BVB im Viertelfinale der Champions League:Genervt vom Gemecker aus der Kurve

Borussia Dortmund v FC Zenit - UEFA Champions League Round of 16

Gedämpfte Freude: Trotz des 1:2 gegen St. Petersburg steht der BVB im Viertelfinale der Champions League.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Erneut ist Borussia Dortmund unter den besten acht Teams Europas dabei - doch nach dem 1:2 gegen Sankt Petersburg beschweren sich die Spieler über die Erwartungshaltung einiger Fans. Es zeigt sich, dass die Ansprüche an Jürgen Klopps Mannschaft trotz der elenden Verletzungsmisere gestiegen sind.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Der Busfahrer, der die Mannschaft von Zenit Sankt Petersburg durch Dortmund zum Stadion kutschiert hatte, glaubte genau zu wissen, wie sich die Kräfteverhältnisse am Abend verteilen würden. Immerhin ist er der russischen Sprache mächtig und hatte mitbekommen, wie sich die Profis auf die tolle Kulisse und das Erlebnis unter Flutlicht freuten. Das alles in völlig entspannter Atmosphäre, zu holen gäbe es nach der mehr als eindeutigen 2:4-Niederlage im Hinspiel beim zweiten Kräftemessen im Ruhrgebiet ja ohnehin nichts.

Da hat der gute Mann ganz offenbar nicht richtig hingehört, weil er mit dem Verkehr oder anderen Dingen beschäftigt war. Denn als der Ball rollte, entpuppte sich die Annahme, die Gäste aus Russland würden die Dienstfahrt ins Ruhrgebiet in erster Linie unter touristischen Aspekten angehen, als Trugschluss. Zenit gewann die Partie bei Borussia Dortmund mit 2:1 (1:1) und schied dadurch zwar aus, darf die europäische Bühne allerdings voller Stolz verlassen.

Dieser Gegner sei nun mal "keine Laufkundschaft", betonte Trainer Jürgen Klopp, der im Umfeld seines Klubs und in den Medien den "mangelnden Respekt vor dem russischen Fußball" beklagte. Dabei habe sich seine Mannschaft an diesem Abend mit einer "unfassbar talentierten und körperlich robusten Mannschaft" messen müssen. Das war dann doch ein wenig dick aufgetragen, doch die Kloppsche Intention lag auf der Hand: Der Trainer findet die Leistung seines Teams zu wenig gewürdigt, die sich vom chronischen Verletzungspech gebeutelt bis unter die besten acht des Kontinents gekämpft hat.

Dass dabei die spielerische Leichtigkeit und die beschwingte Aura der mitreißenden vergangenen Saison weitgehend auf der Strecke geblieben sind - Schwamm drüber. "Wir müssen als Borussia Dortmund lernen, dass sich ein ganz großartiger Erfolg manchmal hinter einer 1:2-Niederlage versteckt." Diese Sicht der Dinge kommt dem 46-Jährigen ganz offensichtlich zu kurz in einem Umfeld, das seiner Meinung nach zu kritisch mit den Darbietungen seiner Mannschaft umgeht.

In Hans-Joachim Watzke hat er da einen weiteren Fürsprecher: "Gemessen an Borussia Dortmunds wirtschaftlichen Möglichkeiten ist die Zugehörigkeit zu den acht besten Mannschaften Europas nach wie vor ein kleines Fußball-Wunder", sagte der Geschäftsführer. Beim BVB sehen sie sich im Konzert der kontinentalen Elite immer noch als Zaungast: "Im Viertelfinale der Champions League ist die Crème de la Crème des europäischen Fußballs", sagt Klopp. "Und wir."

Auch Klopps Spieler kamen mit der wenig orgiastischen Atmosphäre im Dortmunder Stadion nicht gut klar. Die größte Arena der Republik wird für ihr einzigartiges Flair gerühmt, noch beim Heimspiel gegen Mönchengladbach feierte sich der BVB selbst, weil er den einmillionsten Besucher dieser Saison begrüßen durfte und damit den Status als Zuschauerkrösus Europas festigte. Doch nach dem wenig mitreißenden Kick gegen Sankt Petersburg wollte die übliche Verbrüderung zwischen der Mannschaft und ihren Fans nicht so recht klappen. Alles in allem war die Stimmung eher unterkühlt.

