Bundesliga:Dortmund spielt im Lebertran-Modus

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Dortmunds Erling Haaland (rechts) bejubelt sein Tor mit Jadon Sancho. (Foto: dpa)

Dem Tabellenzweiten Borussia Dortmund fällt gegen Fortuna Düsseldorf nicht viel ein. Doch in der Nachspielzeit trifft Erling Haaland - und Trainer Lucien Favre verletzt sich.

Von Milan Pavlovic, Düsseldorf

Platter kann man auf einem Rasen nicht liegen als die Düsseldorfer nach diesem Nackenschlag. 94 Minuten lang hatte der Abstiegskandidat den Tabellenzweiten Borussia Dortmund zermürbt, in der zweiten Halbzeit nicht eine einzige Chance zugelassen, am Ende war die Fortuna frecher, frischer, gefährlicher, hatte zwei Pfostenschüsse vorzuweisen und außerdem bewiesen, dass man Sancho, Brandt, Hazard und Haaland mit fairen Mitteln ausschalten kann - die gegnerischen Passwege waren zu, das 0:0 im Grunde sicher.

Dann kam der Ball zum Dortmunder Manuel Akanji. Nach all den kunstvollen Versuchen, die Fortuna auszuspielen, griff der Schweizer zu einem der ältesten Hausmittel des Fußball-Handbuchs: Er schlug eine softe Halbfeldflanke der Marke Willy Sagnol in die Mitte. Dort schraubte sich Erling Haaland hoch, der seit seiner Einwechslung in der 61. Minute gefühlte null Ballkontakte hatte - und der Norweger machte das, was Torjäger zu tun haben: Er nutzte die wenigen Zentimeter Freiraum, die ihm die Verteidigung ließ, und er gab dem Ball per Kopf genug Richtung und Tempo, damit dieser hinter Kastenmeier zum Siegtor ins Netz tropfte. "Good teams win bad games", sagte Haaland später trocken, bevor er verriet, wie das Wort Matchwinner in seiner Heimat heißt: "Matchvinner."

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"Ich bin nicht oft sprachlos, aber heute bin ich sprachlos", sagte Düsseldorfs Trainer Uwe Rösler, bevor er geradezu überirdisch gefasst Worte fand: "Die Mannschaft ist es gewohnt, Rückschläge wegzustecken, wie ich sie kenne, wird sie gegen Leipzig zurückkehren." Stürmer Steven Skrzybski, der zweimal nur den Pfosten traf, schaute ebenfalls optimistisch nach vorne: "Die Leistung stimmt uns positiv. Wir wollen jetzt nicht rumheulen, sondern weiter Gas geben und es aus eigener Kraft schaffen."

Das 0:1 bedeutet viererlei: Der FC Bayern wusste schon um 17.24 Uhr, dass die 30. Meisterfeier frühestens am Dienstag stattfinden würde; Borussia Dortmund ist sicher für die Champions League qualifiziert; Fortuna Düsseldorf liegt drei Spieltage vor Schluss nur noch um ein Tor vor Werder Bremen. Und Lucien Favre muss vermutlich wieder zum Arzt - der Schweizer verletzte sich beim Torjubel, anders als im Vorjahr, als zweimal der Oberschenkel betroffen war, diesmal an der Wade.

Düsseldorf kommt forsch aus der Pause

Es war nicht wirklich abzusehen, dass der Nachmittag so dramatisch enden würde. Am Rhein herrschte ein schwüles, einlullendes Klima. Die Gäste hatten den Ball von Anfang an überwiegend in ihren Reihen, ohne groß etwas damit anzufangen. Düsseldorf verriet keinerlei Schwächen im Defensivverbund, und dem BVB fiel nicht viel ein. Das ist inzwischen ein Merkmal der Dortmunder Spielweise nach der Corona-Pause: Schon gegen Schalke, in Wolfsburg und Paderborn sowie gegen die Berliner Hertha guckten sich die Schwarz-Gelben die Szenerie erst einmal an, bevor sie richtig aufs Tempo drückten. Die Passstafetten waren oft hübsch anzusehen, blieben aber ohne die Zuspitzung zum Tor hin. Goalgetter Erling Haaland saß nach mehrwöchiger Verletzungspause nur auf der Bank.

