Werder Bremen:Özil fehlt - überall

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Plötzlich ist es weg, das Händchen für geniale Transfers. Seit Jahren verblüffte Werder Bremen mit überraschenden Personalien. Nun geht dieses Puzzle erstmals nicht auf.

Carsten Eberts

Eine Mannschaft ohne Gegenwehr hatte Werder Bremens Trainer Thomas Schaaf gesehen. Wie ein Sparringspartner beim Boxen, der sich artig verhauen lässt. Das 0:6 beim VfB Stuttgart demütigte die Bremer auf geradezu bloßstellende Weise: Die Mannschaft scheint auf diese Art nicht zusammenzupassen. Torhüter Tim Wiese sagte: "Ich schäme mich. Jeder sollte sich schämen."

0:6, was nun? Die Bremer Aaron Hunt, Tim Wiese und Sebastian Prödl (von links). (Foto: dapd)

Es ist ein seltsames Gefühl, tatsächlich Werder Bremen, dem Transferkönig vergangener Tage, eine misslungene Komposition des Kaders bescheinigen zu müssen. Jahrelang hat sich der Klub aus schwierigen Personalangelegenheiten selbst befreit. Als Nachfolger von Johan Micoud holten sie Diego, als sich dessen Abschied andeutete, hatten sie Mesut Özil längst als Nachfolger aufgebaut. Nun spielt Özil bei Real Madrid - und der Plan, den Weggang der spielprägenden Figur mit eigenen Mitteln aufzufangen, geht ziemlich schief.

Mesut Özil war in seinen zweieinhalb Jahren bei Werder Bremen kein Wunder an Konstanz. Doch Özil spielte auch an schlechten Tagen inspirierter und war ansatzlos torgefährlicher, als die Spieler es gerade tun, die ihn ersetzen sollten: Aaron Hunt, den diese Aufgabe zusehends belastet; Marko Marin, dem das Trikot mit der Nummer zehn schlichtweg zu groß ist. Chefeinkäufer Allofs muss entsprechend zugeben, diesmal falsch gelegen zu haben. Das Vertrauen in Hunt und Marin war eine mutige Entscheidung - eine zu mutige.

Zudem ist Allofs etwas anderes abhandengekommen: sein Händchen. Für schwierige Charaktere, die er stets nach Bremen lockte und dort erfolgreich integrierte. Der Brasilianer Wesley, um den Allofs so lange kämpfte, spielte in Bremen schon auf fast jeder Position. Der hochtalentierte Österreicher Marko Arnautovic zeigt zwar tolle Ansätze, ist für die Bundesliga jedoch noch zu unbeständig. Und Mikael Silvestre von Arsenal London erinnert eher an die französische Version des Finnen Petri Pasanen - nicht wegen dessen finnischer Ruhe, sondern dem Hang zu haarsträubenden Abwehrtölpeleien. Die missglückte Geschichte mit Carlos Alberto ist vielfach erzählt.

Allofs muss stattdessen zusehen, wie anderen Klubs die Überraschungstransfers der Saison gelungen sind: Shinji Kagawa in Dortmund, Lewis Holtby in Mainz, Sidney Sam in Leverkusen. Das ist ein neues Gefühl. Wenn es nicht läuft, hat Bremen derzeit keinen, der Überraschendes leisten kann. Einen wie Özil, der am Sonntag wieder einmal für Real Madrid traf.

Stattdessen halten Allofs und Schaaf an Leistungsträgern vergangener Tage fest. Den Umbruch haben sie längst verpasst. Der Brasilianer Naldo ist seit Wochen verletzt, Per Mertesacker kilometerweit von seiner Form der WM 2006 entfernt. Der chronisch mies gelaunte Torsten Frings, mittlerweile 33, muss sich weniger seinen verschossenen Elfmeter anlasten lassen. Bestimmt jedoch, dass Werder in Stuttgart keinerlei Gegenwehr leistete. Frings spielt im defensiven Mittelfeld, ist der Kapitän dieser Mannschaft. Seine Zeit scheint sich auch in der Bundesliga dem Ende zuzuneigen.

Dort ist Werder Bremen in der Tabelle nur noch Elfter, im DFB-Pokal bereits ausgeschieden, auch in der Champions League so gut wie draußen. Die Saison droht für Werder bereits jetzt eine verlorene zu werden.

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