Süddeutsche Zeitung

Buschreiten:Jede Blume hilft

Die deutschen Reiter holen bei der Vielseitigkeits-WM Team-Gold und vergeben einen Einzelsieg. Der Sport selbst arbeitet weiter an seinem Ruf.

Von Gabriele Pochhammer, Pratoni del Vivaro

Das Gold für Michael Jung blinkte schon in der Sonne Italiens, ­ dann begrub Chipmunk die Hoffnungen seines Reiters unter einem Haufen blau-weißer Stangen am allerletzten Hindernis, warf ihn auf Rang fünf zurück. Das konnte den Teamsieg aber nicht mehr gefährden. Mit 95,2 Punkten wurden die Deutschen auf dem hügeligen Gelände von Pratoni del Vivaro vor den Toren Roms Weltmeister der Vielseitigkeit. Mannschaftssilber ging an die USA (100,3), Bronze nach Neuseeland (100,7). Die favorisierten Briten fielen im Springen auf Platz vier zurück (100,9). Neue Weltmeisterin wurde die britische Einzelreiterin Yasmin Ingham auf Banzai du Loir (23,2) vor Julia Krajewski auf Amande de B'Neville (26,0) und dem Neuseeländer Tim Price auf Falco (26,2). Christoph Wahler wurde nach einer Nullrunde im Parcours 22. Sandra Auffarth lieferte mit drei Abwürfen das Streichergebnis (23).

Teamplatz sieben hätte für die Olympiaqualifikation gereicht. Einen besseren Einstand hätte sich der neue Bundestrainer Peter Thomsen kaum wünschen können. Er selbst ist schon hier gestartet und kannte die Schwierigkeiten des Geländes: ermüdende Bergauf-Strecken, brisante Bergab-Hindernisse, schwierige Kombinationen. Drei von vier deutschen Teamreitern bewältigten am Samstag die Strecke innerhalb des Zeitlimits von 9:50 Minuten. Während Jung zugab, dass er mit dem 15-jährigen Chipmunk einige brenzlige Momente hatte, ließen die Olympiasiegerin Julia Krajewski auf der zwölfjährigen Amande de B'Neville sowie Sandra Auffarth auf dem 13-jährigen Viamant de Matz den Kurs kinderleicht aussehen. Auch der "Pfadfinder" des Teams, Christoph Wahler, Teamneuling und erster Starter des Tages auf dem 13-jährigen Carjatan, machte seine Sache mit einem fehlerfreien Geländeritt, 24 Sekunden über dem Zeitlimit, und einem brillanten Nullfehlerparcours hervorragend. Kein Pferd stürzte im Gelände, sieben der 88 Reiter fielen herunter. Zwei davon mussten ärztlich betreut werden, blieben aber weitgehend unverletzt - für die Vielseitigkeit, die sich ständig einer kritischen Öffentlichkeit gegenüber sieht, sind solche Zahlen wichtig, und am vergangenen Samstag besonders.

Die Hindernisse sollen freundlicher und für die Pferde besser erkennbar werden

Denn unter den Zuschauern war auch der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach. Eigentlich war er erst für Sonntag für die Preisüberreichung erwartet worden, warf dann aber selbst einen Blick auf die Geländestrecke. Begleitet von einem Tross aus Führungskräften des Weltreiterverbandes FEI marschierte er weite Teile der circa 5800 Meter langen Strecke ab, ließ sich jede Blume und jeden Busch zeigen, die die Hindernisse freundlicher und damit für die Pferde besser erkennbar machte, vor allem aber das Sicherheitssystem MIM. Es sorgt dafür, dass sich bei heftigem Anschlagen ein Mechanismus öffnet und die Stange zu Boden fällt. Damit können die gefürchteten Überschlagstürze verhindert werden.

"Da ist eine Menge passiert für die Sicherheit der Pferde" lobte Bach. Ein Problem seien immer noch die hohen Kosten. Der Parcourschef Giuseppe dell Chiesa hatte in Pratoni zwar einen eher schlichten Kurs - viele Holzstämme ohne teuren Schnickschnack - gebaut, "aber die Hindernisse sind ja nicht die einzigen Kosten. Es geht auch um Fernsehproduktionskosten, Übertragungsplätze und vieles mehr", sagte Bach. "Aber wir müssen diesen Sport mehr unter die Leute bringen. Die FEI weiß, dass sie diese Probleme in Angriff nehmen wird. Ich bin zuversichtlich, dass die Vielseitigkeit auch nach Los Angeles eine Zukunft hat."

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