Bundesligisten Gladbach und Wolfsburg:Die Jäger verweigern den Angriff

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Raffael erlebt erfolgreiche Zeiten bei Borussia Mönchengladbach, doch den FC Bayern will sein Verein nicht herausfordern. (Foto: dpa)

Borussia Mönchengladbach und der VfL Wolfsburg haben nur vier Punkte Rückstand auf den Tabellenführer der Bundesliga. Trotzdem wollen beide etwas überhaupt nicht sein: Jäger des FC Bayern München.

Von Sebastian Fischer, Berlin

Am Freitag hat für die Fußballer von Borussia Mönchengladbach ausnahmsweise mal was nicht funktioniert. Ihr Rückflug von Zypern nach Deutschland verzögerte sich, die Flugzeugbatterie war defekt. Für André Hahn und Patrick Herrmann war das eine völlig neue Situation, sie wirkten überfordert. Der eine schaute mit leerem Blick auf sein Handy, der andere griff verstört zu einer Flasche Eistee. So ist es auf dem Bild zu sehen, das die Borussia auf Twitter veröffentlichte.

Bei den Gladbachern klappt derzeit ansonsten ziemlich viel. Am Donnerstag, zum Beispiel, haben sie zum 18. Mal in Serie nicht verloren, mit 2:0 Toren in der Europa League gegen Apollon Limassol gewonnen, und damit einen Vereinsrekord aus den Siebzigerjahren überboten.

Nur vier Punkte Rückstand auf den FC Bayern

Aus Sicht des deutschen Fußballs ziehen die Gladbacher aus ihrer Stärke jedoch nicht den richtigen Schluss. Denn sie wollen Tabellenführer FC Bayern nicht herausfordern, womit dem deutschen Fußball im Winter 2014 eine Kulturrevolution droht. Die hierzulande sehr ausgeprägte Fußball-Kultur bedient sich ja seit jeher mit großer Leidenschaft eines martialischen Jargons. Doch ein Begriff wird, aller Voraussicht nach, aus dem Wortschatz verschwinden: der "Bayern-Jäger."

Die Mannschaften auf Platz zwei und drei der Bundesliga-Tabelle haben zwar nur vier Punkte Rückstand auf den Tabellenführer. Das klingt nicht nach viel, immerhin wurden die Bayern in der vergangenen Saison mit 19 Punkten Vorsprung deutscher Meister. Das Dilemma ist jedoch: Es ist nicht der willige Bayern-Jäger Borussia Dortmund Zweiter, sondern punktgleich zwei Teams, die überhaupt gar nicht mehr wollen, als am Ende Zweiter oder Dritter zu werden: Mönchengladbach und der VfL Wolfsburg.

Dabei könnte alles so schön sein. Sowohl Wolfsburg als auch Mönchengladbach spielen gerade begeisternd frechen Offensivfußball. Wenn man so will: Jägerfußball. Und sie gewinnen auch, wenn sie schlecht spielen - so wie die Gladbacher am Donnerstag in Limassol. Es war ein quälender Kick, ein 0:0-Spiel, doch dann hielt Raffael seinen Kopf in eine Flanke, 1:0. Herrmann traf zum 2:0-Endstand.

Als es dann am Abend in Limassol um die Bundesliga ging und, jedenfalls unterschwellig, um die Bayern-Jagd, hat der Gladbacher Sportdirektor Max Eberl mal wieder abgewiegelt. Gladbach spielt am Sonntag gegen Dortmund und ist als Tabellen-Dritter natürlich Favorit. Oder? "Der BVB zählt immer noch zu den besten Mannschaften in Europa. Wir wollen dort ein gutes Spiel machen und ein gutes Resultat holen", sagte Eberl, von Jagd-Vokabular keine Spur. Immerhin, so berichtet die Deutsche Presse-Agentur, habe Eberl ein wenig geschmunzelt.

Schmunzeln, ablehnen - in Wolfsburg wehren sie sich im Vergleich dazu beinahe aggressiv dagegen, Hoffnungsträger für ein wenig Spannung im deutschen Fußball zu sein. Nach dem 4:0-Sieg beim VfB Stuttgart am vergangenen Wochenende habe Manger Klaus Allofs, so überlieferte es der Sport-Informations-Dienst, die Augenbrauen hochgezogen, geschnauft und mit dem Kopf geschüttelt: "Wir jagen Punkte", hat er gesagt: "Wir sind keine Jäger der Bayern oder sonst irgendwas."

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"Wir werden deutscher Meister", singen die Fans

Dabei ist der VfL eigentlich ein potenterer Meisterschaftsanwärter als Gladbach, immerhin haben sie die Millionen eines Autobauers in der Hinterhand, mit denen Allofs eine international konkurrenzfähige Mannschaft zusammengestellt hat, um den immer erstaunlicher aufspielenden Belgier Kevin De Bruyne auf der Schlüsselposition im Mittelfeld. Am Donnerstag, beim 5:1 in der Europa League gegen den FK Krasnodar, trafen dann sogar Aaron Hunt und Niklas Bendtner, jene im Sommer verpflichteten Stürmer, die zuvor meist auf der Ersatzbank gesessen hatten.

Von einem Angriff auf den FC Bayern sprach trotzdem niemand, nicht in Wolfsburg, nicht in Limassol. Dort, im fast menschenleeren Stadion in der zyprischen Hafenstadt, sangen immerhin die Gladbacher Fans ein hoffnungsvolles Lied. "Wir hol'n den U-Uefa-Cup", mutmaßten sie: "Und werden deutscher Meister."

Allerdings kam am Freitag für die tapferen Fans, ja: für die deutsche Fußball-Kultur, die so gerne einen Jäger auserwählen würde, eine schlechte Nachricht. Pep Guardiola trat in München vor die Presse, erbarmungslos. Er verkündete: "Wir wollen unseren Vorsprung vergrößern."

© SZ vom 08.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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