Europa League:Glück und Raketen

Europa League 2018: Borussia Dortmund holt in der Zwischenrunde gegen Atalanta Bergamo ein 1:1 im Rückspiel.

Glücklich weitergekommen, aber nicht unbedingt verdient: André Schürrle beim 1:1 des BVB bei Bergamo.

(Foto: REUTERS)
  • Borussia Dortmund erreicht durch ein 1:1 bei Atalanta Bergamo das Achtelfinale der Europa League.
  • Dabei ist nicht nur die Leistung der Mannschaft schwach. Viele Fans auf der Tribüne benehmen sich daneben.
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Von Felix Meininghaus, Reggio Emilia

Es war kurz vor Mitternacht, als sich Mario Götze vor die nach Italien mitgereisten Journalisten stellte, um die 90 Minuten auf dem Spielfeld aus seiner Sicht darzulegen. Es war wohltuend, dass sich der Nationalspieler gar nicht erst bemühte, die Dinge schönzureden. "Wir haben viel investiert und dann mit Glück den Ausgleich gemacht. Wir sind sehr, sehr erleichtert, dass wir weitergekommen sind."

Das späte Erfolgserlebnis beim insgesamt schmeichelhaften 1:1 (0:1) gegen Atalanta Bergamo in der ersten K.o.-Runde der Europa League wurde von den Beteiligten als das eingestuft, was es war: Kein Resultat, das sich die Mannschaft wirklich verdient hatte. Nach dem ebenfalls schmeichelhaften 3:2 im Hinspiel reichte das Remis allerdings, um weiter davon träumen zu dürfen, im Mai den letzten Pokal zu holen, der dem Traditionsklub noch fehlt. "Es ist doch klar, dass es glücklich ist, wenn du so spät den Ausgleich machst", sagte Trainer Peter Stöger, und es war ihm anzusehen, wie sehr er es zu schätzen wusste, dass es noch einmal gereicht hatte. Aber das Glück der Dortmunder könnte bald aufgebraucht sein.

Nicht nur die Leistung der Mannschaft war schwach. Dazu kam, dass sich die mitgereisten Fans wieder einmal derbe danebenbenahmen. Zum wiederholten Male wurde im Dortmunder Block jede Menge Pyrotechnik abgefackelt, es flogen auch noch Leuchtkugeln in die Zuschauerränge und auf das Spielfeld, eine Rakete landete nur knapp neben Atalanta-Profi Hans Hateboer. "Wir verurteilen das aufs Schärfste. Das gehört nirgendwo hin und sollte irgendwann aufhören", sagte BVB-Kapitän Marcel Schmelzer. Die Visitenkarte, die der BVB in Europa abgibt, ist verheerend. Irgendwann wird es die Uefa nicht mehr bei Geldstrafen belassen, sondern mit drastischen Maßnahmen wie Platzsperren reagieren.

Aber auch italienische Fans gaben offenbar ein erschreckendes Bild ab. Dortmunds Stürmer Michy Batshuayi prangerte rassistische Rufe an. "2018 und es gibt immer noch rassistische Affengeräusche von den Rängen - ernsthaft?! Ich hoffe, ihr habt Spaß, den Rest der Europa League vor dem TV zu verfolgen, während wir noch dabei sind", schrieb er bei Twitter. Nach Angaben des Belgiers kamen die Rufe aus dem Block mit den Atalanta-Fans.

Die sportliche Vorstellung des BVB in Reggio Emilia, dem europäischen Ausweichspielort von Atalanta Bergamo, war weder abgeklärt noch souverän. Vor allem während der blutleeren Vorstellung der ersten Halbzeit - Toloi brachte die Italiener in der 11. Minute in Führung - sah Stöger "sehr wenig von dem, was wir uns vorgenommen haben". Der Österreicher monierte "zu wenig Präsenz in den Zweikämpfen. Das war körperloses Spiel, das hat nicht viel von Männerfußball gehabt." Fußballerische Primärtugenden wie Kampf und Leidenschaft sind bei der Borussia derzeit unterrepäsentiert.

Die größte Problemzone, so hat Stöger inzwischen erkannt, ist nicht die oft kritisierte letzte Verteidigungsreihe, sondern der Bereich vor der Abwehr. Dort, wo es gilt, die gegnerischen Angriffsbemühungen frühzeitig zu stören, entfaltet der BVB zu wenig Wucht. Zu viele Feingeister, die ihre Aufgaben gerne spielerisch lösen, zu wenige Krieger, die sich resolut dazwischenwerfen.

"Wenn du im Offensivspiel die Bälle nicht behauptest und für keine Entlastung sorgst, ist es nicht unser Spezialgebiet, sich dagegen zu stellen und Angriffe abzufangen", hat der Österreicher beobachtet. "In diesem Bereich", so Stöger, "sind wir noch nicht so weit, wie wir es gerne hätten." Gegen Bergamo waren Nuri Sahin und Mahmoud Dahoud mit der Aufgabe betraut, vor der Abwehr aufzuräumen, überzeugend war ihre Vorstellung nicht. Auf der Position des sogenannten Sechsers schwächeln die Dortmunder signifikant.

Sven Bender, der dem vermissten Anforderungsprofil noch am ehesten entspricht, wurde nach Leverkusen abgegeben, Sahin hat sich für höhere Weihen als zu langsam erwiesen, Gonzalo Castro ringt seit Wochen um seine Form, der ehemalige Gladbacher Dahoud ist noch immer nicht richtig in Dortmund angekommen und auch Julian Weigl, der gegen Bergamo gelbgesperrt zuschauen musste, ist weit von der Verfassung entfernt, die ihn unter Thomas Tuchel zur viel bestaunten Entdeckung gemacht hatte.

Die Kritik großer Teile der Medien, die der Mannschaft vorwerfen, zwar erfolgreichen, aber keinen attraktiven Fußball zu bieten, ließ Stöger mit der ihm eigenen Wiener Gelassenheit an sich abprallen. Stattdessen verwies er auf die Zahlen: "Ich bin nicht beleidigt und nehme das zur Kenntnis. Wir können viel diskutieren, was Anspruch und Wirklichkeit ist. Fakt ist, wir haben zusammen elf Spiele gemacht und davon nur das Pokalspiel in München verloren."

Ähnlich sieht es Kapitän Marcel Schmelzer, der nach überstandener Wadenverletzung in der zweiten Halbzeit ins Spiel kam und mit einem seiner ganz seltenen Tore in der Schlussphase (83.) zum Helden avancierte: "Ob glücklich oder verdient, ist mir völlig egal. Das könnt Ihr Journalisten werten, wie Ihr wollt. Hauptsache, wir sind eine Runde weiter." Dass der Traum vom Gewinn der Europa League immer noch lebt, war tatsächlich das Positivste an einem verregneten Winterabend im Herzen Italiens.

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