Dortmunds Aus im Europapokal:Schon 58 Gegentore

BVB: Mats Hummels beim Spiel gegen Glasgow Rangers

Enttäuscht, aber immerhin gesetzt beim BVB: Innenverteidiger Mats Hummels (rechts).

(Foto: Russell Cheyne/Reuters)

Der vierte Knockout der Saison ist für den BVB ein schwerer finanzieller Rückschlag. Im Sommer soll vor allem die Abwehr des schwächelnden Teams umgebaut werden - doch das wird nun alles andere als einfach.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Marco Rose saß da, mit Pudelmütze und voller Winterausrüstung, und fasste nüchtern und auf seine Art zusammen, was nach Borussia Dortmunds letztem Europapokalspiel der Saison übrig bleibt. Man sei da "nicht gut unterwegs" gewesen, das Abschneiden schmälere "die Gesamtbilanz" der Saison, sagte Rose. Aber es komme ja auf die Bundesliga an, und da seien ja noch elf Spiele zu spielen, "in denen noch einiges auf uns zu kommt". Alles in allem das emotionslose Jein eines Trainers, der nicht mehr weiter weiß.

Nach dem 2:2 bei den Glasgow Rangers ist der Bundesliga-Zweite Borussia Dortmund mal wieder aus einem Wettbewerb ausgeschieden. Seit Rose im letzten Sommer den damals frischen DFB-Pokalsieger übernommen hat, ist es bereits der vierte Knockout. Den ersten, im Supercup gegen den FC Bayern, konnte man noch als "Business as usual" abtun, als normalen Geschäftsvorgang. Beim Abschied aus der Champions-League, bereits an Spieltag fünf der Vorrunden-Gruppe, grummelte es schon erheblich im Verein. Um das Achtelfinale zu erreichen, hätte dem BVB damals ein Unentschieden beim international eher zweitklassigen Sporting Lissabon gereicht - er verlor 1:3.

Es folgte das Aus im DFB-Pokal, beim Zweitligisten FC St. Pauli mit 1:2, ohne größeren Widerstand. Und jetzt die letzte Pleite, nach dem 2:4 im Hinspiel zu Hause gegen die Rangers reichte es nur für ein kurzes Aufflammen von Hoffnung. Am Ende stand ein fast schon glückliches 2:2.

Dortmund wollte die Europa League gewinnen - ein vermessenes Ziel?

Dabei hatte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke nach dem Champions-League-Aus das Ziel ausgerufen, jetzt die Europa League zu gewinnen. Ein vermessenes Ziel? Eigentlich nicht für Deutschlands zweitbeste Mannschaft, wenn man die Bundesliga-Tabelle als Gradmesser nimmt. Schon am Freitagmorgen korrigierte der Klub seine Verlust-Prognosen bis zum Saisonende und Ende des Geschäftsjahres auf nun "17 bis 24 Millionen Euro", zuzüglich eines "großen Prognose-Risikos". Dortmund hat zum ersten Mal seit der Saison 2011/12, damals noch mit Trainer Jürgen Klopp, kein europäisches Achtelfinale erreicht. In Zeiten von gigantischen Finanzeinbußen durch die Corona-Restriktionen eine finanzielle Katastrophe. Völlig undenkbar, dass dem BVB-Konkurrenten Bayern München eine nur annähernd ähnliche sportliche Bilanz unterlaufen dürfte, ohne dass Trainer und eine Reihe von Spielern in hoher Flugbahn das Vereinsgelände verlassen müssten.

Dortmunds Aus im Europapokal: Muss schon wieder einen Knockout erklären: Dortmunds Trainer Marco Rose.

Muss schon wieder einen Knockout erklären: Dortmunds Trainer Marco Rose.

(Foto: Jason Cairnduff/Reuters)

In Dortmund wurde dagegen konstatiert, dass es nicht gut gelaufen sei. Trainer Rose wollte das am Donnerstagabend gar nicht an Spielern festmachen oder daran, dass dem BVB ein größerer personeller Umbruch bevorstehen dürfte. Schließlich sind noch elf Spiele zu spielen, und der Champions-League-Rang muss vom derzeitigen Kader abgesichert werden.

