Es ist nicht so, als käme das Urteil überraschend. "Nie wieder Hoffenheim" war eine dann doch recht klar prognostizierende Liedzeile der BVB-Fans beim Auswärtsspiel in Sinsheim im vorigen Dezember. Es wussten ja alle, dass sie wegen ständiger Beleidigungen gegen den TSG-Mäzen Dietmar Hopp auf Bewährung sind, in der Kurve tauchten aber trotzdem Plakate auf, die keinen Interpretationsspielraum ließen: "Wir wünschen allen ein frohes Fest - und dir dein letztes!" Der DFB-Kontrollausschuss hatte keine andere Wahl, er setzte die Bewährung aus. Nun dürfen BVB-Fans erst 2023 wieder die Arena in Sinsheim betreten, ein Einspruch des Klubs ist angesichts der Faktenlage unwahrscheinlich.
Diese Strafe ist einmalig im deutschen Fußball, und sie ist deswegen einmalig, weil sich einige BVB-Fans im Konflikt mit Hopp verrannt haben. Viele Anhänger waren oder sind der Meinung, dass persönliche Beleidigungen ein legitimes oder gar legales Mittel der Diskussionsführung in Fußballstadien sind. Wohl zur Überraschung dieser Fans ist das nicht so - auch wenn es sich in manchen Kurven etabliert hat, wahllos zu schimpfen. Noch weniger hinzunehmen ist allerdings, wenn auch nur anspielend mit Morddrohungen hantiert wird. Das Konterfei des SAP-Gründers hinter einem Fadenkreuz tauchte ja zweimal im Block auf. Beim ersten Mal entschuldigte sich der Urheber noch bei Hopp, beim zweiten Mal wussten die Fans ziemlich genau, was sie tun.
DFB-Urteil:Ein bisschen Kollektivstrafe
Das DFB-Sportgericht verhängt gegen BVB-Fans nach den Hopp-Anfeindungen ein Stadionverbot auf Bewährung. Richter Lorenz empfiehlt zudem Schiedsrichtern, Spiele bei Schmähgesängen schneller abzubrechen.
Einige BVB-Anhänger argumentieren, dass sich der Konflikt zu dem Zeitpunkt schon hochgeschaukelt hatte. 2011 beschallte die TSG den Dortmunder Auswärtsblock mit Hochfrequenztönen und sagte danach, das habe ein Hausmeister in Eigenregie gemacht. Später zeigte Hopp einzelne Fans wegen Beleidigung an; viele Anhänger sagten daraufhin, da lege sich ein Milliardär mit dem kleinen Mann an. Außerdem protestiere man ja nur mit den zur Verfügung stehenden, überspitzenden Mitteln gegen ein abzulehnendes Konstrukt. Und der Vollzug der Kollektivstrafe sei nun ein Wortbruch des DFB, der angekündigt hatte, auf diese Form der Sanktion verzichten zu wollen.
Der Punkt ist: Das ist nicht mehr der Punkt. Wer Menschen hinter Fadenkreuzen zeigt oder ihnen ihr letztes Fest wünscht, der verlässt den gemeinsamen Boden, auf dem man über was auch immer diskutieren kann. Man kann etwas nicht gut finden, man kann das auch lautstark kundtun - aber jemanden symbolisch ins Visier einer Schusswaffe nehmen, das kann man nicht. Das ist keine Zuspitzung, das ist strafbar, und genau da verläuft dann eben die Grenze.
Natürlich ist diese Überschreitung der Anstandslinie von einigen Fans einkalkuliert, aber sie spielen ein Spiel, das sie nicht gewinnen können. Wenn die Schmähungen, etwa bei Heimspielen, auf dem gleichen Level weitergehen sollten, dann kann der DFB auch zum Mittel des Punktabzugs greifen. Es wäre natürlich schön, wenn vorher ein Nachdenken einsetzen würde.