Bundesliga: Werder Bremen:Zweifel im Paradies

Keine Erfolge, aber auch keine Erklärungen mehr: Die Krise von Werder Bremen hat Thomas Schaaf stark verändert. Der Trainingsplatz ist längst wie eine Kaserne, nach außen dringt nichts mehr. Doch wie lange hält er noch durch?

Jörg Marwedel

Manche sagen, Thomas Schaaf werde Otto Rehhagel immer ähnlicher. Der aktuelle Trainer des SV Werder Bremen mochte solche Vergleiche noch nie. Doch mit seiner zunehmenden Abneigung, mit Journalisten zu reden, kommt er seinem (heimlichen) Vorbild immer näher.

Klaus Allofs und Thomas Schaaf

Scheinbar unzertrennliches Duo: Manager Klaus Allofs und Trainer Thomas Schaaf.

(Foto: dpa)

Gut, die Fernsehzuschauer sehen ihn meist noch halbwegs freundlich und staunen allenfalls, wie sehr sich die sportlichen Sorgen inzwischen ins Gesicht des bald 50-Jährigen gegraben haben. Doch seine Antworten bei den Pressekonferenzen vor den Spielen sagen in etwa so viel aus wie die eines Ehemanns, der partout keine Details über sein Eheleben ver- raten mag.

Die Leute, die ihn täglich begleiten, ob Spieler, Reporter oder Werder-Angestellte, behaupten, derzeit falle es Thomas Schaaf sogar schwer, "Guten Morgen" zu sagen. Und irgendwie kann man das sogar verstehen. Noch nie hat Schaaf in seinen bald zwölf Jahren als Werder-Chefcoach mit dem Abstiegskampf zu tun gehabt. Außer am Anfang 1999, als er den Absturz als Nachfolger von Felix Magath gerade noch verhinderte.

Wie sehr ihn die Kritik, die nicht allein vom Boulevard kommt, getroffen hat, ist herauszuhören im ersten Interview, das er nach langem Schweigen in dieser Woche dem Kicker gab. Er verglich sich mit einem Hollywood-Regisseur, der 20 gute Filme gemacht und nun erstmals einen schlechten gedreht habe. Sofort komme dann stets die Frage: Ist die Ära vorbei?

Otto Rehhagel hätte vielleicht den Hollywood-Regisseur durch Beethoven ersetzt, ansonsten ist es das gleiche Muster. Es wirkt, als habe Schaaf ein Buschwerk aus Verbitterung und Trotz um sich herum gebaut, damit ihm niemand zu nahe kommt. Die Zweifel aber, ob die Ära Schaaf/Werder bald wirklich vorbei ist, mag er nicht ausräumen. Da verstummt er lieber.

Ein Schaaf-Statement ist ein Sechser im Lotto

Diejenigen, die seine Arbeit regelmäßig begleiten, haben zwei wesentliche Wandlungen bemerkt. Früher hatte Schaaf in kritischen Phasen stets das Bedürfnis, den Journalisten mit Argumenten Verständnis für die Lage zu vermitteln und auf diese Weise dem öffentlichen Trend gegenzusteuern. Nun, scherzt ein Reporter, sei es schon wie ein Sechser im Lotto, wenn Schaaf nach dem Training eine kurze Info unters Volk streue.

Schaaf kämpft nur noch nach Innen, nicht mehr nach Außen. Auch deshalb wirkt er manchmal, als habe er keine Ideen mehr, wie der schwersten Krise seit 1999 zu begegnen sei. Die zweite Veränderung ist auf dem Übungsplatz zu begutachten. Dort geht es immer häufiger zu wie in einer Kaserne, wo sich die Spieler manch bitteren Anpfiff des Befehlshabers anhören müssen.

Was tun, wenn Pizarro verletzt ist?

Allein am Dienstag hat Schaaf während des Trainings lautstarke Kritik an den Profis Silvestre, Fritz, Wagner und Arnautovic geübt. Man könnte sagen, so ist das eben im Abstiegskampf, wenn Profis nicht das abrufen, was von ihnen verlangt wird. Verteidiger Dominik Schmidt sagt: "Er rüttelt uns wach. Es gibt keine Ausreden mehr." Andere vermuten, der oft missgelaunte und sparsam Kommunizierende Schaaf ziehe viele Spieler so noch weiter nach unten.

Schon macht wieder die Geschichte mit dem Lachsack die Runde. Den bekam Schaaf einst als Trainer der Amateure vom Team geschenkt, weil es hieß, er gehe zum Lachen immer in den Keller. Doch in den erfolgreichen Jahren kam der Ur-Werderaner Schaaf mit seinem trockenen Humor immer besser an, nicht nur in Bremen. Nun witzeln einige, der gestresste Coach müsste mal einen neuen Lachsack bekommen.

Wobei: Wie soll man albern sein mit dem zweitschlechtesten Torverhältnis der Liga (28:48) oder nach zuletzt sieben Auswärtsspielen, in dem das Team 1:20 Tore verbuchte? Wie soll man damit umgehen, wenn Profis wie Hunt, Marin, Mertesacker oder Bargfrede ein bis drei Schritte zurückmachen? Was kann man tun, wenn Spieler wie Özil und Almeida nicht annähernd ersetzt wurden und Säulen wie Pizarro oder Naldo oft oder seit Monaten verletzt sind?

Man kann vom Trainer kaum erwarten, dass er zum jetzigen Zeitpunkt die zahllosen Fehler der vergangenen drei Jahre aufzählt, die er gemeinsam mit Klubchef Klaus Allofs in der Personal- politik fabriziert hat. Man darf dem im Prinzip konservativen Coach auch nicht vorwerfen, dass er der jahrelang bewährten Mittelfeld-Raute immer häufiger abschwört, weil er offenbar nicht mehr die Spieler hat, die Stabilität in diese offensive Spielweise bringen.

Erstaunlich ist trotzdem, dass Klaus-Dieter Fischer, Geschäftsführer und Präsident des Gesamtvereins Werder Bremen, weiter sagt, sein Vertrauen in Thomas Schaaf sei noch immer "sehr, sehr, sehr groß". Er habe von mehreren Spielern vernommen, dass der Coach "eine gute Balance aus Kritik und Lob" hinbekomme. Schaaf selbst sagt: "Wenn ich meine Spieler vernichten würde, wären wir schon vor dem Anpfiff am Boden." Genützt hat dieses angebliche Gleichgewicht wenig, wie beim 0:4 in Hamburg zu sehen war. Und nun kommt ein noch gewaltigerer Brocken ins Weserstadion: der Tabellenzweite Leverkusen.

Es ist ungewiss, ob Klaus Allofs die heftig gegen das Duo Allofs/Schaaf wetternde Bild-Zeitung etwas beruhigen wollte, als er jetzt sagte, es gebe selbst für Schaaf "keinen Entlassungsschutz". Vielleicht ist es aber auch so, dass nach einer Niederlage gegen Leverkusen selbst in Bremen, dem Paradies für Trainer, die letzte Chance in einem Wechsel gesehen wird. Selbst wenn der Aufsichtsrat gerade verkündete, er wolle mit Schaaf-Freund Allofs trotz der Notlage den Vertrag verlängern.

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