BVB Fans und der Anschlag:Angst vor den Dortmunder Verrohten

  • Nach der Attacke auf den BVB-Bus stellt sich erneut die Frage nach den Problemen des Vereins mit den eigenen Fans.
  • Nach den Ereignissen beim Spiel gegen Leipzig rückte eine Gruppe namens "0231 Riot" in den Fokus.
  • Ob diese Gruppierung auch in Verbindung mit dem neuerlichen Angriff steht, muss geklärt werden.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Am Mittwochmittag, als in Karlsruhe gerade die Sprecherin der Bundesanwaltschaft in nüchternen Worten erklärte, dass man von einem terroristischen Hintergrund für den Anschlag auf Borussia Dortmunds Mannschaftsbus ausgehe, waren auf dem Alten Markt im Herzen der City schon wieder die Fußball-Trikots in der Überzahl. Das ist immer so, wenn der BVB spielt. Und erst recht an Heimspieltagen wie diesem, wenn ein Hauch von Internationalität durch die Stadt streift. Zumal dann, wenn der Besuch aus dem Millionärs- und Glamour-Städtchen Monaco kommt und sogar den Fürsten Albert mitgebracht hat ins Westfälische.

Terrorismus in Dortmund? Kaum zu glauben. Jedenfalls nicht für das Fußballvolk mit den schwarz-gelben Schals und den sonnengelben Trikots, das sich an den Stehtischen vorm Wencker's eingefunden hat, wo seit dem 14. Jahrhundert Bier gebraut und getrunken wird. Warum sollte man hier, wo man glücklich ist, am Rande der ganz großen Trampelpfade der Geschichte zu sein, einen Anschlag verüben? Und was soll das mit Fußball zu tun haben?

Dortmunds Fußball-Leidenschaft wird viel beschworen, allerorten in der Welt der Fans, aber an diesem Mittwoch kann jeder erkennen, welche Energie, Freude und welchen Trost der BVB in dieser Stadt verbreiten kann. Viele zeigen Handyfotos von sich und ihren neuen Freunden, Monaco-Fans, die sie am Abend nach der Spielabsage spontan in ihren Privatwohnungen untergebracht hatten. Bei all der Begeisterung muss man aber auch wissen, wie fraktioniert in Wirklichkeit die Anhängerschaft des BVB ist.

Von den gut 600 000 Dortmundern sind 700 000 BVB-Fans

Wer nur im Fernsehen das gelbe Meer der 25 000 auf der Südtribüne sieht, der hält das leicht für eine einheitliche Front von Gleichgesinnten. Die Sprechchöre sind legendär; die Gelbe Wand und ihre Wechselgesänge mit den anderen drei Tribünen der Arena aber zeigen schon, dass BVB-Fans zwar gemeinsame Nenner haben, aber auch in Gruppen und Stämme zerfallen, wenn das Spiel zu Ende zelebriert ist.

Von den gut 600 000 Dortmundern, so sagt man in der Stadt, sind 700 000 BVB-Anhänger. Nicht nur einfach so, sondern mit Fahnenmast im Vorgarten oder BVB-Flagge im Klofenster sowie mit Stadion-Dauerkarte seit immer schon. Aber viele der Gruppen und Grüppchen sprechen kaum noch miteinander. Und vor wenigen Wochen gingen im Fußball-Biotop von Dortmund die roten Lichter an.

BVB Fans und der Anschlag: Drohung an der Friedhofsmauer: Die Dortmunder Polizei nahm das gegen BVB-Präsident Joachim Watzke gerichtete Grafitto durchaus ernst.

Drohung an der Friedhofsmauer: Die Dortmunder Polizei nahm das gegen BVB-Präsident Joachim Watzke gerichtete Grafitto durchaus ernst.

(Foto: oh)

Da attackierte ein 500 Mann starker Mob enthemmter BVB-Fans die verschreckten Anhänger des RB Leipzig. Leipzig gilt als Ausgeburt des Kommerz im Fußball, weil der Sponsor, ein Brause-Milliardär, den Klub mit Riesensummen in die Bundesliga gepusht hat. Das Gegenmodell zum BVB, dessen Anhänger soviel Wert darauf legen, eine eigene Kultur zu haben. Ein Wohlfühl-Milieu, in dem sie mitbestimmen über den Erfolg ihres Klubs - trotz der Sponsorenmillionen, die BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und seine Vorstandscrew einsammeln, um Champions-League-Spiele wie das gegen AS Monaco überhaupt erst möglich zu machen.