Die Düsseldorfer, die ohne ihren besten Torschützen Rouwen Hennings begonnen hatten, waren ihrerseits sehr begrenzt interessiert, sich in die gegnerische Hälfte zu begeben, als hätten sie eine Heidenangst vor Mats Hummels, der nach seiner Gelbsperre zurück war, um die Borussen-Abwehr zu orchestrieren. Und was soll man sagen: Die Fortunen hatten völlig Recht. Die einzige nennenswerte Chance des ersten Durchgangs entstand nach einer Düsseldorfer Ecke einer Kopfballabwehr von Hummels im eigenen Strafraum. Es war aber mehr Vorlage als Abwehr, über Hazard und Sancho kam der Ball in rauschendem Tempo zu Achraf Hakimi, der in der 17. Minute zentral und ganz allein auf Torwart Kastenmeier zueilte. Doch auf dem Weg wurde der 21-jährige Marokkaner nicht nur langsamer, sondern er driftete nach links - und sein Schuss prallte am linken Bein des Torwarts ab. "Das hätte uns das Leben einfacher gemacht", sagte BVB-Manager Michael Zorc. "Wir haben uns schwergetan, Chancen herauszuspielen."

Denn der Rest war Dortmunder Ballhoheit ohne Wert. Bester Mann auf dem Platz war Schiedsrichter Sascha Stegemann, der sich für eine englische Zweikampfführung entschieden hatte und deshalb eine Menge zuließ - was dazu führte, dass die Teams aufhörten zu lamentieren. Besser spielen taten sie deshalb allerdings nicht.

Wer gedacht hatte, Dortmund käme entschlossen aus der Kabine, sah sich getäuscht. Die Gäste waren nun endgültig im Lebertran-Modus angelangt. Die Fortuna hingegen war nun forscher, so als hätte man einen Blick auf die Halbzeitergebnisse geworfen und realisiert, dass ein Remis gegen Dortmund ehrenwert, aber nicht genug wäre. Plötzlich war so etwas wie Pressing zu sehen, und in der 64. Minute war die Aufregung bei den Düsseldorfern groß, weil Gäste-Verteidiger Piszczek den durchgeeilten Thommy rustikal bekämpft hatte - doch Stegemann entschied korrekt auf Vorteil, der nur deshalb verpuffte, weil Bürki den Schuss von Sobottka glänzend entschärfte. Beim direkten Gegenangriff bemühte sich Haaland um einen Abschluss, der Ball fiel über Umwege vor die Füße von Guerreiro, der volley traf. Doch der Video-Beweis erbrachte den Beleg, dass einer der Umwege der rechte Oberarm des Dortmunder Schützen war. Das Verdikt hatte etwas Salomonisches - war aber zudem einfach richtig.

Danach wirkte der Champions-League-Aspirant einfach nur platt. Die Dribblings von Hakimi und Sancho blieben auf dem trockenen Rasen stumpf, die Wege schienen entschieden zu weit zu sein - was man auch daran erkennen konnte, dass die Borussen neun Kilometer weniger rannten als Düsseldorf. Bei den Gästen machte sich bis zur Nachspielzeit kein Wechsel bezahlt. Ab der 75. Minute witterte die Fortuna ihre Chance und kam dank zweier Eingewechselter zu zwei formidablen Konterszenen. Steven Skrzybski traf mit dem rechten Innenrist den Innenpfosten (82.). Als alle auf den Abpfiff warteten, schickte Hennings in der 90. Minute seinen Kollegen Skrzybski, der sich gegen zwei Dortmunder durchsetzte und am Strafraum mit dem rechten Außenrist abschloss - an den rechten Außenpfosten.

Hatte die Fortuna den Tiefpunkt des Tages erlebt? Nein, denn dann trudelte der Ball zu Manuel Akanji.

© SZ vom 14.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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