Borussia Dortmund:Hagel an allen Fronten

Borussia Dortmund: Schickte seinen Vater und seinen Berater durch halb Europa: Erling Haaland.

Schickte seinen Vater und seinen Berater durch halb Europa: Erling Haaland.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Beim BVB wird das mögliche Verpassen der Champions League zur sportlichen und finanziellen Drohkulisse. Im Hintergrund loten die Haaland-Berater den Marktwert des Stürmers aus - doch der Transfermarkt ist gerade für Spieler und Klubs ein anderer.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Das Wetter zum Abflug nach Manchester fasste die Stimmungslage an Bord perfekt zusammen. Es hagelte und schneite am Ostermontag am Flughafen von Dortmund. Außentemperatur drei Grad. Nicht ungewöhnlich für Aprilwetter. Aber ungewöhnlich miese Laune für eine Fußballmannschaft, die zu einem Viertelfinalspiel in der Champions League reist. Und bei Borussia Dortmund herrscht irgendwie schon über die gesamte Saison Aprilwetter.

All dies wurde verstärkt durch die 1:2-Heimpleite am Ostersamstag gegen Eintracht Frankfurt, nach der Mats Hummels die Bundesliga-Tabellenlage so zusammenfasste: "Die Champions League nicht wieder zu erreichen, das wäre sportlich und finanziell eine Katastrophe. Und da sind wir jetzt nah dran." BVB-Boss Hans-Joachim Watzke hatte sich schon am Sonntag über Einstellung und Körpersprache seiner Borussen beklagt: "Ich kann die Mannschaft nicht mehr in Schutz nehmen. So ein Spiel ist eine Willensfrage, und da hat mich die Mannschaft maßlos enttäuscht."

Mangelt es beim BVB an der Einstellung? Oder doch am Können?

Wenn es nun an diesem Dienstag im Duell mit Manchester City zu keiner fußballerische Auferstehung kommt, was angesichts der sagenhaften Form von Englands Tabellenführer eher unwahrscheinlich ist, dann könnten sich die Untergangsgefühle noch einmal deutlich verstärken. Das Wort "Mentalität" ist zwar von BVB-Spielführer Marco Reus schon vor Monaten generell auf den Index gesetzt worden, aber Hummels und Watzke redeten im Grunde über nichts anderes - auch wenn sie das Wort vermieden. Tatsächlich macht sich derzeit in Dortmund die Befürchtung breit, dass es, frei nach Reus, tatsächlich nicht an der Einstellung hapert, sondern am Können.

Borussia Dortmund - Eintracht Frankfurt

Freudenquartett: Kamada (links), Jovic, Kostic und Silva feiern Frankfurts Siegtor.

(Foto: Lars Baron/Getty)

In der Bundesliga läuft der BVB seit dem Siegtreffer von Frankfurts Torjäger André Silva, den Dortmunds oft überforderte Abwehr dem Portugiesen drei Minuten vor Schluss gestattete, schon sieben Punkte hinter dem eigenen Mindestanspruch her. So breit ist die Kluft zwischen Platz vier (Frankfurt) und Platz fünf (Dortmund), wobei Platz vier der letzte Champions-League-Startplatz ist. Das alles liegt auch an dem unerwarteten 2:2 vor zwei Wochen beim Abstiegskandidaten 1. FC Köln. Aus den Spielen gegen Köln und Frankfurt hatte der BVB sechs Punkte einkalkuliert. Tatsächlich aber wurde es nur einer Punkt - nicht zuletzt, weil in der Schlussphase gegen immer mächtiger aufkommenden Frankfurter die fußballerische Vernunft fehlte. Denn eigentlich war es einer dieser Nachmittage, die man taktisch am Ende besser freiwillig mit einem Unentschieden beendet. Aber dafür fehlte Dortmunds Trainer Edin Terzic und seinem Team offenbar die Reife.

Platz vier ist bei Borussia aber Pflicht. Finanziell, vor allem aber auch in Sachen Status. Ein Verpassen der Champions League bringt die gesamte Tektonik des Klubs ins Wanken, und damit auch das BVB-Geschäftsmodell. Junge Spielertypen wie Erling Haaland, Jadon Sancho und andere sehen zuvorderst ihren ganz persönlichen Karriereplan in Gefahr. Wie steht man denn da, wenn man plötzlich für einen Klub ohne Champions-League-Startplatz kickt?

