Bundestrainer vor dem Irland-Spiel:"Wir sind sogar froh über konstruktive Kritik"

Nationalspieler dürfen Einwände vorbringen und Lahm verteidigt hinten rechts: Joachim Löw stellt vor den WM-Qualifikationsspielen mit energischen Worten einiges klar. Die Probleme mit Hummels sind ausgeräumt, Benachteiligung für Dortmunder Profis habe es nie gegeben.

Von Philipp Selldorf, Düsseldorf

Als neulich die Fachzeitung kicker auf ihrer Titelseite ein weltexklusives Interview mit Mats Hummels ankündigte und daraus den Satz "Beim DFB sieht man Kritik nicht gern" zitierte, herrschte beim DFB große Irritation. Die Leute beim Verband hätten gerne gewusst, über wen sich Hummels da beschwerte.

Der Bundestrainer jedenfalls fühlte sich nicht angesprochen von der Kritik an der angeblich mangelnden Kritikfähigkeit, weshalb er nun den Kritiker kritisierte: "Dass man beim DFB keine Kritik äußern darf, ist mir neu", stellte Joachim Löw vor den Medien in Düsseldorf fest und berichtete, dass er darüber auch den Verteidiger Hummels informiert habe: "Wir sind erwachsen und professionell und sogar froh über konstruktive Kritik. Wer glaubt, dass wir jemanden nicht aufstellen, weil er seine Meinung äußert, ist weit weg von der Realität."

Das Gespräch mit Hummels, das offenkundig den Charakter einer Belehrung hatte, bezeichnete der Bundestrainer als "sehr gut und angenehm". Löw hob hervor, "dass wir überhaupt kein Problem miteinander haben", und machte dem Verteidiger, der sich über einen Mangel an Vertrauen im DFB-Team beklagt hatte, Komplimente: "Ich sehe Mats auf ganz hohem Niveau, er hat sich klasse entwickelt."

Das klang gut, jedoch bei näherem Hinhören nicht ganz so gut, wie es die Kritiker im Umkreis der Borussia gern hätten, denn hinter dem Lob verbarg sich auch ein wenig Tadel, der gleich wieder Dortmunder Empfindsamkeiten wecken könnte: "Mats ist ein überragender Verteidiger, der bei mir vielleicht noch das eine oder andere Detail verändern muss. Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit ihm, auch wenn er im Moment mal nicht erste Wahl ist", so Löw.

Dass am Freitag im Spiel gegen Irland erstmals seit langer, langer Zeit kein Dortmunder in der Startelf stehen wird, dürfte mit dieser Äußerung klar sein. Wie zuletzt gegen Österreich und auf den Färöern werden wohl Per Mertesacker und Jérôme Boateng den Vorzug in der Abwehr erhalten.

Nicht nach der öffentlichen Meinung

Löw nutzte in Düsseldorf zudem die Gelegenheit, ein wenig Debattenhoheit zurückzugewinnen. Energisch wies er darauf hin, dass er seine Beschlüsse auch in Zukunft nicht nach der öffentlichen Meinung richten werde ("dass es viele selbsternannte Bundestrainer gibt, ist normal").

Mit seinem Trainerstab treffe er "völlig autark und unaufgeregt Entscheidungen. Ein Nationaltrainer darf nicht Fähnchen im Winde sein", sagte er und bezog sich dabei auch auf die Diskussion um den Leverkusener Schützenkönig Stefan Kießling. Das Thema betrachtet Löw nun jedoch als abgeschlossen: Kießling habe sich bereit erklärt, bei Bedarf einzuspringen: "Das finde ich klasse", betonte Löw.

Philipp Lahm wird gegen Irland seine gewohnte Rolle als Rechtsverteidiger einnehmen, eine Verwendung im Mittelfeld, wie sie derzeit beim FC Bayern praktiziert wird, komme zunächst nicht in Frage, sagte Löw: "Er ist der beste Außenverteidiger der Welt." Auch einer anderen Münchner Sonderlösung erteilte Löw eine vorläufige Absage: Er hat nicht vor, Thomas Müller als verkappte Sturmspitze respektive als Ersatz für die verletzten Mario Gomez und Miroslav Klose einzusetzen.

"Rechts sehe ich ihn sehr gefährlich und wichtig für uns", meinte er. Vielleicht erhält der Gladbacher Max Kruse eine Chance im Sturm, Löw hat Gefallen an ihm: "Ballsicher, laufstark, agil" - Eigenschaften, die am Freitag gefragt sind. Die Iren seien zwar "nicht unbedingt Weltmeister im Ballhalten", aber sie könnten "wahnsinnig gut verteidigen", findet Löw.

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