BVB in der Europa League:"Lahmarschiger Fußball, für den man sich schämen muss"

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Mats Hummels fand deutliche Worte, der BVB verlor 2:4 gegen die Rangers - und das Team wirkt angeschlagen. (Foto: Maik Hölter/Imago)

Das 2:4 gegen die Rangers und der drohende Wettbewerbs-K.o. bringen Dortmunds Sportchef Zorc in Rage. Mats Hummels äußert schon am Spielfeldrand heftige Kritik - das Team macht immer wieder dieselben Fehler.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Noch am Freitagnachmittag, fast zwanzig Stunden nach dem Knockout gegen die Glasgow Rangers, konnte Michael Zorc nur mit Mühe an sich halten. "Ich bin konsterniert", versuchte der BVB-Sportchef seine Stimmung zu kontrollieren - und redete Tacheles: "Das war eine Blamage. Das war peinlich, so einen Auftritt als Borussia Dortmund abzuliefern. Lahmarschiger Fußball war das, für den man sich schämen muss."

Zorc, 59, ist schon sehr lange im Amt, aber so ausgesprochen wütend hat er sich wohl noch nie über die eigene Mannschaft ausgelassen. Vielleicht tat er das auch deshalb, weil die 2:4 (0:2)-Niederlage gegen die Schotten im Hinspiel der Europa-League-Zwischenrunde nichts anderes war als die Fortsetzung einer entmutigenden Serie von Aufs und Abs seiner Dortmunder.

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Noch verschwitzt vom Spiel, gleich nach Abpfiff, hatte bereits der gefühlte Team-Anführer Mats Hummels Dampf abgelassen. Und zwar in so wohlgesetzten Worten und in der Analyse so scharf, dass man merkte: Diesen Kommentar am Spielfeldrand hat Hummels wohl schon seit Wochen im Kopf gedreht und gewendet: "Wir spielen sehr viel unsinnigen, unlogischen Fußball und machen den Gegner damit stark. Wir wollen oft nicht die einfache Lösung", dozierte der 33 Jahre alte Innenverteidiger druckreif, aber bebend vor Wut, "sondern wir wollen oft viel zu kompliziert spielen. Komplizierten Fußball spielen wir hier viel zu viel."

Das Auf und Ab scheint sich wie ein endloser roter Faden durch die Saison zu ziehen: Vor knapp zwei Wochen ein 2:5-Heimdebakel gegen Leverkusen, danach die übliche Wiedergutmachung mit einem überzeugenden 3:0 bei Union Berlin - und nun wieder einer jener herben Rückschläge, die seit Monaten bei Dortmund üblich sind. Diesmal geschehen gegen eine Mannschaft aus Glasgow, die international nur Mittelmaß ist, aber von den Leichtsinnsfehlern des BVB profitierte.

So läuft es schon die ganze Saison, seit im vorigen Sommer Marco Rose die Mannschaft vom Interimstrainer Edin Terzic übernommen hat. Wie in der Hüpfburg geht es rauf und runter. Mit einem starken zweiten Platz als Zwischenbilanz in der Bundesliga (plus beruhigendem Vorsprung auf die Konkurrenz) - und auf der anderen Seite: mit dem freudlosen Ausscheiden aus der Champions-League, (unter anderem: 0:4 gegen Ajax Amsterdam), mit dem blamablen 1:2-Aus im DFB-Pokal beim Zweitligisten St. Pauli, und jetzt also mit dem nächsten Tiefschlag in der - Achtung! - Qualifikationsrunde fürs Achtelfinale der zweitklassigen Europa League.

Zorc zitiert Kahn: "Wenn unsere Spieler Eier hätten, drehen sie das Ding in Glasgow noch um."

