Dortmund verliert gegen Bayern:Wieder nur fast erfolgreich

Borussia Dortmund: BVB-Trainer Lucien Favre beim Spiel gegen Bayern München

Es hat mal wieder nicht gereicht für das Team von Lucien Favre.

(Foto: REUTERS)

In einem hochklassigen Spitzenspiel fehlt dem BVB nicht viel bis zum FC Bayern - aber ein bisschen was fehlt eben. Das Muster zieht sich durchs Trainerleben von Lucien Favre. Er kündigt ein Statement an.

Von Martin Schneider

Es gehört zu den modernen Eigenarten, dass schon unmittelbar nach einem Fußballspiel nicht mehr wirklich über das Fußballspiel gesprochen wird. Es geht sofort darum, was dieses Fußballspiel nun "bedeutet", manchmal für einen Spieler, manchmal für die Liga - und nicht allzu selten auch für einen Coach. Lucien Favre weiß das, aber akzeptiert hat es der BVB-Trainer nie wirklich. Einer seiner Lieblingssatzbausteine ist "wir müssen das analysieren", meist gefolgt von einem "das ist klar" oder auch "wir müssen den vorletzten Pass besser spielen".

Aber Reporter tun selten das, was Trainer wollen, über den vorletzten Pass sprechen sie noch seltener und so kam am Dienstagabend unmittelbar nach der 0:1-Niederlage gegen die Bayern die Frage, die kommen musste. Erst versuchte es der Sky-Reporter Patrick Wasserziehr noch mit einer kleinen Falle, er fragte, was das Ergebnis für das Titelrennen bedeutet, weil er wusste, dass Favre im vergangenen Jahr ebenjenes für beendet erklärt hatte, bevor es zu Ende war und ihm diese vorzeitige Kapitulation bis heute nachhängt. Diesmal machte Favre den Fehler nicht. "Sieben Punkte, sechs Spiele - es ist brütal schwer", sagte er in seiner frankophonen Art.

"Ich werde darüber sprechen in ein paar Wochen"

Also fragte der Reporter direkt, ob er, Favre, nicht die Sorge habe, dass nun die Diskussion wieder losgehe, dass er den BVB einfach nicht zum Titel führen könne: "Das sagt man hier seit Monaten. Ich lese nicht die Zeitung, aber ich weiß, wie es geht. Ich werde darüber sprechen in ein paar Wochen", antwortete der Schweizer und zack - in der aufgeregten Welt des Fußballs führte das zu den ersten Artikeln mit der Fragezeichen-Schlagzeile, ob Favre hier seinen Abschied angekündigt habe.

Aber bevor diese Debatte losgeht, ist es ganz interessant, sich tatsächlich noch mal kurz mit diesem Spitzenspiel zu befassen, das ja auch ein bisschen was darüber aussagt, warum Favre keine deutsche Meisterschaft gewinnt. Jedenfalls sagte der in Ehre ergraute ARD-Experte Bastian Schweinsteiger, man könne die Schale jetzt schon mal nach München schicken, wobei noch zu klären sein wird, wie neutral jemand, der Schweinsteiger heißt, in dieser Bayern/Dortmund-Frage sein kann.

Aber kurz zum Spiel: Favre meinte, seine Mannschaft habe "sehr gut angefangen" (was stimmte, Erling Haaland tunnelte nach nur einer Minute den herausgeilten Neuer, Boateng rettete auf der Linie), dann habe man "zu tief gestanden" (was auch stimmte, Bayern kam zu sehr guten Chancen und schließlich zum Lupfer-Traumtor durch Kimmich in der 43. Minute) und in der zweiten Halbzeit habe man es wieder "gut gemacht" (einverstanden, der BVB hätte einen Elfmeter kriegen können, weil Boateng einen Haaland-Schuss mit dem Ellbogen abwehrte) und man hätte "ein Unentschieden verdient gehabt".