Profis fühlen sich nicht genügend unterstützt

Das hatte seinen Ursprung nicht in erster Linie in dem Umstand, dass die Borussia verloren hatte und nur aufgrund des 4:2-Erfolgs in der ersten Partie weitergekommen war. Dortmunds Profis fremdeln derzeit mit ihren Fans, die für sie eigentlich ein Heiligtum darstellen. Sie fühlten sich in der zweiten Halbzeit nicht genügend unterstützt, hatten gar ein Murren aus der Kulisse wahrgenommen. Und das ging ihnen gehörig gegen den Strich angesichts der Tatsache, dass sie mit ihrer arg dezimierten Mannschaft gerade einen beachtlichen Erfolg erreicht hatten.

Als Erstes zeigte Kapitän Sebastian Kehl sein Unverständnis. Der Kapitän hatte mit seinem Kopfballtor zum 1:1 - seinem ersten Champions-League-Tor überhaupt - sein Team im Spiel gehalten, nun bemängelte er, dass seine Leistung und die seiner Mitstreiter nicht genügend gewürdigt werde: Er könne "die trübe Stimmung im Stadion nicht ganz verstehen", betonte der Routinier, "eigentlich können jetzt alle ein Lächeln aufsetzen, denn wir haben verdient das Viertelfinale erreicht". Um dann mit süffisantem Lächeln hinzuzufügen: "Die Leute hätten wohl lieber ein 6:1 gesehen." Die eingefleischten Fans auf der Südtribüne nahm Kehl von seiner Kritik explizit aus, "die unterstützen uns immer".

Mittelfeldakteur Nuri Sahin sah das ähnlich: "Ich will jetzt nichts Falsches sagen, aber ich habe das Gefühl, dass wir uns entschuldigen müssen, dass wir unter den letzten acht sind. Einige im Stadion hatten das Gefühl, und das stört uns. Das stört mich." Immer wieder verweisen Sahin und seine Mitstreiter auf die Verletzungsmisere, mit der die Borussia seit Monaten zu kämpfen hat. Unter diesen Umständen sei es ein riesiger Erfolg, erneut so weit gekommen zu sein: "Das sollte man sich mal vor Augen führen", sagt Sahin, "und das sollte man auch mal honorieren."

Die reinen Zahlen geben dem Türken durchaus recht. Der BVB ist in Europa noch dabei, auch wenn der Preis hoch ist: Robert Lewandowski muss im Viertelfinal-Hinspiel eine Gelbsperre absitzen, Marcel Schmelzer fällt mit einer Adduktorenverletzung auf unbestimmte Zeit aus. "Da hat etwas geknackt, das hat sich nicht gut angehört", sagte Klopp besorgt. Tags darauf bestätigten sich die bösen Vorahnungen: Schmelzer dürfte mindestens vier Wochen fehlen.

Dennoch geht es noch eine Runde weiter, was von der Uefa mit einer Prämie von 3,9 Millionen Euro honoriert wird. Zudem steht der Revierklub im DFB-Pokal im Halbfinale und wird in der Bundesliga trotz mancher Wackler immer noch auf Rang zwei notiert. "Unsere Saison ist nicht so schlecht, wie mancher sie macht", erklärte Kapitän Kehl.

Der Mann, der beim BVB seit jeher den besten Draht zu den Anhängern hat, ist Kevin Großkreutz. Das Urgestein stand mit vier Jahren zum ersten Mal in der Gelben Wand, nun redete er Klartext: "Das gefällt mir überhaupt nicht im Moment, dieses Gestöhne nach jedem Ballverlust. Irgendwann reicht es. Das ist nicht fair von den Fans auf den Sitzplätzen. Die sollen uns nach vorne peitschen, wie die Jungs von der Südtribüne."

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