Bundesliga:Wie sich Verletzungen im Fußball vorbeugen lässt

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Auch beim FC Bayern München gibt es ein Trainerteam mit mehreren Experten. (Foto: dpa)
  • Fußballvereine lassen sich immer neue Methoden einfallen, um die Rehabilitation und Regeneration ihrer Spieler voranzutreiben.
  • Wissenschaftliche Methoden werden allerdings nur zögerlich eingesetzt - obwohl so Verletzungen weiter minimiert werden könnten.

Von Matthias Schmid

Tim Meyer findet es immer wieder von Neuem erstaunlich, dass viele Fußballer jederzeit und überall Schlaf finden können. Ob im Flugzeug, auf der Massagebank oder manch einer sogar während der Besprechung des Bundestrainers. "Fußballer haben in der Regel einen guten Schlaf", stellte der Arzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in eigenen Studien fest. Der Schlaf sei in der Forschung aber eine noch wenig untersuchte Größe, wenn es darum geht, wie sich Sportler schneller regenerieren können.

Sportklubs im Allgemeinen und Fußballvereine im Besonderen lassen sich heutzutage immer ausgefallenere Methoden einfallen, um ihre Spieler vor Verletzungen zu schützen oder die Regeneration zu beschleunigen. Sie haben erkannt, dass sie auf diese Art nicht nur Geld sparen, sondern auch ihren Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz nur dann ausspielen können, wenn ihre Besten nicht krankgeschrieben auf der Tribüne sitzen müssen. Die Eistonne unmittelbar nach dem Spiel wird daher immer beliebter, Bayer Leverkusen pikst seine Profis schon länger jeden Morgen ins Ohrläppchen, um Blut abzunehmen. So sollen Trainingsumfang und -belastung besser bestimmt und dosiert werden.

Es gibt in der Bundesliga Kältekammern, Höhenkammern, Laufbänder, die sogar von der Nasa mitentwickelt wurden. Es gibt Trainer, die kontinuierlich Leistungsdaten ihrer Spieler per GPS erheben.

"Laptoptrainer ist noch immer negativ konnotiert"

"Zehn Trainingseinheiten von heute sehen ganz anders aus als zehn Trainingseinheiten im Jahr 1998", sagt Tim Meyer, der als Professor für Sport- und Präventivmedizin an der Uni Saarland forscht und lehrt. Meyer stellt grundsätzlich eine größere Offenheit der Fußballklubs gegenüber Prävention fest, eine zunehmende Individualisierung und qualitative Differenzierung der Übungseinheiten. Seit der Ära von Jürgen Klinsmann sind die Trainerteams vergrößert worden, es gibt Fitnesstrainer, Rehatrainer, Bewegungstrainer. Aber die wenigsten Cheftrainer haben einen akademischen Hintergrund. "Der Fußball ist noch wenig wissenschaftlich durchdrungen", findet auch Martin Lames. Der Stallgeruch bei den Trainern sei wichtiger als eine akademische Ausbildung, ehemalige Spieler würden vor allem jene Inhalte an die Spieler weitergeben, die auch sie schon vermittelt bekamen. "Laptoptrainer ist noch immer negativ konnotiert", sagt der Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der TU München.

Dabei könnte die Wissenschaft helfen, die Verletzungen zu minimieren - ohne dabei aus den Kickern gläserne Athleten machen zu müssen. Selbst die Traditionalisten im Fußball haben erkennen müssen, dass Verletzungen nichts mit Glück oder Pech zu tun haben. In Jan Ekstrands vielbeachteter Studie "Elite Injury Study" des europäischen Fußballverbandes Uefa wurden seit 2001 fast 17 000 Verletzungen erfasst und ausgewertet. Es zeigte sich dabei ein eindeutiger Trend. Führten früher besonders Knöchelverletzungen zu Pausen, sind es heute vor allem muskuläre Beschwerden.

Vor allem der hintere Oberschenkel ist von den Muskelverletzungen betroffen, "weil er bei den häufigen dynamischen Bewegungen am stärksten beansprucht wird", wie Meyer sagt. Das Spieltempo hat nicht nur in der Champions League in den vergangenen Jahren rasant zugenommen, sondern auch in der Bundesliga - die körperlichen Ansprüche an die Spieler sind entsprechend gestiegen. Mit einfachen und effizienten, aber nicht besonders aufwändigen Maßnahmen würden sich Verletzungen vorbeugen lassen, sagt Lames. Tägliche Stabilitäts- und Kräftigungsübungen für den Rumpf zum Beispiel. Mit Sprint- oder Sprungtests lassen sich Daten erheben, die helfen, den Trainingsplan zu optimieren - ohne den Fußballern gleich ins Ohr stechen zu müssen. Aber um umfassende Ergebnisse zu erhalten, sei es wichtig, dass die Spieler dabei auch maximal beansprucht würden, hebt Meyer hervor, wie in einem wichtigen Spiel. Sonst ließen sich keine seriösen Rückschlüsse ziehen. Es gebe aber noch immer Trainer, die Spielern bei solchen Tests Anstrengung verbieten würden.

Neue Wege geht dabei die TU München. Sie hat mit dem FC Ingolstadt in der vergangenen Saison ein Projekt gestartet, bei dem sie neben der obligatorischen Jahresgrunduntersuchung mit Herz- und Lungentests die gesunden Spieler auch fußballspezifischen Tests unterzogen. Sie erhielten Soll-Werte, um einerseits Verletzungen vorzubeugen, indem die Fußballer an ihren Problemzonen arbeiten können. Und andererseits, um in der Rehabilitation schneller nachvollziehen zu können, wie weit der Sportler noch vom Ausgangswert entfernt ist.

Die Wissenschaftler maßen dafür die Umfänge von Muskelpartien wie der Wade, des Oberschenkels oder des Oberarms, sie bestimmten die Maximalkraft und Kraftausdauer für den vorderen und hinteren Oberschenkel. Und untersuchten das Gang- und Laufbild der Fußballer aus Ingolstadt. "Mit den gewonnenen Daten wird auch das Zusammenspiel zwischen Ärzten, Physiotherapeuten und Fitnesstrainer erleichtert, um die besten Lösungen für Prävention oder Rehabilitation zu erhalten", erklärt Trainingswissenschaftler Lames und lässt nicht ohne Stolz unerwähnt, dass Ingolstadt die wenigsten Verletzungen in der vergangenen Spielzeit verzeichnete.

Datenaustausch macht Probleme

So ein Datenaustausch würde sich Tim Meyer auch für die Nationalmannschaft wünschen, damit Bundestrainer Joachim Löw noch individueller trainieren lassen und noch genauer auf die Bedürfnisse des jeweiligen Spielers eingehen könnte. Doch der Datenaustauch scheitert nicht nur am Datenschutz in Deutschland, sondern auch daran, dass die Vereine in der Bundesliga unterschiedliche Daten mit unterschiedlichen Tests erheben.

Dabei verfehlen selbst die modernsten Untersuchungsanordnungen und Geräte der fortschrittlichen Vereine ihre Ziele, wenn die Fußballer ihre Freizeitgestaltung etwas zu locker nehmen. Nach einem Spiel, erklärt Tim Meyer, sei vor allem rasche Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr sowie ausreichend Schlaf das Wichtigste für Prävention und Regeneration. Meyer betont: "Gehen die Spieler nach einem Spiel aber in einen Club oder trinken sogar Alkohol, dann können sie sich den Gang in die Eistonne auch sparen."

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