Süddeutsche Zeitung

BVB-Erfolg gegen Leverkusen:Der große Tag der Abschiede

Lesezeit: 3 min

Vier Bundesliga-Größen treten auf einen Schlag ab - da gerät auch der Dortmunder Sieg über Leverkusen zur Nebensache. BVB-Torjäger Erling Haaland ergattert sich ein besonders seltenes Erinnerungsstück.

Von Ulrich Hartmann

Eine Viertelstunde vor Schluss verließ der Dortmunder Abwehrspieler Lukasz Piszczek das Feld durch ein Spalier seiner Mannschaftskameraden. In der letzten Minute verwandelte der Leverkusener Lars Bender einen Elfmeter, zu dem er eigens für seinen Zwillingsbruder Sven Bender eingewechselt worden war. Nach dem Abpfiff tauschte der Schiedsrichter Manuel Gräfe sein Trikot mit dem Dortmunder Stürmer Erling Haaland und verließ das Feld durch ein Spalier sämtlicher Spieler von Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen. Und live kommentiert wurde das alles vom Sky-Kommentator Tom Bayer in seinem letzten Spiel.

"Time to say Goodbye", "Sag beim Abschied leise Servus" und "Niemals geht man so ganz" sind drei der bekanntesten Abschiedslieder, aber keines davon wurde am Samstag im Dortmunder Stadion gespielt beim großen Tag der Abschiede. Piszczek verlässt den BVB nach elf Jahren. Die Benders beenden gemeinsam ihre Karriere. Und Gräfe darf nach 289 Bundesligaspielen nicht weiterpfeifen, weil er die einst auf 47 Jahre festgesetzte Altersgrenze erreicht hat.

"Wir werden jetzt erst mal ein paar anständige Weißbiere trinken", sagt Lars Bender

Dass das letzte Spiel der Saison 3:1 für Dortmund ausgegangen ist, dass Haaland seine Saisontreffer 26 und 27 erzielt hat und dass mit Hannes Wolf der Leverkusener Interimstrainer Platz machen muss für den neuen Coach Gerardo Seoane aus der Schweiz: Das war alles kein großes Thema.

Geweint wurde sozusagen kollektiv aus höheren Sphären, denn es regnete in Dortmund, als all die Abschiede vollendet wurden. "Wir werden jetzt erst mal ein paar anständige Weißbiere trinken, weil so viele Menschen mit uns anstoßen wollen", sagte Lars Bender auf die Frage, was nach dem Ende der Fußballkarriere komme. "Ich fürchte, Piszczu wird mit uns vor allem Kurze trinken wollen", sagte mit ironischer Skepsis der Dortmunder Marco Reus auf die Frage, ob man den Abschied denn gemeinsam mit Piszczek begießen werde. Dortmunds Kapitän, der die Binde für diesen Tag an Piszczek abgegeben hatte, mag offenbar keine hochprozentigen Getränke.

"Dziekuje, Piszczu", stand als polnische Danksagung auf einem gewaltigen Transparent, das die abwesenden Fans auf der Südtribüne für Piszczek hatten auslegen lassen. Auf der Haupttribüne lag ein Transparent, auf dem stand: "Den Pokal in der Hand, Borussia im Herzen - Danke, Edin." Das war ein Gruß an den Trainer Edin Terzic, der im Dezember vom Chefcoach Lucien Favre übernommen hatte und den BVB erst zum Pokalsieg und dann auch noch in die Champions League führte. Der Klub beendet die Spielzeit auf Platz drei. Nun stellt sich die Frage, ob Terzic als Assistent des neuen Trainers Marco Rose (aus Mönchengladbach) bleibt oder ob er vielleicht doch irgendwo anders Cheftrainer wird.

Terzic bespricht seine Zukunft in der kommenden Woche mit dem BVB

Am Samstagabend genoss es Terzic nach eigener Ankündigung zunächst einmal, nach zehn Tagen Quarantäne wieder nach Hause fahren und seine Familie wiedersehen zu dürfen. Im Laufe der kommenden Woche werde er sich dann mit den Verantwortlichen vom BVB zusammensetzen und die Lage besprechen. "Mein Weg darf hier sehr gerne weitergehen", sagte Terzic in der Pressekonferenz nach dem Spiel, und das klang dann doch so, als sei er gewillt, bei Borussia Dortmund zu bleiben.

Bei der Seitenwahl vor dem Anpfiff hatten Gräfe und die beiden Kapitäne Piszczek und Sven Bender passenderweise zusammengestanden: ein Trio des Abschieds. In der 90. Minute wollte Sven Bender den Platz gerade für seinen Bruder Lars verlassen, als es nach einem Foul von Emre Can an Patrik Schick Elfmeter für Leverkusen gab. So kam Lars Bender herein, durfte sofort einen Elfmeter schießen und verwandelte ihn auch deshalb souverän, weil Dortmunds Torwart Roman Bürki sich freundlicherweise nicht sehr darum bemühte, diesen historischen Treffer zu unterbinden. So waren am Ende alle gerührt. Es herrschte eine Atmosphäre der Entspanntheit, wie man sie in einem Fußballstadion selten erlebt.

"Eine Fußballmannschaft ist so, wie die Gesellschaft sein sollte", sagte ganz am Ende noch Lars Bender bei Sky und sang eine Hymne auf Kameradschaft und Miteinander. Benders These mag diskutabel sein in einer ja tatsächlich gar nicht immer so kameradschaftlichen und selbstlosen Branche - aber zu seinem Abschied mochte man ihm da selbstverständlich nicht widersprechen.

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