Bundesliga:Wolfsburg leidet am Paris-Problem

VfL Wolfsburg v Bayer 04 Leverkusen - Bundesliga

Nur dank des besseren Torverhältnisses im Vergleich zu Mainz steht der VfL Wolfsburg (hier nach der Niederlage Anfang März gegen Leverkusen) nicht auf dem Relegationsplatz.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Mit dem VfL und PSG implodieren zeitgleich zwei fußballerische Großprojekte. Auch wenn sich die Ausmaße unterscheiden - die Gründe ähneln sich frappierend.

Kommentar von Javier Cáceres

Paris und Wolfsburg haben in etwa so viel gemein wie die Seine und der Mittellandkanal. Gut, Nationalspieler Julian Draxler, der ja beide Städte kennt, würde einwenden, dass der ICE in der französischen Hauptstadt TGV genannt wird und nie an Paris vorbeifährt. Andererseits ist es schon frappierend, wie gleichzeitig sich - auf verschiedenen Ebenen, fürwahr -, die Implosionen fußballerischer Großprojekte vollziehen: Dort das durch katarische Petrodollars aufgerüstete Paris Saint-Germain, dem nun der teuerste Stürmer der Welt, die 222-Millionen-Euro-Investition Neymar, wohl wieder den Rücken zukehren will. Hier die hundertprozentige Volkswagen-Filiale VfL Wolfsburg, die trotz massiver Subventionen aus der VW-Portokasse mindestens der Relegation, vielleicht sogar der zweiten Liga entgegentaumelt.

VfL und PSG haben zwei Grundprobleme zu bewältigen, die womöglich zu groß sind. In keiner ihrer Städte ist die Dynamik des Fußballs wirklich relevant. In Paris kann man sich, ein Minimum an Savoir-vivre vorausgesetzt, die Zeit auch so ganz gut vertreiben. In Wolfsburg kreisen Wohl und Wehe der Stadt um die (zu einem guten Anteil von Katar gehaltenen) Aktien von VW und damit auch um dessen monumentale Affären. An die lohnt es immer wieder zu erinnern, weil man schnell vergisst, dass die Kohle in Wolfsburg nicht von kurzbehosten, angeblichen "Scheiß-Millionären" auf dem Rasen, sondern in der Konzernzentrale von Herren in feinem Zwirn verbrannt wird.

Beide Klubs haben kein Projekt

Wirklich gemein aber ist beiden Klubs dies: Sie haben kein Projekt. Das heißt: Bei PSG hielten es die Eigner fälschlicherweise für ein Projekt, den heißesten Fußballer des Augenblicks zu verpflichten und ihm Privilegien zu gewähren, die dem Rest des Teams aufstießen und die Identifikation mit dem Klub unterminierten. Die Folgen wurden beim Achtelfinal-Ausscheiden gegen Real Madrid in der Champions League offensichtlich. Auch beim VfL mangelt es an Identifikation, in dieser Saison mehr noch als früher. Die Mitglieder des Kaders wurden in Serie ausgetauscht; zudem experimentiert der VfL mit so vielen unterschiedlichen Trainertypen, dass man meint, die Kulturstiftung von VW habe eine Enzyklopädie über Taktik und Teamführung in Auftrag gegeben.

Zurzeit darf sich Bruno Labbadia daran versuchen, aus dem von Manager Olaf Rebbe zusammengestellten Kader eine Elf zu bauen. Bislang hat er aus drei Spielen einen Punkt geholt; Wolfsburg steht nach dem 0:3 in Hoffenheim nur wegen des besseren Torverhältnisses gegenüber Mainz nicht auf dem Relegationsplatz. Es kann also noch gutgehen für den VfL, an dem übrigens auch ein paar Herzen hängen, allen Vorurteilen zum Trotz. Die Frage wird dann aber wieder lauten, was für ein Projekt man beim VfL will. Die jetzigen Macher haben in dieser Saison keine Antwort darauf gefunden.

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