Stadionverbote des BVB gegen kampfbereite Fans

Unter Dortmunds Fans gibt es die "Normalos" auf den Sitzplätzen, die vom meist jungen Stehplatz-Publikum ein bisschen verachtet werden, wenn sie nicht gerade miteinander Bier trinken. Es gibt die Logen-Leute, denen man in Dortmund mit noch mehr Skepsis begegnet als in anderen Stadien, die aber Geld mitbringen und die sich vor und nach dem Spiel in den VIP-Lounges ein bisschen wichtig finden können, den wahren Spaß aber wohl verpassen. Aber auch unter den Fans der Südtribüne gibt es Stämme und Gruppen: die rund 500 Ultras etwa, die sich als Elite der Fans ansehen und die in der Mitte der Südtribüne die Taktgeber sein wollen. Es gibt aber auch auf der Südtribüne ganz normale Fußball-Fans, die sich über das Gemeinschaftserlebnis freuen.

Seit den Krawallen gegen RB Leipzig sind ganz andere Splittergruppen ins Rampenlicht geraten. Eine Woche danach hielt die hessische Polizei auf der Autobahn mehrere Busse auf. An Bord vor allem Schläger der Gruppe "0231 Riot", die sich selbst als "Ultras" bezeichnen, denen aber die übrigen Ultras-Grüppchen das Recht absprechen, sich so zu nennen. Die Riots gelten als massiv rechtsradikal unterwandert. In einem Kampfsportstudio in Dortmunds Nordstadt trainieren sie sich zu Kraftpaketen. Wohin sie mit der Kraft sollen, erscheint unklar. Andere Fangruppen berichten von Einschüchterungen und Gewalt gegen andere BVB-Fans. Auf der Reise nach Darmstadt, wo "0231 Riot" sich offenbar die nächste Randale vorgenommen hatte, stoppte die Polizei die Truppe und stellte Sturmhauben, Waffen und Pyrotechnik sicher.

Bei der Aufnahme der Personalien stellte sich heraus, dass die Dortmunder "Riots" sich Verstärkung aus polizeibekannten rechtsradikalen Gruppen aus ganz Nordrhein-Westfalen organisiert hatten. Der BVB hatte an der Festnahme der kampfbereiten Reisegruppe mitgewirkt und im Nachgang für Stadionverbote gesorgt. Der Frust war groß. Wenige Tage später fand die Polizei an den Umfriedungsmauern der Dortmunder Galopprennbahn ein Graffito mit der Drohung der Gruppe gegen den BVB-Chef: "Aki Watzke, aus der Traum, bald liegst du im Kofferraum!" Watzke, der als der Verantwortliche für Stadionverbote gegen Rechte und Schläger gilt und zuletzt seine Gangart deutlich verschärft hat, wollte die Drohung nicht allzu ernst nehmen. Die Polizei sah das anders und bot ihm Personenschutz an.

In Dortmund sind sie einigen Ärger mit den Rechtsradikalen gewöhnt

Nicht nur deshalb galten die Rechten, die in einer winzigen Minderheit beim Stadionvolk sind, auch bei dem Anschlag als durchaus mögliche Verdächtige. Auch wenn man ihnen das Know-how für den Anschlag nicht wirklich zutrauen wollte. In Dortmund sind sie einigen Ärger mit den Rechtsradikalen gewöhnt, die sich im teilweise angestoßenen alten Industrie-Stadtteil Dorstfeld eingenistet haben. Im Rat der Stadt sitzen, weil es in NRW keine Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen gibt, auch zwei Vertreter von rechtsradikalen Gruppen. Aber die Stadt erscheint trotz immer noch elf Prozent Arbeitslosigkeit einfach zu sozialdemokratisch durchwirkt, um wirklich als Aufmarschort für Propagandisten von rechts zu taugen.

Das zweite, im Internet veröffentlichte Selbstbezichtigungsschreiben, in dem angeblich antifaschistische Attentäter proklamierten, der BVB distanziere sich zu wenig von den Rechten und Neonazis, war deshalb in Dortmund noch weniger ernst genommen worden als das islamistische Bekennerschreiben. Die meisten wissen in Dortmund, dass der BVB es sich im Jahr 300 000 Euro kosten lässt, Schüler und andere Fans als "Nazi-Prävention" zu KZ-Gedenkstätten wie Dachau oder Sachsenhausen zu fahren. Schon deshalb hielten es viele Dortmund-Fans noch immer für wahrscheinlicher, dass eigene irregeleitete Extrem-Fans auf die eigene Mannschaft losgehen, als dass Islamisten eine solche Tat verüben.

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