungsstand von Erling Haaland.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Im leeren Stadion von Dortmund fühlte sich die Ungerechtigkeit nicht so an wie in Fernsehstudios und auf Wohnzimmer-Sofas. Zu sehr hat man sich an das Warten auf die minutenlangen Video-Entscheidungen gewöhnt und an die VAR-Gerichtsbarkeit in entrückten Schiedsrichter-Kellern, die immer neue Rätsel aufgibt. Im Stadion gelang es Borussia Dortmunds Trainer Edin Terzic trotzdem, die Contenance zu wahren: "Ich sag mal so: Großes Glück haben wir in den beiden Spielen mit den Entscheidungen nicht gehabt."

Eine Fehlentscheidung hatte am Mittwochabend den 2:1-Sieg von Manchester City in Dortmund zumindest begünstigt. Wie schon beim Hinspiel in der Woche zuvor, als ein reguläres Tor von Jude Bellingham vom rumänischen Schiedsrichter nicht gegeben wurde, vor allem auch deshalb, weil der verhindert hatte, den sogenannten Videobeweis überhaupt anzusehen. Dortmund verlor das Hinspiel mit 1:2. Dieses Mal ließ der spanische Schiedsrichter Carlos Del Cerro Grande seinen Handelfmeterpfiff gegen Dortmund sehr wohl von den Video-Kollegen nachprüfen. Es dauerte - und am Ende kam eine vermutlich regelwidrige Entscheidung heraus. Im Studio des übertragenden Fernsehsenders Sky führte das zu turbulenteren Reaktionen als im Stadion beim artigen BVB-Trainer Terzic.

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Wie im Hinspiel leitet der Nationalspieler auch im Viertelfinal-Rückspiel gegen ManCity den entscheidenden Moment ein - der Borussia bleibt nach dem 1:2 nur ein kleiner Trost.

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"Der Elfmeter hätte nie gegeben werden dürfen. Den Dortmundern wurde ganz übel mitgespielt", regte sich Sky-Experte und Ex-Nationalspieler Didi Hamann auf. Es sei eine "skandalöse Entscheidung" gewesen. Und auch Hamanns Co-Experte, der ehemalige Bundesligatrainer Ewald Lienen, redete sich in Rage, weil der "Interpretationsspielraum", den sich das Schiedsrichterwesen seit Einführung der Video-Rechtsprechung einräume, "aberwitzig" und "geisteskrank" sei.

Hamann korrigierte Lienen daraufhin: "Es gibt da keinen Interpretationsspielraum. Die Regel ist klar: Spielt der Spieler den Ball zuerst mit dem Kopf und springt er ihm dann noch an den Arm oder die Hand, ist das ausdrücklich kein Elfmeter." Der Kicker wies am Donnerstag allerdings daraufhin, dass es eine Anweisung der Uefa gebe, wonach in solchen Fällen unter Umständen doch ein Pfiff erfolgen könne - wenn sich der Arm schon vor dem Abwehrversuch in einer verbotenen Position befand.

Der Elfmeterpfiff ändert die Tektonik des Spiels

Hauptdarsteller der Szene war Emre Can, der in der 54. Minute eine Flanke im eigenen Strafraum mit dem Kopf abwehrte, wobei der Ball Sekundenbruchteile später aber auch den eigenen - und eben weit abgespreizten - Arm berührte. Die Handregel, an der die Regel-Kommissionen sich seit ein paar Jahren abarbeiten, wird ständig verschlimmerbessert, aber klar ist schon länger, dass beim sogenannten Anschießen aus kurzer Entfernung grundsätzlich kein Handspiel gepfiffen werden soll. Can selbst klagte später: "Ich glaube, in den Regeln steht es so, dass es dann kein Elfmeter ist. Das ist bitter. Schon im Hinspiel wurde uns ein Tor weggenommen." BVB-Sportchef Michael Zorc klagte am Donnerstag gegenüber der Agentur sid, dass zu vieles "völlig fußball-fremd" sei, was derzeit in Sachen Regeln und VAR veranstaltet werde.

Bis dahin, bis zum Pfiff von Del Cerro Grande, hatte Manchester City sich die Zähne an Dortmunds Defensive ausgebissen. Durch ein Tor des 17-jährigen Jude Bellingham führte der BVB seit der 15. Minute mit 1:0. Das hätte, angesichts der Europacup-Arithmetik, Dortmund ins Halbfinale der Champions League befördert und nicht die favorisierte Mannschaft von Pep Guardiola. "Bis zu dem Elfmetertor haben wir es gut gemacht", fand auch BVB-Kapitän Marco Reus. Manchester machte das Spiel und passte und passte, fand aber kaum durch die dichte BVB-Defensive hindurch - trotz aller Klasse und Präzision.

Der Elfmeterpfiff aber änderte die Tektonik des Spiels, denn nun hatte Manchester City sein Auswärtstor. Dortmund hätte jetzt 3:1 gewinnen müssen, um weiterzukommen. Dass Guardiolas mit viel arabischen Petro-Dollars zusammengekaufte Truppe eine hohe fußballerische Qualität hat, war schon vorher klar. Eine B-Note für den künstlerischen Wert gibt es im Fußball allerdings nicht - deshalb hat Dortmund in der laufenden Saison so viele Bundesliga-Punkte gegen schwächere Gegner verloren, deshalb verlor Manchester City am letzten Sonntag gegen Aufsteiger Leeds United mit 1:2.

In die heutzutage immer feinere Balance von Spielen greifen VAR-Entscheidungen massiv ein, und man hat das Gefühl, dass die Regelverwalter dieser enormen Verantwortung nicht immer gewachsen sind. Dass in der 75. Minute Phil Foden noch den Siegtreffer zum 2:1 erzielte, entsprach dann der Logik des Fußballs. Wegweisende Entscheidungen sind oft nicht mehr wieder gut zu machen.

Erling Haaland bleibt erneut unter seinem Limit

Erkennbar war bei Fodens Distanzschuss ins kurze Eck allerdings auch, dass Dortmund ein Torwartproblem hat. Schlussmann Marwin Hitz sah dabei höchst unglücklich aus, nicht zum ersten Mal. Den anderen Torwart, Roman Bürki, jahrelang die Nummer 1, hat Übergangs-Trainer Edin Terzic nach einer Verletzungspause vorerst ausrangiert. Die meisten in Dortmund sind sich einig, dass keiner der beiden Schweizer den Ansprüchen eines Klubs genügt, der regelmäßig unter die besten Acht in Europa will.

Auch sonst blieben etliche Dortmunder erkennbar unter ihren Leistungs-Limits. Allen voran Erling Haaland, den die beiden City-Verteidiger Dias und Stones in aller Regel nur so abtropfen ließen. Man rätselt in Dortmund noch, aber es dürfte wohl keine Leistungs-Blockade aus Wechsel-Gelüsten sein, sondern die normale Formkrise eines 20-Jährigen, dem gerade erstmals seine Grenzen aufgezeigt werden. Viel zu unkomplett wirkt der Norweger noch, um schon jetzt in einem Atemzug mit den Lewandowskis und Mbappés genannt zu werden. Sportchef Zorc ließ schon vor dem Spiel wissen, dass die Weiterentwicklung von Haaland auch in der kommenden Saison weiter beim BVB stattfinden müsse. Ob Haaland dabei wieder in der Champions League spielen darf, ist allerdings mehr als fraglich.

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