Zwölf Saison-Niederlagen hat die zweitteuerste Mannschaft Deutschlands schon zusammengespielt, vielen Spielern wird allseits ein Hochbegabten-Zertifikat ausgestellt. Davon aber wollte Hummels an diesem in jeder Hinsicht regnerischen Donnerstagabend nichts mehr hören. Fast schon hämisch fragte er den Reporter zurück: "Hoch veranlagt? Dazu gehören viele Dinge: wo man welchen Pass hinspielt; einzuschätzen, wo Risiko gut ist und wo Risiko nicht gut ist, in welche Räume man reinspielt. Wie ich das hier so anspreche, merkt man schon: Das alles gehört nicht zu unseren Stärken."

"Wir spielen sehr viel unsinnigen, unlogischen Fußball und machen den Gegner damit stark." - Mats Hummels nach dem blamablen 2:4 der Dortmunder in der Europa League gegen Glasgow. (Foto: Jan Huebner/imago)

Während Hummels das Problem ziemlich wahrheitsgemäß auf "mehrere Positionen" zuspitzen wollte, und nicht - wie sonst Branchen-Etikette - auf alle beziehen mochte, übte auch Marco Rose gewisse Selbstkritik: "Ich bin als Trainer dafür verantwortlich, wie die Mannschaft auftritt. Auch dafür, wie die Mannschaft es umsetzt." Das ehrte Rose zwar, aber zugleich musste er dieselbe Ratlosigkeit in der Sache eingestehen, die auch Lizenzspieler-Chef Sebastian Kehl und Sportdirektor Zorc noch am Tag danach beschlich: "Wenn ich jetzt eine Erklärung hätte", räumte Rose ein, "würde ich sofort in die Kabine rennen und sie dort kundtun."

Die extrem auffälligen Leistungsschwankungen der Dortmunder mögen sich zum Teil an Roses starren, offensivfreudigen Taktik-Vorstellungen festmachen, die wahrscheinlich zum real existierenden BVB-Kader nicht recht passen. Aber gerade Zorc wollte speziell die Spieler kritisieren: "Das Flutlicht ist an, du spielst Europacup, gegen einen namhaften Gegner wie Glasgow Rangers - was willst du eigentlich als Spieler noch erwarten, um endlich mal deinen Arsch zu bewegen?", schimpfte er am Freitag. Mit Blick auf das Rückspiel nächsten Donnerstag in Schottland nahm Zorc in seiner Rage sogar Anleihen bei einem berühmt gewordenen Zitat des heutigen FC-Bayern-Bosses Oliver Kahn: "Wenn unsere Spieler Eier hätten, dann drehen sie das Ding in Glasgow noch um."

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BVB-Kapitän Marco Reus wollte zwar schon vor Monaten das Wort "Mentalität" als Erklärung für das Unerklärliche auf den Index setzen. Sein Chef Zorc sieht jedoch das spätestens seit Donnerstagabend anders: "Wir haben uns diese aufkommenden Mentalitäts-Debatten selber zuzuschreiben", findet der Sportchef.

Ob die mentale Anatomie im Borussen-Kader für Zorcs Wunsch nach "mehr Eiern" ausreicht, ist angesichts der Amplituden im Dortmunder Saisonverlauf schwer vorherzusagen. Zunächst geht es für Rose und seine vermöbelte Truppe am Sonntag im nächsten Liga-Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach weiter. Also just gegen den Gegner, bei dem der BVB im Frühjahr 2021 den Cheftrainer Rose mit fünf Millionen Ablöse (auf Basis einer Ausstiegsklausel) aus dem Trainerstuhl gerissen hatte. Daher ist menschlich nachvollziehbar, dass Rose beim BVB trotz der wankelmütigen Leistungen und dem Ausscheiden aus allen möglichen Wettbewerben noch nicht groß kritisiert wird.

Sebastian Kehl war am Freitag immerhin einen Hauch optimistisch: "Das war schon eine blamable Leistung. Aber jetzt spielen wir gegen Gladbach. Und warum sollen wir nicht in Glasgow mit zwei Toren Unterschied gewinnen, und in eine Verlängerung gehen - wenn wir dort ganz anders auftreten ..." Was sonst sollte man auch tun, außer weitermachen?

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