Auch mit dem Urteil kann man sich anfreunden, es war ein Fußballspiel auf sehr hohem Niveau, zweier sehr guter Mannschaften. Allein die Rückrundenbilanz vor dem Aufeinandertreffen (Dortmund holte 27 von 30 möglichen Punkten, Bayern 28 von 30), zeigte ja schon, dass beide Teams der Liga in dieser Form entwachsen sind.

Warum Bayern eine Nuance besser ist

Aber wenn beide Mannschaften an ihrem Maximum agieren, dann ist Bayern eben um Nuancen besser. Man sieht das an Alphonso Davies, der noch ein bisschen schneller ist als der sehr schnelle Achraf Hakimi auf der anderen Seite (und dessen Sprints Thomas Müller im Interview mit dem englischen Fernsehen mit den Worten "Meep, meep, meep, the FC-Bayern-Roadrunner comes" beschrieb), am 6er-Duo Leon Goretzka/Joshua Kimmich, das eine andere spielerische Klasse hat als Thomas Delaney/Mo Dahoud, an Jérôme Boateng, der plötzlich wieder in der Lage ist, Erling Haaland das Leben brutal schwer zu machen und der mit David Alaba zu zweit die gleiche Stabilität erzeugt wie Dortmunds Dreierkette.

Man sieht es an Müller, der in solchen Spielen aufblüht, während ein Julian Brandt zur Pause raus muss oder halt an einem Manuel Neuer, der - man lehnt sich da nicht zu weit aus dem Fenster - den Lupfer von Joshua Kimmich sehr wahrscheinlich gehalten hätte. Kimmich sagte nachher auch, man habe vor dem Spiel analysiert, dass Roman Bürki immer ein bisschen weit vor dem Tor stehe, um den Winkel zu verkürzen, weil er eben nicht die Reichweite eines Neuers habe.

Dazu kommt, dass der FC Bayern unter Hansi Flicks System aus Ballbesitz und schnellem Gegenpressing ein sicheres Grundgerüst hat, in dem die Mannschaft nur noch wenig Fehler macht. Wer gegen diese Bayern gewinnen will - bei dem muss alles passen. Und es passte ja auch fast alles beim BVB.

Das 0:4 im Hinspiel war alles andere als ein Spiel auf Augenhöhe

Man kann das nun auf zwei Arten sehen: Man kann etwa argumentieren, dass diese Leistungsunterschiede auf den Kader zurückzuführen sind. Bayern hat immer noch fast doppelt so viel Geld zur Verfügung wie der BVB und kann eine Mannschaft unterhalten, bei der es gar nicht so auffällt, wenn ein 80-Millionen-Euro-Mann (Lucas Hernández) auf der Bank sitzt und ein potenzieller 120-Millionen-Euro-Mann (Philippe Coutinho) zwar verletzt fehlt, aber noch nicht mal vermisst wird. Wenn nun ein Trainer fast alle Rückrunden-Spiele gewinnt und gegen Bayern unglücklich verliert, kann man sagen: Ist halt so. Alles rausgeholt. Oder man kann sagen, dass dieses "es hätte fast geklappt" sich leider ein bisschen durch Lucien Favres Trainerleben zieht.

Nun geht es für Dortmund praktisch nur noch darum, nicht durch einen Einbruch noch Fünfter zu werden (bei vier Punkten Vorsprung auf Bayer Leverkusen). Aus Pokal und Champions League ist man ausgeschieden - im DFB-Pokal gegen das in dieser Saison nicht gerade überragende Werder Bremen, in der Champions League gegen Paris Saint-Germain, allerdings unter seltsamen Bedingungen in einem der letzten Spiele vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Zielvorgabe in der Bundesliga war die Meisterschaft und die hat man, wenn überhaupt, nicht an diesem Dienstag verspielt, sondern in der Hinrunde, als es auch ein 0:4 in München setzte, das alles war, aber kein Spiel auf Augenhöhe.

Lucien Favre würde sagen, man müsse "das analysieren". Dass sie das beim BVB tun werden, ist sicher. Die Frage ist nur, zu welchem Ergebnis sie kommen.

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