Im ausverkauften Ibrox Stadium in Glasgow ließ sich das Scheitern abermals an den vielbeschworenen "individuellen Fehlern" festmachen. Vor dem 0:1 foulte Julian Brandt seinen schottischen Gegenspieler geradezu plump im eigenen Strafraum, James Tavernier verwandelte den fälligen Strafstoß für die Rangers (22. Minute). Dann sorgten Jude Bellingham (31.) und Donyell Malen (42.) für eine kurzzeitige Führung. Beim Ausgleich der Rangers zum 2:2, wiederum durch Tavernier (57.), ließ sich Marius Wolf auf der Außenposition leicht ausspielen, in der Mitte senste Mats Hummels ein Luftloch neben den hereinfliegenden Flankenball. Danach kam Dortmund nicht mehr wirklich ins Spiel, obwohl man guten Willen zu erkennen glaubte.

Aus dem Inneren des Klubs ist seit Wochen zu hören, dass im Sommer ein größerer Umbau anstehen müsse, die Qualität mancher Spieler reiche einfach nicht aus. Die Frage stellt sich angesichts der andauernden Achterbahnfahrt bei den BVB-Leistungen allerdings: Wen müsste man halten, wen versuchen loszuwerden? Zu kollektiv streut sich das individuelle Versagen, das miserable Abwehrverhalten. In 35 Saisonspielen hat die vermeintliche Spitzenmannschaft 58 Gegentreffer kassiert. Zieht man Spiele gegen fußballerisches Fallobst ab, liegen die Dortmunder konstant bei fast zwei Gegentoren pro Spiel. Oder wie Rose es am Donnerstag für die Glasgow-Duelle sagte: "Wenn du zwar vier Tore schießt, aber sechs Tore kassierst, verdienst du die nächste Runde nicht."

Loswerden kann der BVB vor allem Spieler, die man nicht loswerden will

Die Bewegungsfreiheit der an sich ziemlich reichen Dortmunder ist für einen personalen Umbau allerdings in Corona-Zeiten begrenzt. Begehrt sind aus dem aktuellen Kader nur der weiterhin verletzte Erling Haaland, der 18-jährige Jude Bellingham, der trotz seiner Jugend der klare Anführer der Mannschaft ist, und mit Abstrichen der verletzte Manuel Akanji oder der verletzte Außenverteidiger Raphael Guerreiro. Gesetzt sind beim BVB die in die Jahre kommenden Marco Reus und Mats Hummels. Viele der anderen Spieler, die alle irgendwie Kandidaten für eine Ausmusterung im Sommer wären, haben aber so hoch dotierte Verträge, dass sie in den aktuellen Corona-Zeiten nur unter bitteren Gehaltsverlusten den Verein wechseln könnten.

Der künftige Sportdirektor Sebastian Kehl ist deshalb mit einer Quadratur des Kreises beauftragt, wenn er nach dem 30. Juni Michael Zorc ablöst. Die Unwuchten im Kader scheinen groß, die Möglichkeiten, "Planstellen" frei zu räumen, dagegen limitiert. Loswerden kann man nur die, die man nicht loswerden will. Dortmund hat zwar im letzten Herbst mit einer Kapitalerhöhung frisches Geld hereinholen können, und wenn Torjäger Haaland gehen würde, brächte das mindestens 75 Millionen Euro ein. Aber das hilft dem BVB nicht bei der Payroll, der Gehaltsliste, von der einige verschwinden müssten, um im Sommer mehr Kontinuität und Stabilität einkaufen zu können. Ein Niklas Süle allein, der vom FC Bayern kommt, hilft da noch nicht viel.

Und so könnte die andere Option der Veränderung doch wieder die älteste Methode der Fußballwelt sein. Trainer Marco Rose kann auf eine sehr gute Punkteausbeute in der Bundesliga verweisen - aber sonst auf nicht viel. Sein Vorgänger Edin Terzic wurde noch im letzten Sommer Pokalsieger mit dem praktisch identischen Kader, lieferte Manchester City im Champions-League-Viertelfinale zwei große Spiele, und rauschte nach der verkorksten Hinrunde unter seinem Vorgänger Lucien Favre mit derselben BVB-Truppe noch auf Platz 3 der Liga. Auch Marco Rose gehen nach der 13. Niederlage der Saison die Argumente aus. Kollektive Erfolge werden Trainern gutgeschrieben. Für kollektives Versagen werden Trainer deshalb nicht frei gesprochen.

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