BVB in der Champions League:Dortmunds Hochbegabte verblüffen

  • Borussia Dortmund schafft in der Champions League ein 3:0 (0:0) gegen Monaco und steht nach zwei Spieltagen mit sechs Punkten blendend da.
  • Dabei zeigt der BVB in der zweiten Halbzeit, was die Mannschaft derzeit zu leisten im Stande ist.
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Von Felix Meininghaus, Dortmund

Als Marco Reus in der 69. Minute im Strafraum von den Beinen geholt wurde und Schiedsrichter Aleksei Kulbakov aus Weißrussland auf den Elfmeterpunkt zeigte, wusste Dortmunds Kapitän genau, was er zu tun hatte. Er deutete vehement auf seinen Kollegen Paco Alcácer und gab dem spanischen Mittelstürmer zu verstehen: "Du schießt."

Eigentlich ist Reus für die Ausführung eines solchen Standards vorgesehen, doch der Nationalspieler hat ein Gespür dafür, was gut und richtig für das Binnenklima seiner Mannschaft ist: "Ich hatte das Gefühl, dass ich ihm den Elfmeter gönne", sagte der 29-Jährige später, als er zu dieser Szene befragt wurde: "Paco ist total gut drauf, nach der Länderspielpause können wir noch mehr von ihm erwarten."

Die angesprochene Leihgabe des FC Barcelona knallte den Ball zwar an die Unterkante der oberen Torbegrenzung, schlimm war das aber nicht. Zwei Minuten später spielte Alcácar die gesamte Hintermannschaft von AS Monaco schwindelig und schoss zum vorentscheidenden 2:0 ein. Am Ende hatte Borussia Dortmund das Champions-League-Gruppenspiel gegen die Monegassen nach zähem Beginn mit 3:0 (0:0) gewonnen und dabei nicht nur den Nachweis erbracht, was alles möglich ist, wenn dieses Ensemble an Hochbegabten mal ins Rollen kommt, sondern auch, wie harmonisch es bei der Borussia zu laufen scheint.

Erinnerungen an den Anschlag von 2017

Im Revier steht es derzeit in jeder Hinsicht zum Besten. Das seit Wochen bestehende Hoch über dem Ruhrgebiet könnte durchaus noch ein bisschen anhalten. In seinen guten Phasen agiert die neu zusammengestellte Mannschaft mit einer Selbstverständlichkeit, die verblüffend erscheint. Verantwortlich für die Spielkultur ist Trainer Lucien Favre, dem das Projekt, gestandene Größen wie Reus, Axel Witsel und Thomas Delaney mit hochtalentierten Youngstern wie Jadon Sancho, Jacob Bruun Larsen und Dan-Axel Zagadou zu einer schlagkräftigen Einheit zusammenzufügen, mit Leichtigkeit von der Hand zu gehen scheint.

Dabei ist es doch Favre selbst, der für sein Wirken immer wieder Zeit und Geduld einfordert. Dieses ständig vorgetragene Mantra wiederholte der Schweizer auch nach dem Erfolg gegen Monegassen, die das Spiel nur eine Halbzeit lang ausgeglichen gestalten konnten, sich danach aber der Wucht ihres Widersachers beugen mussten. Am Ende war es eine Demonstration der neuen Dortmunder Stärke, dabei stand diese Begegnung unter besonderen Vorzeichen.

Es stand zu befürchten, dass die Erinnerungen an den Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus am 11. April 2017, ebenfalls vor einem Champions-League-Spiel gegen Monaco, die erneute Auseinandersetzung beider Klubs überschatten könnten. In Roman Bürki, Lukasz Piszczek, Julian Weigl, Marcel Schmelzer, Shinji Kagawa und Raphaël Guerreiro sind immer noch zahlreiche Akteure im Dortmunder Kader, die damals im Mannschaftsbus saßen, als auf dem Weg ins Stadion drei Sprengsätze detonierten. Vor dem Spiel habe er gedacht, "dass ich damit abgeschlossen habe", gab Torhüter Bürki zu Protokoll: "Aber um ehrlich zu sein, als wir mit dem Bus an der Stelle vorbei waren, da war ich froh. Danach konnte ich mich voll auf das Spiel fokussieren."

Favre findet die richtigen Einwechselspieler

Auf die Leichtigkeit des Seins des BVB scheinen solche Erinnerungen keinen Einfluss zu haben. Die auffallendste Qualität der neuen Borussia ist, dass die Mannschaft in der zweiten Halbzeit immer noch was draufzusetzen hat. Was unter anderem daran liegt, dass sich die Profis in hervorragender körperlicher Verfassung befinden, in erster Linie jedoch dem Umstand geschuldet ist, dass Favre das Spiel mit seinen Einwechselungen immer in die gewünschte Richtung lenken kann.

Das klappte schon beim schmeichelhaften Champions-League-Auftaktsieg in Brügge, als Dortmunds Trainer mit Christian Pulisic den Matchwinner ins Spiel brachte, das klappte zuletzt in Leverkusen, als Sancho und Alcácer (zwei Jokertore) maßgeblich mithalfen, aus einem 0:2 ein 4:2 zu machen und das funktionierte auch gegen Monaco, als Jacob Bruun Larsen sechs Minuten nach seiner Einwechselung die Führung gelang.

Die Bilanz des BVB ist glänzend

Wohl dem, der so viel Qualität auf der Bank hat. Reus hält es "für brutal wichtig, dass wir nach den englischen Wochen auf der Bank so viel Potenzial haben und nachschießen können". In der zweiten Halbzeit schafften es die Dortmunder, eine solch wunderbare Balance zwischen Abwehr und Angriff auf den Rasen zu bringen, dass dem Perfektionisten Favre trotz der kühlen Abendtemperaturen wohlig warm ums Herz geworden sein dürfte. Da demonstrierte der BVB, wie viel mitreißenden Tempofußball er zelebrieren kann, wenn diese Mannschaft mal ins Rollen kommt.

Tatsächlich ist die Bilanz glänzend: Im DFB-Pokal in Runde zwei, in der Bundesliga liegt der Revierklub an der Tabellenspitze, in der Champions League verbucht die Borussia nach zwei Spielen die Optimalausbeute von sechs Punkten. Was für ein Unterschied zur vergangenen Saison, als die Borussia in der Liga zwar auch gut startete, in der Champions League jedoch in der Vorrunde gerade zwei mickrige Punkte gegen den Fußballzwerg aus Nikosia erwirtschaften konnte.

Und was sagt der ewige Mahner Lucien Favre zum Höhenflug? "Sie dürfen nicht vergessen, dass diese jungen Spieler noch Zeit brauchen, um zu reifen. Es gibt noch viele Details zu verbessern."

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