BVB-Gegner Schachtjor Donezk:Wo die Regierungspartei das Sagen hat

Die Fußball-Landschaft in der Ukraine wandelt sich rund um Dortmunds Gegner Schachtjor Donezk radikal. In kaum einem anderen europäischen Land ist der Fußball so sehr mit Politik und Wirtschaft verflochten. Donezk profitiert davon sehr.

Von Johannes Aumüller

Die Winterpause dauert in der Ukraine immer ein wenig länger als in Westeuropa. Noch bis zum 2. März dürfen die meisten Klubs pausieren, nur die verbliebenen Europapokal-Teilnehmer müssen bereits in dieser Woche antreten - so wie der nationale Dauer-Meister Schachtjor Donezk, der an diesem Mittwoch (20.45 Uhr) im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League auf Borussia Dortmund trifft. Doch die Spielpause bedeutet nicht, dass es im ukrainischen Fußball gerade ruhig zugeht. Stattdessen spürt er die Folgen von Auseinandersetzungen, die sich innerhalb der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes abspielen.

In kaum einem anderen europäischen Land ist der Fußball so sehr mit der Politik und der Wirtschaft verflochten wie in der Ukraine. Hinter nahezu jedem Klub steht ein Oligarch oder ein Abgeordneter, zusätzliche Verflechtungen der Vereine untereinander sind keine Seltenheit. Doch in dem seit geraumer Zeit tobenden Machtkampf zwischen der aktuellen Staatsführung um den Präsidenten Viktor Janukowitsch, Vertretern der alten Oligarchie sowie jüngeren aufstrebenden Geschäftsmännern verschieben sich die Gewichte - und so kommt es gerade in der ukrainischen Liga auffallend häufig zu Besitzerwechseln. "Oligarchen im Abseits", titeln ukrainische Medien bereits.

Ende des vergangenen Jahres veräußerte Alexander Jaroslawskij seinen Klub Metallist Charkow an einen bis dahin weitgehend unbekannten Geschäftsmann namens Sergej Kurtschenko, der erst 27 Jahre alt ist, den aber eine enge Freundschaft mit dem Sohn von Janukowitsch verbinden soll; der Verkäufer sprach jedenfalls von einem "beispiellosen psychologischen Druck". Dann verkaufte Wadim Rabinowitsch das verschuldete Arsenal Kiew an Alexander Onischenko, der international vor allem bekannt ist, weil er ein großer Pferde-Fan ist und sogar schon bei Olympischen Spielen startete; die Mitgliedschaft in Janukowitschs Partei der Regionen dürfte dem 43-Jährigen bei dem Deal nicht geschadet haben.

Ein anderer Parteigänger des Präsidenten sicherte sich den Klub PFK Alexandrija, der nächstes Jahr in der Premjer-Liga spielen könnte. Auch das weitere fußballerische Engagement von Igor Kolomojskij, der offiziell nur Dnjepr Dnjepropetrowsk besitzt, über Geschäftspartner allerdings auch noch zwei andere Vereine kontrolliert, ist ungewiss - er zählt zu den etabliertesten Oligarchen des Landes, allerdings stecken manche seiner Firmen gerade in Schwierigkeiten. Und: Er zählt nicht zum politischen Lager des Präsidenten. Manche Beobachter spotten bereits, es fehle nicht mehr viel, und es gebe ein "Turnier der Partei der Regionen".

Nun ist die Frage, was diese Entwicklungen für Dortmunds Achtelfinal-Gegner Schachtjor Donezk bedeuten - den Klub, den Rinat Achmetow in den vergangenen Jahren zur unangefochtenen Nummer eins im Land gepimpt hat. Zwei Lesarten kursieren. Die eine besagt, dass sich in der aktuellen Gemengelage selbst Achmetow vorsehen muss. Gewiss, der gebürtige Tatare, um dessen Aufstieg sich zahlreiche dubiose Geschichten ranken, operiert von einer besonders großen Machtbasis aus.

Regisseur Willian verließ den Klub

Mit einem Vermögen von geschätzt zwölf Milliarden Euro ist er der reichste Mann des Landes, über sein weitverzweigtes Firmenimperium gehört ihm in Donezk vom schicken Fünf-Sterne-Stadion bis zum teuersten Hotel der Stadt so gut wie alles - "und auch das, was ihm nicht gehört", wie es bisweilen heißt. Nicht zuletzt sein Geld und seine Unterstützung waren es, die den ebenfalls aus Donezk stammenden Janukowitsch 2010 überhaupt ins Präsidentenamt brachten.

Doch zuletzt hat sich das Verhältnis zwischen den beiden abgekühlt. Das zeigt beispielsweise eine Episode aus dem vergangenen Jahr, die man sich in Kiew erzählt: Da soll der Staatspräsident bei einer Eloge auf seine Söhne und ein paar andere junge Geschäftsmänner angeregt haben, dieser Gruppe mehr Macht zu geben - und Achmetow soll aufgestanden sein und widersprochen haben. Auch soll dem an Geschäften interessierten Oligarchen der rigide Ton der Staatsführung gegenüber dem Westen missfallen.

Die zweite Lesart hingegen besagt, dass die zahlreichen Umwälzungen in der Liga Schachtjor in die Karten spielen und sich die Ausnahmestellung des Klubs noch verfestigen kann. In den vergangenen acht Jahren wurde er sechs Mal ukrainischer Meister, zuletzt drei Mal in Serie, und angesichts eines Vorsprung von 13 Punkten in der laufenden Saison dürfte der nächste Titel bald folgen. Auch international hat zuletzt kein ukrainischer Klub so gut abgeschnitten wie Schachtjor, das 2009 mit einem Finalsieg über Werder Bremen den Uefa-Pokal gewann und 2011 bis ins Viertelfinale der Champions League kam.

Seit Achmetow den Verein Mitte der Neunziger übernommen hat, investierte er Schätzungen zufolge fast eine Milliarde Euro in den Klub. In das Stadion, ins Trainingszentrum "Kirscha" und in die Mannschaft, die sich grob gesagt in zwei Teile aufgliedert: osteuropäische, vor allem ukrainische Nationalspieler für die Defensive und feinfüßige Brasilianer fürs Offensivspiel.

Den wichtigsten südamerikanischen Akteur musste Schachtjor im Winter allerdings ziehen lassen: Regisseur Willian wechselte für zirka 35 Millionen Euro zu Anschi Machatschkala. Als Ersatz kam aus Charkow der Brasilianer Taison für 15 Millionen Euro - es soll bei den Verhandlungen mit dem neuen Besitzer schwieriger zugegangen sein als früher.

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