BVB:Die neue Dortmunder Stabilität hat viel mit Emre Can zu tun

Bundesliga - Werder Bremen v Borussia Dortmund

Trägt enorm zum Erstarken des BVB bei: Neuzugang Emre Can.

(Foto: REUTERS)
  • Emre Can zeigt beim 2:0-Sieg gegen Werder Bremen einmal mehr, wie wertvoll er für den BVB ist.
  • Dortmund hat seine Lehren aus dem Pokal-Desaster von vor drei Wochen gezogen. Damals hate Favre Can noch geschont.
  • Nun hat Dortmund eine neue Stabilität erlangt - und sie hat viel mit Emre Can zu tun.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Es war nur eine kleine Geste, kein Zeichen, das der Spieler für andere setzen wollte, er hat es nur für sich selbst getan. Und doch sagt es viel über diesen Typ Profi, der Borussia Dortmund vielleicht gerade noch gefehlt hat, um aus einer unterhaltsamen Mannschaft eine erfolgreiche zu machen. Das Spiel in Bremen trippelte auf die Halbzeitpause zu, es stand 0:0. Werder war gut dabei, ohne der Borussia weh zu tun, als Milot Rashica antrat, kurz hinter der Mittellinie. Rashica ist so schnell, dass die kolportierte festgeschriebene Ablösesumme von 38 Millionen Euro, für die er im Sommer angeblich den Verein verlassen darf, nicht utopisch zu sein scheint.

Er trat also an, den Ball am Fuß, Dortmund kennt solche Situationen gegen Werder schon, denn Rashica hatte erst jüngst mit seinem Tempo das Pokal-Achtelfinale für Bremen gegen Dortmund entschieden. Aber im Pokalspiel spielte Emre Can noch nicht mit, der sich jetzt, in dieser 43. Minute, im Sprint nicht abschütteln ließ, sondern Rashica ablief und den Ball sauber klärte, lange bevor Gefahr entstehen konnte. Can deutete danach mit der Faust eine Geste an wie einst Boris Becker, wenn er mit dem Becker-Hecht noch einen Punkt erkämpfte.

Die Mannschaft, die diesmal 2:0 (0:0) im Weserstadion gewann, war nicht dieselbe, die noch am 4. Februar dort 2:3 verlor, als Opfer einer Pokalsensation. Dortmund spielte die Pflichtaufgabe im Titelrennen mit der Seriosität eines Buchhalters herunter, so wie es Trainer Lucien Favre gern hat. "Ein sehr schweres Spiel" sei das gewesen, sagte er, Werder habe "aggressiv und clever gepresst. Da musst du die Ruhe behalten, darfst nicht die Nerven verlieren."

Vor knapp drei Wochen hatte Dortmund die Nerven verloren und zur Halbzeit gegen ähnlich eingestellte Bremer 0:2 zurückgelegen, diesmal ging es torlos in die Pause. Auch wegen Emre Can, 26, der nicht immerzu auf Teufel komm raus den nächsten tödlichen Pass spielen will, sondern der sich dafür feiert, eine Glut ausgetreten zu haben, bevor es vor dem eigenen Tor brennen könnte. Can - 68 Prozent gewonnene Zweikämpfe, nur ein Fehlpass - sagte später: "Es war eine sehr geduldige und erwachsene Vorstellung von uns."

So kann man das sehen. Natürlich hatten die Dortmunder ihre Lehren gezogen aus dem Pokal-Desaster, als sie auf überhebliche Weise eine Titelchance weggeworfen hatten bei einem der aktuell schwächsten Teams der Bundesliga. Favre hatte Can damals noch geschont und auch auf Erling Haaland verzichtet, einen "der besten Stürmer der Welt", wie der Bremer Trainer Florian Kohfeldt findet. Auch Haaland spielte diesmal, und wie jedes Mal, wenn er aufläuft, war er ein Faktor. Nachdem Hakimi in der 66. Minute durch die Bremer Abwehr gestoßen war und den Ball in den Strafraum legte, stand da dieses blonde, norwegische Mittelgebirge und wuppte ihn ins Tor. 2:0, die Entscheidung.

"Körperlichkeit, Präsenz, Mentalität und Ansprache"

Kohfeldt verglich diese Szene später mit einer ähnlichen Szene - einfach, um daran zu verdeutlichen, warum Dortmund sehr viele Tore schießt und seine Mannschaft keine mehr. Kohfeldt erwähnte die 35. Minute, als die Bremer ihre einzige nennenswerte offensive Idee hatten: Bittencourt spielte einen Steilpasss auf Gebre Selassie, urplötzlich hatte Werder den Weg hinter die Dortmunder Abwehr gefunden. Sein Spieler sei in einer besseren Position gewesen als später Hakimi, verglich es Kohfeldt, "aber wir bewegen uns in der Box nicht gut". Wo Haaland mit seiner ganzen Wucht "hierher" brüllt, war von Davie Selke nicht mal ein Flüstern zu hören - Dortmunds Verteidiger Zagadou war vor ihm am Ball. Aus einer ähnlichen Szene, die für die Dortmunder wie zwangsläufig zum 2:0 führte, entstand bei Werder Bremen nicht einmal eine Torchance.

Das laut Favre "sehr schwierige Spiel", das sich für die Borussia erst nach dem 1:0 (52.) durch Zagadou im Anschluss an einen Eckball öffnete, darf als Ausweis eines Lernprozesses gelten. Nicht nur, dass die Schwarz-Gelben nicht zweimal dieselben Fehler gegen Bremen gemacht haben; sie haben auch eine Phase von nun schon drei Spielen hintereinander mit nur einem Gegentor erlebt, ohne die eigene Gefährlichkeit eingebüßt zu haben. 4:0 gegen Frankfurt, 2:1 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Paris, jetzt dieser unaufgeregte Pflichtsieg an der Weser, der höher hätte ausfallen können.

Die neue Dortmunder Stabilität sollte den Bayern, Leipzig und Gladbach als Warnung dienen - und sie hat viel mit Emre Can zu tun. Sebastian Kehl, der Leiter der Profi-Abteilung, findet, "Körperlichkeit, Präsenz, Mentalität und Ansprache" des Winterzugangs, der von Juventus Turin geholt wurde, täten Borussia gut. Diese "Ansprache" war übrigens in einer weiteren, kaum beachteten Szene zu erleben: Da tauchte im strömenden Regen plötzlich der sonst im Spiel eher schweigsame Lucien Favre am Rasenrand auf, als der Ball mal ruhte. Er redete mit einem Spieler, es war Emre Can.

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