Ärger beim BVB:Große Dortmunder Unordnung

Ärger beim BVB: Schwer verärgert: Mats Hummels.

Schwer verärgert: Mats Hummels.

(Foto: AP)

Nach dem Trainerwechsel hadern einige mit dem Zustand der Mannschaft. Die Defizite aus der Favre-Ära sollen schnell aufgearbeitet werden.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Dortmunder Optimisten, also Menschen, die halb volle Gläser sehen, wenn andere halb leere vor sich stehen haben, richteten sich nach dem 1:2 bei Union Berlin an den Schusskünsten eines gerade 16 gewordenen jungen Mannes auf. Denn Youssoufa Moukoko ließ an diesem erneut verkorksten Abend erste Blicke in seine Repertoire-Kiste zu. Man konnte nur staunen. Erst ballerte er aus vollem Lauf den Ball mit dem rechten Fuß aufs Berliner Tor. Pfosten! Dann, aus fast identischer Position, aber auf der anderen Torseite, ballerte er mit dem linken Fuß. Tor zum 1:1! Mit den erfreulichen Augenblicken im BVB-Spiel war's das aber schon. Und dies im erst zweiten Spiel unter der Leistung des neuen Trainers Edin Terzic.

BVB-Sportdirektor Michael Zorc, eher nicht ein Typ für halb leere Gläser, attestierte einigen seiner Spieler später sogar "unprofessionelles Verhalten". Und aus dem gefühlten Kapitän des BVB, Mats Hummels, der nur formal lediglich Ersatz-Spielführer ist, hinter Marco Reus, platzte die Wut in ungewohnt handfester Rhetorik heraus. Vor dem Kurzinterview mit dem Streaming-Sender DAZN prügelte Hummels zunächst auf die Plexiglaswand mit den Werbepartnern der Unioner ein.

Derart geladen sah man den Weltmeister von 2014 selten. Wie schon im Spiel gegen den 1. FC Köln (ebenfalls 1:2 verloren) setzte es auch gegen Union zwei Gegentore nach Ecken; jeweils am ersten Pfosten verlängert und am zweiten Pfosten vollendet. Vier Gegentore dieser Art, sechs verlorene Punkte. Hummels hatte dafür das Prädikat: "Unverzeihbar". Und er geriet in Rage: "Diese verlängerten Ecken sind am ersten Pfosten manchmal nicht zu verteidigen", polterte er, "dann muss man halt am zweiten Pfosten mitgehen. Das ist eben auch ein Zeichen, dass man den Sieg will." Und weiter: "Bei der zweiten Ecke steht bei einer klaren Mannzuteilung der bekanntermaßen kopfballstärkste Spieler des Gegners zehn Meter frei. Für mich ist es unbegreiflich, wie das passieren kann. Wir hauen uns einfach selbst in die Pfanne."

"Das ist eine Katastrophe, das geht gar nicht"

Dabei ging Hummels ungewohnt deutlich ins Gericht mit seinen Kollegen. Beim ersten Berliner Tor hatte sich Unions Liverpool-Leihgabe Taiwo Awoniyi leicht und locker an Gio Reyna vorbei geschlichen. Beim zweiten Tor ließ Hummels keinen Zweifel über seinen Hauptadressaten, obwohl er auch ihn namentlich nicht nannte. Nationalspieler Emre Can wäre für den Torschützen Marvin Friedrich zuständig gewesen. "Wenn der gefährlichste Kopfballspieler des Gegners bei einer Ecke auf zehn Meter alleine steht, obwohl alles bei der Spielbesprechung genau zugeteilt war: Das ist eine Katastrophe, das geht gar nicht."

Auch Neu-Trainer Edin Terzic pochte darauf, dass man "selbstverständlich" und "über alle Kanäle" explizit die gefährlichen Standards der Berliner angesprochen habe, die mittlerweile nur noch ein Pünktchen hinter dem BVB rangieren. Man habe "noch nachmittags" diese Gefahren an die Wand gemalt. Torwart Roman Bürki war ebenfalls kaum zu bremsen: "Eigentlich war alles klar, alles war zugeteilt, jeder Spieler hatte einen Gegenspieler. Beim zweiten Gegentor war es ganz klar eine Unachtsamkeit. Es kann nicht sein, dass der Spieler so alleine ist."

Das Minimalziel: wenigstens im Pokal weiterkommen

Neben Can und Reyna bekam aber auch BVB-Trainer Lucien Favre, erst vor einer Woche durch Terzic abgelöst, in ungewöhnlich klarer Form Kritik ab. Nicht nur im Deckungsverhalten und in der Disziplin sei es schwierig, in wenigen Trainingseinheiten alles zu bereinigen. "Es gibt jede Menge Kinderkrankheiten, auch in unserem Spiel nach vorne", meinte Hummels, "nur mit ein paar Trainingseinheiten kann man das alles nicht rauskriegen." Bürki sprach zudem einen "Mangel an Selbstdisziplin" deutlich an: "Einige Spieler brauchen das, dass ihnen jemand Feuer unter dem Hintern macht in manchen Situationen."

In Dortmund gilt jetzt das Minimalziel, am Dienstag im Pokalspiel bei Eintracht Braunschweig wenigstens unfall- und blamagefrei aus dem Corona-Jahr zu kommen. Die Tabelle ist für den BVB nicht leicht zu lesen mit den schon wieder uneinholbar wirkenden acht Punkten Rückstand auf die Bayern, aber auch schon Luft zu Bayer Leverkusen und RB Leipzig. Eine Winterpause, um Defizite aus der Favre-Ära ein wenig aufzuarbeiten, gibt es in diesem Jahr zwar nicht, aber zumindest ein paar Trainingseinheiten sind vor dem 3. Januar und dem Jahresauftakt gegen den VfL Wolfsburg möglich.

Während Favre-Nachfolger Terzic sich vornehm mit jeder Anspielung auf die geerbten Verhältnisse zurückhält, wettern vor allem Hummels und Bürki nicht erst seit der Pleite in Berlin darüber, wie sehr der Mannschaft die innere Ordnung verloren gegangen sei. Doch neben dem ersten Tor von Moukoko, der damit als jüngster Bundesliga-Torschütze der Historie notiert wurde, vermeldete Bürki immerhin einen Stimmungsumschwung. Verschlafene Eckbälle hin, verschlampte Angriffszüge her: "Es ist enorm viel Stimmung drin, auch in der Kabine, das ist etwas Neues."

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