BVB in der Champions League:4:0, viernull, VIERNULL!

  • In dieser Form macht der BVB tatsächlich Angst: Beim 4:0 gegen Atlético klappt bei den Dortmundern fast alles.
  • Trainer Favre kann einwechseln, wen er will: Alle Profis funktionieren aktuell so gut, dass der Mannschaft vieles zuzutrauen ist.
  • Auch Mario Götze spielt 90 Minuten durch.

Von Carsten Scheele, Dortmund

Diego Simeone stapfte tief in sich gesunken durch die Gänge der Arena. Den Blick starr nach vorne gerichtet, die Mimik völlig regungslos, bahnte er sich den Weg. Niemand traute sich, den sonst so emotionalen Argentinier anzusprechen. Der BVB hatte den schier unverwüstlichen Trainer von Atlético Madrid an diesem Abend tatsächlich angekratzt.

Ein ganz anderes Bild kurz zuvor auf dem Rasen: Da tanzten die Dortmunder Spieler, da hüpften die Fans auf den Tribünen. 4:0, immer wieder dröhnte das Ergebnis über die Stadion-Lautsprecher, viernull, VIERNULL! Borussia Dortmund hat am Mittwochabend nicht nur einen seiner eindrucksvollsten Siege in der Champions League eingefahren, sondern gleichzeitig ein kleines Zeichen nach Europa geschickt: Für diese Mannschaft könnte national und international in dieser Saison einiges möglich sein.

Denn der Gegner, dieses Atlético, war nicht irgendeine Mannschaft, gegen die bei glücklichem Spielverlauf schon mal ein 4:0-Sieg rausspringen kann. Nein, dieses Atlético verfügt über einige der besten Defensivkünstler der Fußballwelt. Für Stürmer ist es normalerweise ein Albtraum, gegen Diego Godin und Co. zu spielen, da sind die gegnerischen Schienbeine besonders hart, da tut jeder Zweikampf weh. Zweimal stand die Mannschaft in den vergangenen Jahren im Finale der Champions League, eben weil das Team von Simeone eine exzellente Verteidigung als erste und schärfste Waffe ansieht. Noch nie hatte die Mannschaft 0:4 verloren, seit Simeone hier Trainer ist, also seit 2011 - bis zur Demütigung in Dortmund.

Da wurde Atlético auseinandergespielt, ähnlich wie zuvor mancher Gegner in der Bundesliga, vor allem in der Schlussviertelstunde. Zack, zack, zack fielen die Tore, bevor Atlético noch einmal zu einer Schlussoffensive hätte ansetzen können. Das Ganze übrigens in Abwesenheit von Paco Alcácer, dem erfolgreichsten BVB-Stürmer, der sich kurzfristig mit Oberschenkelbeschwerden abgemeldet hatte. Er hätte es sich "nicht besser ausmalen können", jubilierte Marco Reus, der Kapitän. Sebastian Kehl, Leiter der Lizenzspieler-Abteilung, urteilte, die Mannschaft hätte die "Reifeprüfung mehr als bestanden".

Nach drei Spielen steht der BVB mit drei Siegen und 8:0 Toren an der Tabellenspitze der Gruppe A, kann ziemlich sicher für die K.-o.-Phase planen und ist, ganz nebenbei, auch noch Tabellenführer in der heimischen Bundesliga. Ein bisschen Angst macht dieser BVB in der aktuellen Verfassung schon, vermutlich auch dem FC Bayern, der in zwei Wochen zum Liga-Gipfeltreffen kommt (und gerade eine ganz andere Phase durchmacht).

"Wir hatten viel Mühe"

Dortmunds Trainer Lucien Favre, mit dem der Aufstieg maßgeblich zusammenhängt, mühte sich hinterher, den Sieg einzuordnen. "Wir haben einen großen Gegner geschlagen", sagte Favre, aber "4:0 ist viel". Er erinnerte an die Phase kurz nach der Pause, als Madrid drauf und dran war, den Führungstreffer von Axel Witsel aus der 38. Minute auszugleichen. Es waren jene Minuten, in denen Atlético enorm viel Druck entfachte, in der Saúl Niguez drei gute Gelegenheiten hatte, einmal die Latte traf. In der Atlético so spielte, wie man das Spiel der Spanier eigentlich über 90 Minuten erwartet hatte. "Wir hatten viel Mühe", gestand Favre. Reus sprach sogar von einem "brutalen Spiel".

Brutal aber auch für Atlético, denn was folgte, war eine Demonstration der Dortmunder Stärke dieses Herbstes. Favre wechselte aus - nicht etwa Mario Götze, der über 90 Minuten durchspielte -, und gab dem Spiel somit den finalen Impuls. Die Einwechslungen des Schweizers sind eine der Geschichten dieser Saison, denn beim BVB trifft aktuell eigentlich jeder, der von der Bank in die Partie kommt. Diesmal brachte der Trainer Raphaël Guerreiro und Jadon Sancho, binnen weniger Minuten hatte Dortmund von 1:0 auf 4:0 gestellt. Drei saubere Konter, erst traf Guerreiro auf Vorlage des starken Ashraf Hakimi (73.), dann Sancho (83.), kurz darauf wieder Guerreiro (89.).

Es waren - wirklich wahr - die Jokertore 14, 15 und 16 dieser gerade zwei Monate alten Spielzeit. Ein Zufall? Eher nicht. "Die Spieler wissen, was sie machen müssen", lobte Favre seine Einwechselkräfte, "und sie sind auch einfach gut."

Das sah Simeone, als er seine Sprache wiedergefunden hatte, übrigens genauso. Der BVB sei "auf einem großartigen Weg", sagte der Argentinier zwar etwas müde, aber anerkennend: "Hoffentlich können sie so weiterspielen, denn es macht großen Spaß, ihnen zuzusehen." Das Zeichen, das die Dortmunder mit diesem Sieg gesendet hatten, war bei Simeone auf jeden Fall angekommen.

Die Angst der BVB-Fans, es könnte am Ende doch so laufen wie im Vorherbst, als Dortmund nach starkem Saisonstart einen großen Einbruch erlitt, scheint nach aktuellem Stand unbegründet. "Wir träumen nicht, wir sind immer da", sagte Favre noch. Diese neue, manchmal etwas unheimliche Stärke des BVB soll am 6. November erst Atlético im Rückspiel zu spüren bekommen - vier Tage darauf aber auch der FC Bayern in der Bundesliga.

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