In Spanien und England wird ermittelt, wer an einem Haaland-Wettbieten teilnehmen will

All die Untergangs-Spiralen, die über Ostern an der sogenannten Experten-Front beschleunigt wurden, muss man jedoch auch nicht teilen. Vergangene Woche hatten sich Erling Haalands Vater Alfie, früher selbst England-Profi, und der einschlägig beleumundete Haaland-Berater Mino Raiola auffällig bei Besuchen bei Real Madrid und beim FC Barcelona filmen lassen. Dies sollte wohl eine Drohkulisse aufbauen, dass einer wie Haaland überall spielen, und bei einem Verpassen der Champions League schnell zu einem standesgemäßeren Klub wechseln könne. Raiola kündigte bereits an, dass man in Kürze eine England-Tour unternehmen werde, um dort die Chance für einen Sommertransfer auszuloten.

Fragt sich nur, wer im Sommer 2021 so flüssig sein wird, dass er 150 Millionen Euro cash locker machen könnte, um einen solchen Wechsel zu bezahlen? Die Raiolas, die Fußballwelt und ihre Berichterstatter haben sich offenbar auch mehr als ein Jahr nach Beginn der Corona-Krise nicht daran gewöhnt, dass der Transfermarkt weitgehend zusammengebrochen ist. Ganz bestimmt für die Mega-Summen. Von Real und Barça weiß man seit längerem, dass sie mit massiven Finanzproblemen kämpfen.

Pep Guardiola, Trainer von Manchester City, dem derzeit wohl liquidesten Klub der Welt, hat einen Transfer von Haaland bereits für "unmöglich" erklärt. Thomas Tuchel, inzwischen Trainer beim zuletzt noch spendablen FC Chelsea, dem Klub des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch, ließ wissen, man habe wenig Lust, sich auf ein offenbar angestrebtes "Wettbieten" einzulassen. Und Manchester United, das im Sommer 2020 nicht in der Lage war, die geforderte Ablösesumme für Dortmunds Jadon Sancho aufzubringen, und stattdessen Ratenzahlung vorschlug, soll derzeit eher defensiv agieren. Angesichts von Impfkampagnen und Corona-Lockdowns scheint die Stimmung für Mega-Transfers nicht gegeben zu sein. Das trifft allerdings auch den BVB selbst. Wenn Dortmund seine Mannschaft umbauen will, wären für die eigenen Streichkandidaten kaum hohe Ablösen zu erzielen. Dazu gab es von BVB-Sportdirektor Michael Zorc am Samstag die klare Ansage, dass bei vielen die "Leistung einfach nicht" reiche.

Für den 16-jährigen Youssoufa Moukoko ist die Saison verletzungsbedingt bereits beendet

Für BVB-Trainer Edin Terzic dürften diese Planspiele gerade keine Rolle spielen. In Manchester kann seine Mannschaft nur gewinnen, denn alles andere als ein Ausscheiden wäre eine Überraschung, wenn nicht eine "Weltsensation" (BVB-Chef Watzke). Vor dem Abflug nach England musste der Trainer allerdings noch eine weitere Personalie verkraften: Für Youssoufa Moukoko, das 16-jährige Sturmtalent, ist die Saison wegen einer Bänderverletzung im Fuß vorzeitig beendet. Moukoko hatte sich die Blessur während der Vorrunde der U21-Europameisterschaft in Ungarn zugezogen, bislang hatte er in 14 Bundesligaspielen drei Tore erzielt.

Terzic hatte sich nach der Niederlage gegen Frankfurt argumentativ Mats Hummels angeschlossen, als er sagte, dass man "technisch" nicht gut genug gewesen sei und deshalb ein oft "wildes Spiel" zustande kam. Die Zweifel am BVB-Kader wachsen jedenfalls, extern wie intern. Hoch eingeschätzte Spieler wie Julian Brandt, der wieder einmal 90 Minuten zuschauen musste, Thorgan Hazard oder Mo Dahoud, zuletzt auch Gio Reyna, zudem schwächelnde Defensivleute wie Nico Schulz oder Manuel Akanji, allesamt Nationalspieler, genügen zu oft den Dortmunder Ansprüchen nicht. Mehr und mehr scheint das auch für Marco Reus, den Kapitän, zu gelten, dem in 38 Pflichtspielen der laufenden Spielzeit nur vier Tore gelangen. Das letzte kurz vor Weihnachten gegen Werder Bremen.

Aber wer weiß. Das Abspielen der Champions-League-Hymne soll ja bei vielen Spielern in etwa so wirken wie der Zaubertrank auf Asterix und Obelix im gallischen Dorf. Und vielleicht stimuliert die Hymne schon beim Ausflug in den April nach Manchester.

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