Borussia Dortmund:"Lahmarschig, bequem und langsam"

Borussia Dortmund: Besser nicht hinschauen: Marco Reus (links) und Axel Witsel beim Freistoß.

Besser nicht hinschauen: Marco Reus (links) und Axel Witsel beim Freistoß.

(Foto: Patrik Stollarz/AFP)
  • BVB-Sportdirektor Zorc kritisiert nach dem Aus im DFB-Pokal sein Team.
  • Auch die Spieler üben sich in Selbstkritik - Julian Brandt spricht von "fehlender Gier".
  • Torjäger Marco Reus fehlt mehrere Wochen verletzt.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Es war ein Abend, an dem die Dortmunder am liebsten gar nichts mehr gesagt hätten, so bedient waren sie. Außer Ersatztorwart Marwin Hitz haben sich alle Spieler nach dem Pokal-Aus verkrümelt vor den Reportern. Abwehrchef Mats Hummels und Julian Brandt hatten vermutlich nur etwas von sich gegeben, weil sie sich wegen der Fernsehverträge am Mikrofon äußern mussten. Auch die Manager Michael Zorc und Sebastian Kehl waren nicht auffindbar.

Erst am Tag danach übte Zorc nach der Heimkehr harsche Kritik am BVB-Team, das sich das bittere 2:3 beim Bundesliga-Abstiegskandidaten Werder Bremen nach Zorcs Auffassung selbst zuzuschreiben hatte: "Wir sind dafür bestraft worden, dass wir in der ersten Hälfte lahmarschig, bequem und langsam gespielt haben. Das wirkte nicht so, als wüssten wir, worum es geht", zürnte der Sportdirektor.

Der erste Titel ist also verspielt. Dortmund ist wie schon 2019 im Achtelfinale des Pokals gegen Werder ausgeschieden. Zorcs Analyse dieses herben Dämpfers nach zuvor drei Bundesligasiegen mit 15 Toren (davon sieben durch den spektakulären Zugang Erling Haaland) fiel verheerend aus. Die Generalkritik galt vor allem den erfahrensten Spielern. Etwa Kapitän Marco Reus, der im Herbst die Debatte um den Wettkampfcharakter seines Teams als "Mentalitäts-Scheiße" abgetan hatte. Nachdem sein Kollege Julian Brandt nun am Dienstagabend zugab, es habe "die Gier gefehlt", könnte die nächste Grundsatzdiskussion bevorstehen.

Die erfahrenen Spieler patzen - und die jungen kommen erst spät in die Partie

Reus zum Beispiel bereitete das 2:0 der Bremer in der 30. Minute vor, indem er nach einer Werder-Ecke den Ball am eigenen Strafraum so schlampig abwehrte, dass Leo Bittencourt den Ball mit einem wunderschönen Weitschuss in den Winkel setzen konnte. Kurz vor Schluss vertändelte Reus dann noch leichtfertig das mögliche 3:3. Der schwarze Abend hatte für den Kapitän aber noch gravierendere Folgen: Wie der BVB mitteilte, erlitt Reus erneut eine Muskelverletzung und kann erst "in rund vier Wochen wieder ins Training einsteigen". Damit fehlt er auch im ersten Champions-League-Achtelfinale gegen Paris (18. Februar), sogar ein Einsatz im Rückspiel ist fraglich.

Hummels analysierte korrekt, man habe es den Bremern "leicht gemacht, aggressiv zu verteidigen und das Publikum mitzunehmen". Er selbst war beim Stand von 1:2 derart weit aufgerückt, dass er gegen den schnellen Werder-Konterstürmer Milot Rashica einige Meter verlor und das entscheidende 1:3 nicht verhindern konnte.

Auch dem 0:1 durch Selke (14.) ging ein Fehler voraus, Achraf Hakimi ließ sich den Ball von Marco Friedl abluchsen, so dass Trainer Lucien Favre zu Recht feststellte: "Wir haben in der ersten Halbzeit zu wenige Zweikämpfe gewonnen, waren immer zu spät. Und wir hatten zu wenig Tempo." Das galt auch für den Mittelfeldlenker Axel Witsel - und Offensivspieler Thorgan Hazard, der nur körperlich anwesend war.

Auch über Favres Beitrag wird wieder diskutiert

Auch über Favres Beitrag wird wieder diskutiert: Warum, so lautet die Frage, hat der zweiflerische Schweizer die Supertalente Haaland, 19, und Giovanni Reyna, 17, so spät ins Spiel gebracht? Warum hat er den unbändigen Haaland überhaupt erst in der 46. Minute aufs Feld geschickt und nicht für die Startelf nominiert? Erst mit den beiden Jüngsten (Reyna durfte ab der 66. Minute ran) bekam die Partie aus Dortmunder Sicht endlich Zug. Und es war kein Zufall, dass Haaland und Reyna die Anschlusstore zum 1:2 und 2:3 erzielten. Warum das BVB-Spiel ohne Haaland derart bieder aussah, das müssen sich natürlich seine Mannschaftskollegen fragen lassen.

Die Dortmunder hätten die Partie aber durchaus noch zu ihren Gunsten wenden können mit vielen flink herausgespielten Chancen - allerdings erst in den letzten 15 Minuten. Bremens Trainer Florian Kohfeldt konnte danach seinen etliche Male gut reagierenden Torwart Jiri Pavlenka loben. Weil jener in der Nachspielzeit auch noch einen Haaland-Kopfball entschärfte, konnte Kohfeldt einen kleinen Joke anbringen: Man habe die Torquote von Haaland "gesenkt", weil er gegen alle anderen Gegner ja bisher mindestens zwei Tore erzielt hatte, diesmal jedoch nur eines, unterstrich Bremens Coach gut gelaunt.

Dass in der 82. Minute der Bremer Kapitän Niklas Moisander nur Gelb statt Rot sah, werteten Hummels und einige neutrale Beobachter als falsch. Moisander habe Reyna, der einen Elfmeter herausholen wollte, zu heftig gestoßen, dieser Schubser sei eine Tätlichkeit gewesen. Womöglich wäre bei einem Platzverweis noch das 3:3 gefallen. Aber das war hypothetisch und ging am Hauptthema der mäßigen Dortmunder Gesamtleistung vorbei. Die nächsten Aufgaben des BVB lauten: Leverkusen, Frankfurt, Paris - und erneut Bremen (Liga). Danach wird man wissen, ob das Pokal-Aus ein Ausrutscher war. Oder ein Rückfall in alte Zeiten.

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