Thomas Tuchel war blass. Dortmunds Trainer wirkte in sich gekehrt, als er nach dem Ausscheiden aus der Champions League auf dem Podium des Presseraums im Stade Louis II von Monaco Platz nahm, um die richtigen Worte zu finden. Es sind ereignisreiche Tage mit vielen Emotionen, die hinter Borussia Dortmund liegen. Acht Tage nach dem Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus fällt es immer noch schwer, den Fußball in den Fokus zu rücken.
Ein wirklicher Maßstab seien die 180 Minuten gegen überlegene Monegassen deshalb nicht, befand Tuchel bei seiner Analyse der beiden Begegnungen, die mit 2:3 und 1:3 verloren gingen. Der Coach wirkte sichtlich mitgenommen, er bat um Fairness, man müsse aufpassen, angesichts der traumatischen Ereignisse rund um den Anschlag "diese beiden Spiele zu hoch zu bewerten". Sein Team habe sich "bis vor acht Tagen bereit gefühlt, dieses Champions-League-Viertelfinale zu gewinnen. Danach haben sich die Rahmenbedingungen dramatisch verändert."
Der Plan, aus dem Anschlag auf das Leben Energie zu ziehen und eine Jetzt-erst-recht-Mentalität zu entwickeln, funktionierte nicht. Hinzu kam, dass der Bus auch vor dem Rückspiel in Monaco von der Polizei gestoppt wurde, die Mannschaft eine Viertelstunde ohne nähere Informationen der Polizei ausharren musste, was für einige Spieler schwer zu ertragen gewesen sein muss.
"Wir haben nicht so frei gespielt, wie wir uns das vorgenommen haben", sagte Mittelfeldspieler Julian Weigl. De facto hatte der BVB an diesem Abend in Monaco zu keinem Moment die Ausstrahlung, über sich hinauswachsen zu können, um das große Ziel mit einer Energieleistung doch noch zu verwirklichen. "Unglücklicherweise", so Tuchel, "hatten wir nicht die Qualität, die Energie und das Glück."
"Wir haben sehr fehlerhaft begonnen"
Stattdessen stand ein Abwehrverbund auf dem Platz, der für gehobene europäische Weihen nicht infrage kommt. Es waren schlimme Schnitzer, die sich Lukasz Piszczek, der wieder einmal überforderte Matthias Ginter und auch Torhüter Roman Bürki vor dem ersten Gegnertor leisteten. "Wir haben sehr fehlerhaft begonnen, das hat sich durch das Spiel gezogen", sagte Tuchel.
BVB in der Einzelkritik:Bartra hält die Ansprache
Der beim Anschlag verletzte Abwehrspieler versucht sich als Mutmacher, seine Mitspieler leisten sich zu viele Patzer - insbesondere Bürki und Ginter. Der BVB in der Einzelkritik.
Und Marco Reus ergänzte: "Wir hatten die Zuordnung bei den Flanken nicht." Vielleicht sei es ja so gewesen, mutmaßte Bürki, "dass wir uns zu viel aufs Toreschießen konzentriert und dabei das Toreverhindern vergessen haben". Die Folge war, dass die Borussia schon nach einer Viertelstunde 0:2 zurücklag. "Für den Kopf war das natürlich schwierig, so zu starten", sagte Marco Reus: "Danach fehlten Kraft und Willen, um das Ding noch umzubiegen."
Dazu kam, dass auch Tuchel in seinem 100. Pflichtspiel mit dem BVB nicht seinen glücklichsten Auftritt hatte. Zum Beispiel bei der Entscheidung, Erik Durm nach einmonatiger Verletzungspause direkt in die Startformation zu beordern. Der Weltmeister ohne Einsatzminute schien komplett überfordert und wurde von seinem Trainer schon nach einer knappen halben Stunde erlöst. "Erik war der Leidtragende", sagte Tuchel, "das nehme ich auf mich. Aber er hat im Training einen sehr frischen Eindruck gemacht."
Fragwürdig war auch die Maßnahme, mit Nuri Sahin den besten Dortmunder Spieler aus taktischen Erwägungen in der Halbzeit aus dem Spiel zu nehmen. Schon vorher hatte Tuchel an der Mission gezweifelt und sich selbst gefragt: "Ist das der Abend, an dem wir es möglich machen können?" Die Antwort war ein klares "Nein".
Damit ist nach Bayern München auch der letzte deutsche Klub in der Königsklasse gescheitert, was insofern bemerkenswert ist, weil die Bundesliga erstmals seit 2009 im Halbfinale außen vor ist. Sechs Mal schafften es die Bayern unter die letzten Vier, dazu der BVB (2013) und der FC Schalke 04 (2011). Höhepunkt war das rein deutsche Finale zwischen Bayern und Dortmund 2013 in Wembley.
Nun also der Tiefpunkt? Die Bundesliga, die sich gern für ihr Niveau und ihre Ausgeglichenheit feiert, ist nur biederer Durchschnitt? Das soll nicht so bleiben. Zumindest, wenn man Marcel Schmelzer Glauben schenkt. Bevor er in den wartenden Mannschaftsbus stieg, betonte der Kapitän des BVB, für viele der jungen Spieler seien es die ersten Gehversuche auf diesem Niveau gewesen. Schritte, aus denen die richtige Lehren zu ziehen seien. "Jeder von uns", so Schmelzer, "hat den Anspruch, in der nächsten Saison wieder da zu spielen."