Bremen in Wolfsburg:Werder will wieder den Ball

Bremen in Wolfsburg: Im Stile eines Mittelstürmers: Spielmacher Leonardo Bittencourt (rechts) köpfte Werder zwischenzeitlich in Führung.

Im Stile eines Mittelstürmers: Spielmacher Leonardo Bittencourt (rechts) köpfte Werder zwischenzeitlich in Führung.

(Foto: Fabian Bimmer/Reuters)

Ein Unentschieden in Wolfsburg als Statement: Unter Trainer Ole Werner ist wieder typischer Bremen-Fußball erkennbar. Doch beim 2:2 gegen den VfL gibt es auch Ärger zwischen Fans und Polizei.

Von Thomas Hürner, Wolfsburg

Der Stürmer Marvin Ducksch wischte sich mit dem Trikot den Schweiß vom Gesicht. Der Kapitän Marco Friedl ließ sich mit dem Hintern auf den Boden fallen und setzte zu einer Rolle rückwärts an, ehe er sich entschloss, das Manöver abzubrechen. Friedl setzte sich lieber aufrecht hin. Und Ole Werner? Der Trainer des SV Werder hatte sich nach dem Schlusspfiff schon längst auf den Weg gemacht, um mit allen Menschen abzuklatschen, die zur hanseatischen Delegation in der Wolfsburger Arena zählten.

Mit einem 2:2 beim favorisierten VfL sind die Bremer in die Bundesliga zurückgekehrt, es war ein Unentschieden, das auch ein klares Statement an die Branche war. Es lautete in etwa so: Seht her, liebe Konkurrenten, wir haben zwar ein paar miese Jahre hinter uns, in denen wir erst unseren mutigen Werder-Fußball einstellen mussten und dann unsere Erstliga-Zugehörigkeit verloren haben. Aber das, liebe Konkurrenten, ist ja schon eine gefühlte Ewigkeit her - und wir haben auf gar keinen Fall vor, die Fehler von damals zu wiederholen. Der Trainer Werner, 34, sprach von einer "positiven Erkenntnis", die das Spiel in Wolfsburg offengelegt habe: Werder will wieder den Ball haben. Und die Bremer trauen sich das zu, weil sie wissen, dass sie mit ihm umgehen können.

In der Tat legten die Bremer in der Anfangsphase die Vermutung nahe, dass sie die vergangene Zweitliga-Saison genutzt haben, um sich wieder dem traditionellen Werder-Stil (schön, couragiert, offensiv) anzunähern. Werders erste Angriffslinie attackierte den Gegner früh, die zweite schloss die Lücken dahinter, und auch die Verteidigung konnte sich kess ums Gegenpressing kümmern, weil in Marco Friedl und Zugang Amos Pieper zwei schlaue und schnelle Abwehrspieler die letzte Absicherung bildeten.

Bremen in Wolfsburg: Auch wieder zurück in der Bundesliga: Wolfsburg-Trainer Niko Kovac war nicht zufrieden mit dem Auftritt seiner Mannschaft.

Auch wieder zurück in der Bundesliga: Wolfsburg-Trainer Niko Kovac war nicht zufrieden mit dem Auftritt seiner Mannschaft.

(Foto: Ronny Hartmann/AFP)

Das war toll für die Bremer, die als beliebte Marke sicher auch von vielen neutralen Beobachtern in der Erstklassigkeit willkommen geheißen werden. Das war allerdings weniger toll für die Wolfsburger und ihren neuen Trainer Niko Kovac, der nach seiner Zeit als Bayern-Coach auch eine Weile weg war - mit ein paar Monaten Pause und einem Engagement in Frankreich bei der AS Monaco sogar noch etwas länger als der SV Werder. Kovac vermisste von seinen Spielern, was er die "Keimzelle des Fußballs" nannte: Wille, Giftigkeit, Zweikampfhärte - allesamt Attribute, die für Kovac' Gegen-den-Ball-Fußball von Bedeutung sind.

Und allesamt auch Attribute, die man gut brauchen kann, wenn man den anfänglichen Spielverlauf so hintertreibt wie der VfL-Stürmer Lukas Nmecha. Der erzielte mit einem feinen Heber nach einem genauso feinen Pässchen von Maximilian Arnold das 1:0 für Wolfsburg (11.), nur: Die Gastgeber schafften es trotzdem nicht, Ordnung ins Geschehen zu bringen. Und die Bremer hatten große Freude daran, Unordnung in der Wolfsburger Defensive zu stiften.

