Borussia Dortmund:Dritte Halbzeit im Burgerladen

BVB - Mats Hummels beim Testspiel gegen den FC Liverpool

Divock Origi gegen Mats Hummels (li.) - Dortmunds Neuer spielte gleich mit im Test gegen Liverpool

(Foto: AFP)
  • Die USA-Reise von Borussia Dortmund endet voller Zufriedenheit für Verein und Spieler.
  • Mit einem Testspielsieg gegen den FC Liverpool liefert der BVB auch sportlich ein hervorragendes Ergebnis.
  • Doch was wird aus Spielern wie Guerreiro, Schürrle oder Kagawa?

Von Jonas Beckenkamp

Gäbe es eine Art Wettbewerb für reisefreudige Fußballteams, wäre Borussia Dortmund wohl der Sieger dieses Sommers. Eine knappe Woche ist der Klub nun durch die USA getourt, hat 18 000 Reisekilometer zurückgelegt, mehrere Zeitzonen durchquert und mindestens ebenso viele Marketingtermine absolviert.

Trotz all der Strapazen herrscht beim BVB dieser Tage einvernehmliche Zuversicht. Selbst eine heftige Unwetterlage in Chicago, die den Heimflug um fast zwei Stunden verzögerte, konnte dem Dortmunder Stimmungshoch nichts mehr anhaben. Kein Wunder, schließlich hat das Team von Trainer Lucien Favre in einem Testspiel den amtierenden Champions-League-Sieger FC Liverpool mit 3:2 besiegt.

Favre selbst hielt sich mit einer Bewertung zurück, dafür fand Kapitän Marco Reus lobende Worte: "Das ist eine Charaktersache, da gehört Willensstärke dazu. Wir haben die Aufgabe mit Bravour bestanden." Seiner Meinung nach diente die Partie gegen Klopps Liverpooler auch dem Teambuilding. Mut, Vertrauen, Selbstbewusstsein: Diese Attribute habe man für die kommende Saison hinzugewonnen. Das zeigte sich auch im Hitzekampf gegen Liverpool in South Bend, bei dem Paco Alcácer, Thomas Delaney und Jacob Bruun Larsen trafen.

Dass der BVB vor allem teamintern einen Prozess des Zusammenfindens beschreitet, verdeutlichte schließlich auch die dritte Halbzeit des Liverpool-Tests. Die fand - klassisch amerikanisch - beim Burger-Essen in einem Fastfoodladen statt. Und zwar ausnahmsweise ungeachtet aller sonstigen Ernährungsvorgaben.

Auch Jürgen Klopp gerät ins Schwärmen

Auf dem Platz hatte es zuvor erste Eindrücke einer Mannschaft mit neuer Wucht gegeben, und zwar sowohl beim 3:1 im ersten Freundschaftskick bei den Seattle Sounders als auch gegen Liverpool. Dass Potenzial da ist, das wissen sie ohnehin bei der Borussia, und hinzukommt, dass die Verantwortlichen den Kader deutlich aufgemöbelt haben "Der BVB ist auf allen Positionen mit höchster Qualität besetzt. Es ist sehr eindrucksvoll, was sie machen", schwärmte auch Jürgen Klopp.

Ob der BVB in der kommenen Bundesliga-Saison sogar sein Titelfavorit ist, ließ er aber offen: "Ich will sie nicht zu sehr loben, denn es könnte ja sein, dass auch einige Deutsche zuhören und der Druck auf sie damit steigt. Das ist nicht meine Absicht." Der Druck dürfte in den kommenden Monaten aber ohnehin da sein, hat schließlich Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke erstmals seit Jahren den Titel als Saisonziel ausgerufen.

Der BVB hat einen Riesenkader

Anders als die Bayern, die derzeit nur 17 Feldspieler in ihrem Profikader haben, ist der BVB zumindest ziemlich breit aufgestellt. Am Ende vielleicht sogar zu breit? Störgeräusche sind bei einem Kader mit mehr als 30 Profis zumindest nicht ausgeschlossen. Nicht zuletzt deshalb brachte Favre noch in Amerika seine Vorstellungen über eine ideale Kadergröße zum Ausdruck: "30 Spieler? Das ist unmöglich! 22, 23 Feldspieler maximal. Dazu die drei Torhüter - und noch ein paar junge Spieler." Klare Worte, die zeigen: Beim BVB könnte sich auch nach dem Weggang von Abdou Diallo zu Paris Saint-Germain durchaus noch was tun.

Verantwortlich für eine mögliche Entschlackung des Kaders wäre Sportdirektor Michael Zorc, der nach den Zukäufen von Nico Schulz (Hoffenheim), Thorgan Hazard (Mönchengladbach), Julian Brandt (Leverkusen), Mats Hummels (München) und Mateu Morey (Barcelona) wohl noch etwas herumbasteln wird. Für entbehrlich scheinen sie in Dortmund derzeit den Offensivmann Maximilian Philipp zu halten: Der frühere Freiburger reiste zwar mit in die USA, durfte aber bei keinem Testspiel auflaufen. Schon die kommenden Tage könnten zeigen, ob sich etwa ein Transfer zum VfL Wolfsburg realisieren lässt.

Weitere Verkaufskandidaten sind Raphaël Guerreiro (an dem wohl ebenfalls Paris Saint-Germain interessiert ist), André Schürrle (für den es offenbar keine adäquaten Offerten gibt) und Shinji Kagawa (ihn zieht es wohl nach Spanien). Die beiden Letztgenannten sind auf dem Transfermarkt derzeit aber schwer zu vermitteln: zu teuer einerseits, zu fraglich ihr Potenzial nach für sie schwierigen Jahren andererseits.

Wirklich Sorgen machen muss man sich beim BVB aber nur um einen: Coach Lucien Favre. Für einen Tüftler wie ihn waren die ereignisreichen Tage in den USA zur Vorbereitung auf die Saison wohl kein ausgewiesener Spaß. Dennoch verkniff sich der Schweizer jegliche Nörgelei. "Ich habe mich gefreut, viel Natur zu sehen, viele Seen. Ich habe kein Problem damit, es gibt Schlechteres", kommentierte er Fragen nach den Reisestrapazen. Nach Einschätzung der Vereinsbosse bleibt dem Coach in den kommenden Wochen genug Zeit, am Feinschliff für sein Team zu arbeiten. Kapitän Reus aber fasste es bei der Rückkehr nach Deutschland wohl treffend zusammen: "Wir freuen uns, dass wir wieder zu Hause sind und richtig arbeiten können."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: