BVB in der Champions League:Seufzer nach dem schweren Kater

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Brummschädel-Abend im Amsterdam: Die Dortmunder hatten mit dem holländischen 4-3-3 von Ajax im Hinspiel gewaltige Probleme. (Foto: Pro Shots/Imago)

Bei Borussia Dortmund wirkt der 0:4-Crash in Amsterdam immer noch nach. Trainer Rose wird nun auch daran gemessen, ob und wie es gelingt, den verletzen Haaland zu ersetzen.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Ihren Brummschädel sind sie bei Borussia Dortmund offenbar alle noch nicht ganz los, auch 14 Tage danach nicht. Ein paar Pflichtsiege haben sie seither beim BVB als halbwegs gelungene Rückkehr zur Normalität verbucht, gegen Bundesliga-Gegner wie Arminia Bielefeld und zuletzt den 1. FC Köln und zwischendurch im Pokal gegen den Zweitligisten Ingolstadt. Aber dieses 0:4 bei Ajax Amsterdam hallt noch immer nach. Und von so etwas wie "Aufholjagd" oder auch nur "Wiedergutmachung" mag Dortmunds Lizenzspieler-Chef Sebastian Kehl auch nicht reden. Bloß den Mund nicht zu voll nehmen, vor dem Champions-League-Rückspiel gegen Ajax am Mittwochabend - dazu war das Hinspiel wohl zu furchtbar.

"Das ist kein persönliches Duell zwischen Ajax und uns," will Kehl versichert wissen, "wir müssen unsere Situation in der Gruppe insgesamt im Auge behalten und benötigen alleine deshalb schon ein gutes Ergebnis." Keine Rede ist davon, dem holländischen Meister die Packung aus dem Hinspiel heimzuzahlen, sich vollends zu rehabilitieren, noch immer den Gruppensieg anzupeilen, das Rückspiel also diesmal selbst hoch zu gewinnen. Zu alledem kein Wort, denn die demoralisierende Art und Weise der Niederlage in den Niederlanden hat viele beim BVB zu sehr verunsichert.

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Noch einige Wochen wird der norwegische Topstürmer seinem Team fehlen, in seiner Abwesenheit glänzen beim 2:0 gegen Köln andere Angreifer. Trainer Marco Rose übt trotz einer erfreulichen Statistik Kritik.

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Vier Stück zu bekommen, gleich bei der ersten Begegnung dieser Saison mit einem der dickeren Pötte im europäischen Fußball, seit der neue Trainer Marco Rose in Dortmund das Ruder übernommen hat - das hat erkennbar Spuren hinterlassen.

Rose selbst ist sowieso kein Freund von großen Ankündigungen: "Wir haben an diesem Tag vor zwei Wochen eine schlechte Leistung gebracht," sagte der Coach am Dienstag, "das Ergebnis vom Hinspiel steht. Unser Kleinhirn hat das jetzt auf dem Radar. Aber ich sitze hier jetzt nicht voller Wut". Profifußball sei eben Tagesgeschäft, meinte Rose. Was der Psychologe halt so sagt, wenn er selbst noch nicht genau weiß, was er dem Patienten sagen soll.

Rose wird gemessen an der beeindruckenden letzten Serie von Übergangscoach Edin Terzic

In den Minuten nach dem Abpfiff des Hinspiels in Amsterdam hatte man den Eindruck, dass Rose nur wenig entfernt war von einem Wutanfall. Da war eine Menge Ärger und Frust, die man als Dortmund-Fan oder -Verantwortlicher von diesem Spiel bekommen konnte: "Der Kimmich", hatte der BVB-Trainer in Amsterdam über den Schlüsselspieler des nationalen Platzhirschen FC Bayern fauchend festgestellt, "der winkt dann nicht ab, der wird richtig sauer". Sollte wohl heißen: Während sich bei uns viele mit so einem 0:4-Untergang einfach abfinden, herrscht bei den Bayern eine Kultur des Ehrgeizes, die in so einer kritischen Situation alles verbrennt.

Allem Anschein nach hochgradig genervt: BVB-Trainer Marco Rose. (Foto: Ina Fassbender/AFP)

Dieser Vergleich mag sich inzwischen etwas relativiert haben mit dem 0:5 der Bayern im Pokal in Mönchengladbach, als die anderen Borussen den Münchnern sozusagen den Ajax machten. Doch was von der Aussage bleibt, ist, dass ein verhaltener Trainer-Typ wie Rose schon hochgradig genervt sein muss, wenn er den eigenen Spielern namentlich Joshua Kimmich und die Bayern als Gegenbeispiel vor die Nase hält. Und nach dem Auftritt in Amsterdam kamen in Dortmund zwangsläufig auch erste Seufzer auf. Wie schon vor Saisonbeginn vermutet, wird Marco Rose nicht an seinem Vorvorgänger Lucien Favre gemessen, sondern an der beeindruckenden letzten Serie von Übergangscoach Edin Terzic.

Der sah der Vorführung in Amsterdam von der Tribüne aus zu, als "Technischer Direktor", zu dem man ihn in Dortmund in Ermangelung einer richtigen Job-Beschreibung im Sommer ernannt hat. Mit Terzic gewann die Mannschaft die letzten sieben Bundesliga-Spiele der Vorsaison in Serie, sie wurde noch Zweiter und siegte auch im Pokalfinale, immerhin gegen RB Leipzig und Trainer Julian Nagelsmann. Weitere Fortschritte, darauf kann man sich in Dortmund einigen, hat die Mannschaft unter dem aus Mönchengladbach verpflichteten Rose bisher noch nicht gemacht.

Rose muss sich entscheiden: Die Spielweise ohne Haaland beibehalten oder ohne echten Stoßstürmer antreten?

"Das war in Amsterdam an dem Tag ein Klassenunterschied", sagte Sebastian Kehl, der im nächsten Sommer Nachfolger von Michael Zorc als Sportdirektor wird. "Wir hatten diese Leistung so nicht erwartet, da wir davor sehr erfolgreiche und gute Spiele hatten." Man habe sich danach zwar "berappelt", befand Kehl - aber gegen lauter Gegner, gegen die man nun wirklich immer gewinnen muss, wenn man die Dortmunder Ambitionen hat.

In Amsterdam ging der BVB noch mit Erling Haaland unter, und Kapitän Marco Reus leitete die Ajax-Show mit einem Eigentor selbst ein. Inzwischen ist der Torjäger Haaland verletzt, vermutlich noch für mehrere Wochen. Und in der Frage, wie man dieses 21-jährige Supertalent eine Zeit lang halbwegs gut ersetzt, entscheidet sich wohl in Dortmund nun auch ein bisschen die Frage, was man denn eigentlich am neuen Trainer hat. Zuletzt variierte Rose diese kreative Streitfrage: Die Spielweise ohne den Torjäger beibehalten und möglichst wenig verändern? Oder einen spielenden Ersatz finden und ohne echten Stoßstürmer wie Haaland antreten?

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So dünn wie die Zuschauerzahl ist auch der Unterhaltungswert des 2:0-Sieges gegen Ingolstadt. Der BVB fragt sich weiterhin, wo genau er in dieser Saison steht - und kämpft mit der Verletztenliste.

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Gegen Köln gelang dem U23-Angreifer Steffen Tigges - ebenfalls ein Kerl wie ein Baum, aber sicher kein Haaland - sein erstes Bundesliga-Tor. Doch ob Tigges das Format hat, auch gegen ein Kaliber wie Ajax Tore zu schießen? Vor der Saison hatte die Borussia gar nicht erst versucht, einen allzu ähnlichen Spielertypen als Backup für Haaland zu finden. "Erling will bekanntlich immer spielen und Tore schießen", sagte Kehl dazu schmunzelnd, "selbst in der 84. Minute will er ungern ausgewechselt werden, um mal etwas Kraft zu sparen".

Hinter so einem ehrgeizigen Neuner und dessen Ego mag kein Vertreter dauerhaft auf der Bank sitzen, gute Leute machen das einfach nicht. Stattdessen holte der BVB den niederländischen Nationalstürmer Donyell Malen aus Eindhoven, der ausgerechnet bei Ajax das Spiel gelernt hat. Malen kommt bisher nicht richtig in Schwung, obwohl er einen ähnlichen Speed hat wie Haaland und dessen Wucht durch feine Dribbling-Fähigkeiten ein bisschen ausgleicht. Aber Rose hat zuletzt überraschend Thorgan Hazard als einzige Spitze gebracht, oder später im Spiel Reus nach vorne beordert.

Der große Fußball scheint allerdings über die Strategie, ohne klassischen Mittelstürmer zu agieren, schon wieder hinweg zu sein. Und so wirkt diese Variante fast schon wieder etwas antiquiert. Man darf also gespannt sein, was der Trainer Rose dem berechenbar guten holländischen 4-3-3 von Ajax entgegensetzt. Wenn es schon keine "Aufholjagd" wird: Gewinnen müssen sie diesmal schon.

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