Kovac hatte vor dem Spiel gewarnt, dass es sich bei Werder um keinen "normalen Aufsteiger" handle, und damit war nicht nur der Status als viermaliger deutscher Meister und früherer Europapokalsieger gemeint, sondern vielmehr die Substanz im Bremer Kader und der wohltuende Einfluss von Ole Werner. Es ist schon enorm, was der Trainer in einem Dreivierteljahr geschafft hat: Als er seinen Dienst antrat, war Werder ein bekümmerter Traditionsklub, bei dem so viel so düster gemalt wurde, dass man schon Sorge haben musste, in Bremer Grundschulen würde bald ein Mangel an schwarzen Filzstiften gemeldet.

Werder gelingt ein schneller Doppelschlag - Füllkrug und Bittencourt treffen innerhalb von zwei Minuten

Werner ließ Werder quasi im Handstreich wieder erstligareif aussehen, was in der zweiten Liga durchaus eine Kunst ist. Im Sommer wurde die Mannschaft mit beschränkten Mitteln sinnvoll verstärkt, es kam etwa für 3,5 Millionen Euro der Mittelfeldmann Jens Stage, der übrigens ausgesprochen wird wie das englische Wort für "Bühne" - und der in Wolfsburg so viel dänische Fleißarbeit leistete, dass die Offensivkräfte einen applauswürdigen Auftritt hinlegen konnten.

Bremen in Wolfsburg: Das erste Werder Tor nach dem Bundesliga-Comeback: Niclas Füllkrug (Mitte) traf zum 1:1.

Das erste Werder Tor nach dem Bundesliga-Comeback: Niclas Füllkrug (Mitte) traf zum 1:1.

(Foto: Swen Pförtner/dpa)

Insofern erstaunte es nicht, dass die Bremer dem frühen Rückschlag etwas entgegen setzen konnten, und noch weniger überraschte, dass sich Niclas Füllkrug dafür verantwortlich fühlte. Höchstens die Art und Weise war von Seltenheitswert: Füllkrug, ein Mittelstürmer altdeutscher Bauart, traf aus 20 Metern mit einem kunstvollen Schlenzer ins lange Eck (21.). Und nur zwei Minuten später drehte Leonardo Bittencourt auf für ihn ebenso ungewöhnliche Weise das Spiel: Der 28-Jährige setzte nach einer Flanke von Marvin Ducksch einen Kopfball ins Netz, der aussah, als sei er das Fabrikat eines gelernten Mittelstürmers - dabei ist Bittencourt nur 1,70 Meter groß und von Beruf Spielmacher.

In der zweiten Hälfte versetzte Werder die Angriffslinie etwas nach hinten, aber das reichte, um die Gastgeber zu kotrollieren - bis zu einem Eckball in der 84. Minute. Da flankte Max Kruse, dessen späte Einwechslung Kovac nicht genauer kommentieren wollte, in den Strafraum, der ebenfalls eingewechselte Josuha Guilavogui traf per Flachschuss zum späten 2:2.

Bremen in Wolfsburg: Schlusspunkt einer umkämpften Partie: Wolfsburgs Josuha Guilavogui (links) erzielt das Tor zum 2:2-Endstand.

Schlusspunkt einer umkämpften Partie: Wolfsburgs Josuha Guilavogui (links) erzielt das Tor zum 2:2-Endstand.

(Foto: Swen Pförtner/dpa)

Bei Werder-Trainer Werner hinterließ das Ergebnis "gemischte Gefühle", weil man sich für die "gute Leistung" nicht komplett belohnt habe. Gemischte Gefühle konnte man aber auch entwickeln, wenn man das massive Polizeiaufgebot sah, das am Wolfsburger Bahnhof die Werder-Fans in Empfang nahm und einkesselte. Die Werder-Ultragruppen traten deshalb wieder die Heimreise an, aus Protest gegen die wirklich sonderbare Maßnahme vor einem Spiel, das laut eines Bremer Kommuniqués im Vorfeld von beiden Klubs als "unbedenklich" eingestuft worden war.

Den Umgang mit der per Zug angereisten Anhängerschaft bezeichnete die Werder-Delegation zwar als sehr bedauerlich. Doch aus Bremer Sicht überwog dennoch der Gedanke, den der Spielmacher Bittencourt bereits beim Aufwachen am Samstagmorgen gehabt habe. Er lautete: "Boah, geil, endlich wieder erste Liga!"

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