Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Zweifeln in Mönchengladbach

Lesezeit: 3 min

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Fußball in einer Schneekugel ist eine grenzwertige Angelegenheit. Lustig wirbeln die Schneeflocken durcheinander und tanzen den Fußballern auf der Nase herum. Aber damit die Flocken immer weiter wirbeln, muss man die Schneekugel schütteln. Und genauso haben am Freitagabend die Fußballer von Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen gespielt - als hätte jemand die riesige Schneekugel namens Borussia-Park durchgeschüttelt.

In der ersten Halbzeit waren die Bremer desorientiert, in der zweiten die Gladbacher. Jede Mannschaft nutzte eine der Halbzeiten zu je zwei Toren. Und weil die Gladbacher zur Pause 2:0 geführt hatten und am Ende nur 2:2 spielten, waren sie am Ende enttäuscht - und die Bremer zufrieden. "Dieser Punkt ist gut für die Moral", sagte Werders Trainer Florian Kohfeldt, die abstiegsbedrohten Bremer kommen jetzt auf 27 Punkte. Gladbach bringt der eine Zähler im Kampf um die Europapokal-Plätze hingegen kaum weiter.

Zwei zwangsausgewechselte Spieler, die verlorene Zwei-Tore-Führung und zwei verlorene Punkte - all das schürte neuerliche Zweifel an Gladbachs Konstanz. Hinterher klagten die Gladbacher vor allem über die notwendig gewordenen Herausnahmen ihrer beiden defensiven Mittelfeldspieler Denis Zakaria und Christoph Kramer. Dadurch hätten sie Stabilität, Struktur und eben Punkte verloren.

Kramer verletzte sich in der 72. Minute und musste mit einem eingeklemmten Nerv im Wadenbein hinaus. Aber den Schweizer Zakaria, der Gladbachs erstes Tor geschossen und das zweite vorbereitet hatte, nahm Trainer Dieter Hecking zur Pause nach eigenem Gusto aus dem Spiel. Hecking hielt ihn für akut Gelb-Rot-gefährdet und sah nach eigener Auskunft keine Alternative zur Auswechslung. "Gerade auf diesem Boden, wo es glatt war und man aber trotzdem in die Zweikämpfe musste, gab es keine andere Möglichkeit, als ihn herauszunehmen", sagte Hecking auf die Frage, ob Zakaria mit dem Bemühen um mehr Disziplin nicht vielleicht doch auf dem Feld hätte verbleiben können.

Ein bisschen wie beim Eishockey

So aber profitierten die nach der Pause ohnehin sehr stark aufspielenden Bremer davon, dass anstelle des jungen Zakaria der noch jüngere Michael Cuisance spielte - und anstelle von Kramer ab der 73. Minute der eigentliche Rechtsverteidiger Tony Jantschke. "Mit dem Verlust der beiden arrivierten Sechser haben wir natürlich auch Stabilität verloren", klagte hinterher Sportdirektor Max Eberl, "so eine wichtige Achse spielt schon eine bedeutende Rolle, und wir haben bei 2:0-Führung eben unser Herzstück verloren."

Dieses Spiel hatte durch den unablässig herabrieselnden Schnee ein bisschen was von Eishockey: häufiger Wechsel beim Ballbesitz, wenig Kontrolle, geringe Standfestigkeit der Athleten. Die Gladbacher hatten zwar just einen neuen Rasen verlegen lassen. Doch mit all dem Schnee darauf ist auch eine niegelnagelneue Auslegeware eine Rutschbahn. Den Gladbachern war das anfangs allerdings ganz recht, sie bekamen von den Bremern erhebliche Hilfestellungen. Das erste Tor bereitete der Bremer Thomas Delaney nach nur fünf Minuten vor, und den zweiten Treffer erzielte der Bremer Niclas Moisander sogar selbst, als er nach einer guten halben Stunde eine scharfe Hereingabe vom 1:0-Schützen Zakaria ins eigene Tor abfälschte. Da tanzten die heimischen Fans mit den Schneeflocken schon um die Wette. Doch das böse Ende kam noch.

Der gelbbelastete Zakaria beging zwei Fouls, die ihm noch vor der Pause jeweils Gelb-Rot hätten einbringen können. Hecking verband mit der Auswechslung das gute Gefühl, nach der Pause überhaupt noch elf Spieler auf den Platz entsenden zu können. Trotzdem entglitt ihnen der Erfolg in der letzten halben Stunde noch, weil nach 59 Minuten Yann Sommer einen Kopfball von Delaney nicht erreichte und über sich hinweg ins Tor fliegen lassen musste. Der Kopfball war eigentlich ein Schulterball, denn Delaney hatte den Ball gar nicht richtig erwischt. Den 2:2-Ausgleich erzielte in der 78. Minute der eingewechselte Aron Johansson. Er drosche den Ball im Strafraum derart kraftvoll ins Gladbacher Tor, dass es nicht nur den Ausgleich bedeutete und einen Punktgewinn, sondern auch ein optisches Signal im Abstiegskampf.

"Wir haben super gekämpft und uns den Punkt verdient", sagte Kohfeldt. Die Gladbacher hingegen klangen sehr nüchtern. "Wir müssen das annehmen", sagte der wieder mal torlose Lars Stindl über das Ergebnis wie über ein hartes Urteil. Dieser Winter hatte für die Gladbacher bislang überhaupt nichts Idyllisches.

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