Bundesliga: Werder Bremen:Plan A, nicht Plan B oder C

Werder Bremen durchlebt die schwerste Krise seit Jahren. Das Champions-League-Spiel in Tottenham wird Trainer Thomas Schaaf vor allem eines zeigen - ob es sich lohnt, weiter mit dieser auseinandergefallenen Mannschaft zu arbeiten.

Jörg Marwedel

Natürlich gibt es noch Fußballer, die an Werder Bremen glauben. Peter Crouch zum Beispiel, Stürmer von Tottenham Hotspur, dem Champions-League-Gegner der Bremer an diesem Mittwoch. "Gewiss", sagt der englische Zweimeter-Torjäger, "wird Werder uns auf Augenhöhe begegnen." Vielleicht spielt da noch das Renommee mit, das die Norddeutschen sich besonders in den vergangenen sechs Jahren international aufgebaut haben.

SV Werder Bremen v Eintracht Frankfurt - Bundesliga

"Egal wer hier vor euch steht, ob ich das bin oder ein anderer. Es sind immer die gleichen Anforderungen": Werder Bremen und Thomas Schaaf brauchen in Tottenham einen Sieg.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Vielleicht aber ist das auch nur Taktik gewesen, ebenso wie das Dementi des Werder-Chefs Klaus Allofs, der ein verkapptes Rücktritts-Angebot des Trainers Thomas Schaaf, 49, in Abrede stellte. Laut Allofs habe Schaaf gegenüber der Mannschaft nur gesagt: "Egal wer hier vor euch steht, ob ich das bin oder ein anderer: Es sind immer die gleichen Anforderungen."

Doch schon dieser Satz lässt tief in die Seele des im zwölften Jahr als Chefcoach tätigen Ur-Werderaners Schaaf blicken. Allofs und der Aufsichtsrat wollen vorerst - wie bei allen vorangegangenen sportlichen Flauten - an dem nach Otto Rehhagel verdientesten Trainer der Klubhistorie festhalten. Ein alter Kollege, der Schaaf gut kennt, bestätigt jedoch indirekt dessen Beschäftigung mit dem Abschied. Er glaube, sagt der einstige Mitspieler Dieter Eilts, dass Schaaf sich die Frage stelle, ob Werder noch der richtige Verein für ihn sei.

Dieses Spiel in Tottenham, womöglich das vorletzte in der Champions League für viele Jahre, könnte Schaaf ein Stückchen weiterbringen auf dem Weg zu der Erkenntnis, ob es sich lohnt, diese zuletzt auseinandergefallene Mannschaft weiterhin zu begleiten. Es geht in diesem Match weniger um die nur noch theoretische Hoffnung auf das Erreichen des Achtelfinales. Eher ist dieses Duell vor Londoner Kulisse ein weiterer Charaktertest nach dem Motto: Wehren sich die Profis endlich gegen den Abstieg, der so unaufhaltsam zu sein scheint?

Es geht nur noch darum, nicht die nächste Pleite gigantischen Ausmaßes zu erleiden. Eine wie das 0:6 in Stuttgart vor gut zwei Wochen, das 0:4 auf Schalke am Samstag oder das 0:4 bei Inter Mailand in der Königsklasse. Eine 2:3-Niederlage würde wohl schon als Aufschwung gelten. Doch die Aussichten, die heftigen Turbulenzen hinter sich zu lassen, sind in etwa so gut, als wolle man mit einem Ruderboot im stürmischen November den Kanal zwischen Frankreich und England erfolgreich überqueren.

Nicht weniger als zehn Profis (von den Verletzten Pizarro und Naldo über die umstrittenen und ebenfalls verletzten Silvestre und Arnautovic bis zum gesperrten Kapitän Frings) fehlen der Besatzung. Diese wird in London mit sieben U23-Talenten ergänzt, von denen angeblich Felix Kroos im rechten Mittelfeld und der noch unbekanntere Dominik Schmidt (der hat anders als Kroos keinen bekannten Bruder beim FC Bayern) als linker Außenverteidiger auf den Rasen an der White Hart Lane.

Man ist fast geneigt, schon die Verdienste des zwar in Mannheim geborenen, aber doch so norddeutsch gestrickten, also meist eher wortkargen Schaaf herauszustreichen. Ähnlich wie bei einem Nachruf. Das Internet-Sportportal Spox hat das Ende der Ära schon einmal vorformuliert. Am 4. Dezember werde es so weit sein, nach einem 1:5 in Wolfsburg, wo ausgerechnet der frühere Werder-Dirigent Diego drei Tore zum Sieg des VfL beisteuere. Schaafs Nachfolger werde zumindest vorübergehend Dieter Eilts sein, dichtete der Autor der Fiktion. Vorübergehend, so wie Thomas Schaaf am 10. Mai 1999 für den entlassenen Felix Magath einsprang.

"Kein Problem zwischen Mannschaft und Trainer"

Damals vermittelte Schaaf ein neues Werder-Gefühl nach dem zynischen und in Bremen unbeliebten Magath. Schaaf rettete das Team noch vor dem drohenden Abstieg und gewann kurz darauf auch noch das DFB-Pokalendspiel gegen Bayern München. Damit war der Grundstein gelegt für eine zweite Epoche á la Rehhagel, die mit einem Meistertitel (2004), drei Pokaltriumphen und einem Uefa-Cup-Finale belohnt wurde.

Schaaf baute zusammen mit Klaus Allofs, der zwei Monate nach seinem Dienstbeginn als Manager hinzustieß, eine Mannschaft, die eine ähnliche Reputation erlangte wie Borussia Mönchengladbach in den siebziger Jahren. Der FC Bayern war zwar noch erfolgreicher, aber der schönste Fußball, da war sich die Mehrzahl der Experten einig, wurde in Bremen gespielt.

Nie wich Schaaf von seinem Plan ab, ein Offensiv-Spektakel zu bieten, selbst wenn darunter die Abwehr oft litt. Ob Miroslav Klose, Mesut Özil oder Marko Marin - gerade zurückhaltende Profis kamen auch wegen Schaaf zum SV Werder, weil er den Ruf hatte, besonders geduldig an ihren Talenten zu arbeiten.

Doch zuletzt ist der zuweilen griesgrämige Coach auch gescheitert. Er hatte zwar bestens mit einem bunten Vogel wie Ailton oder dem eigensinnigen Johan Micoud zusammengearbeitet, doch an der neuen Generation der schwierigen Profis, etwa Carlos Alberto oder Marko Arnautovic, biss sich auch Schaaf die Zähne aus.

"Es gibt kein Problem zwischen Mannschaft und Trainer", hat der Manager Allofs vor dem Abflug nach London nochmals gesagt. Das wäre also anders als damals bei Felix Magath. Doch man könnte einen anderen Schaaf-Satz dieser Woche so deuten, dass weder er selbst noch Allofs eine Idee haben, um aus dem Tief herauszukommen. "Es gibt nur einen Plan und keinen Plan B oder C", hat der Coach gesagt. Und da die Ära Schaaf in Wirklichkeit eine Schaaf/Allofs-Epoche ist, hat die Bild-Zeitung bereits gefordert: "Geht Schaaf, muss auch Allofs gehen."

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