Fast ein bisschen fluchtartig verließen die Dortmunder Augsburg, was wohl nur in Teilen mit dem drängenden Rückflug nach Westfalen zu tun hatte. Es waren vermutlich auch die für sie ziemlich deprimierenden Ereignisse bei der 1:2 (0:1)-Niederlage beim abstiegsbedrohten FCA, die die Borussen veranlassten, sich so schnell wie möglich vom Schauplatz ihres nächsten großen Rückschlags im Ringen um den deutschen Meistertitel zu entfernen. Zurück blieben ein paar kurze Einlassungen, die allerdings genügten, um den Frust beim BVB umfassend abzubilden.
"Solche Fehler dürfen uns einfach nicht passieren", klagte Kapitän Marco Reus, der nach dreieinhalb Wochen Verletzungspause direkt in die Startelf zurückgekehrt war. Trotz der beiden entscheidenden Aussetzer in der Defensive habe man genug Torchancen gehabt, um das Spiel für sich zu entscheiden. Doch weil die Borussia vorne ebenso leichtfertig bis fahrlässig agierte, kam Reus zu dem Schluss: "Das müssen wir schleunigst abstellen, sonst wird es natürlich hinten raus eng."
Diese Erkenntnis nach den beiden Gegentoren von Augsburgs Dong-won Ji (24./68.) nach den fast schon grotesken Fehlern von Dan-Axel Zagadou und Achraf Hakimi ließ sich auch auf die Hoffnung übertragen, erstmals seit 2012 den Serienmeister FC Bayern hinter sich zu lassen. Neun Punkte Vorsprung hatte der BVB zwischenzeitlich in dieser Saison schon angehäuft. Nun lud der Tabellenführer die Münchner regelrecht ein, am Samstagabend durch einen Sieg bei Borussia Mönchengladbach nach Punkten gleichzuziehen.
"Ich muss mich manchmal während des Spiels wirklich beherrschen, einem Spieler nicht den Kopf herunter zu reißen", sagte Torwart Roman Bürki, "wir waren einfach nicht so kampfbereit wie die Augsburger. Das war zu wenig und ist eines Tabellenführers nicht würdig." Dass der für Reus nach einer guten Stunde eingewechselte Paco Alcácer verkürzte (81.) und die Dortmunder in der Schlussphase mehrfach am herausragenden Augsburger Torwart Gregor Kobel verzweifelten, änderte an Bürkis Gesamteindruck wenig.
Nach dem spektakulären, aber auch etwas glücklichen 3:2-Sieg gegen Bayer Leverkusen in der Vorwoche hatten die Dortmunder gehofft, ihre vorherige Delle überwunden zu haben. Doch nun steht nur ein Sieg aus den vergangenen sieben Pflichtspielen in der Zwischenbilanz, was eher den Verdacht nährt, dass der Abschwung ernsthaft Richtung Krise tendiert. Es erscheint mittlerweile gut möglich, dass sie beim in der Hinrunde furiosen BVB in der Rückschau auf die Saison mit Wehklagen auf den Spätwinter blicken werden, in dem sie gerade womöglich sämtliche Titelhoffnungen verspielen.
Aus dem DFB-Pokal sind sie im Achtelfinale gegen Werder Bremen ausgeschieden, aus der Champions League dürften sie sich nach der 0:3-Niederlage bei Tottenham Hotspur aller Voraussicht nach am Dienstag im Achtelfinal-Rückspiel ebenfalls verabschieden. Und auch in der Bundesliga, wo sie zwar weiterhin alle Chancen auf den Titelgewinn haben, veranlassen die jüngsten Auftritte nicht gerade zu Optimismus. "Wir können nicht träumen", sagte Trainer Lucien Favre.
Der Schweizer konnte sich zwar zuweilen sein freundliches Lächeln abringen, doch auch er wirkte einigermaßen angefasst. "Ich weiß nicht, ob es Nervosität war. Ich denke nicht", sagte er in Bezug auf den geschmolzenen Vorsprung in der Tabelle. Weniger gutmütig blickte er allerdings drein, als er auf die beiden Aussetzer seiner Abwehrspieler Zagadou und Hakimi vor den Gegentoren zu sprechen kam. Zagadou war vor dem 0:1 an der Außenlinie havariert, als er den Ball gegen Augsburgs André Hahn zu sorglos abschirmte und ausrutschte. Hakimi hatte den Ball im Aufbau gar direkt in die Füße des ehemaligen Dortmunders Ji gespielt, der seine starke Leistung und den leidenschaftlichen Kampf aller Augsburger mit einem kunstvollen Lupfer über Bürki hinweg zum 2:0 krönte. Favre sagte: "Was mir nicht gefällt: Ein Fehler kann passieren, aber zwei?" Zumal der Gegner abgesehen von diesen Szenen "praktisch keine Torchance" gehabt habe, "und wir verlieren 1:2".
"Die sind einfach unreif", schimpft BVB-Berater Matthias Sammer
Was Favre damit andeutete, sprach BVB-Berater Matthias Sammer im Eurosport-Studio offen aus. "Da kommt Borussia Dortmund mit dem Maßstab: Die sind schon deutscher Meister. Aber die sind unreif. Die sind einfach unreif", schimpfte er, "das Spiel wurde nicht sportlich, sondern im Kopf entschieden." Die Frage sei, ob alle Spieler gewusst hätten, was bei den ums Überleben kämpfenden Augsburgern auf sie zukomme. Sammer gab die Antwort selbst: "Die jungen wie Sancho, Hakimi und Zagadou wussten es nicht."
Gerade gegen die vermeintlich kleinen Gegner verhalte sich das Team "nicht wie ein Champion, sondern wie eine durchschnittliche Mannschaft in der Bundesliga." Und weil sich diese Naivität schon länger beobachten lasse, ist es seiner Meinung nach an der Zeit, "auf den Tisch zu hauen". Er ergänzte: "Wenn du Ursachen nicht benennst, wirst du dich wundern, warum dir am Ende ein Punkt zum Titel fehlt." Dann verließ auch Sammer jenen Schauplatz in Augsburg, der den Dortmundern wohl noch länger als vorläufiger Tiefpunkt in der Reihe ihrer jüngsten Rückschläge in Erinnerung bleiben dürfte.